Rassismus: Streit um Hund ohne Leine eskaliert

Ein Vogelbeobachter und eine Hundebesitzerin treffen im New Yorker Central Park aufeinander. Der Mann verlangt, dass die Frau den Vorschriften entsprechend ihren Hund an die Leine nimmt. Stattdessen ruft sie die Polizei und sagt am Telefon, sie werde von dem Mann bedroht.

Amy Cooper: Sie ruft die Polizei und sagt, sie werde mit dem Leben bedroht. Währenddessen filmt sie der Mann, der sie eigentlich bedroht. Foto: Christian Cooper via AP
Amy Cooper: Sie ruft die Polizei und sagt, sie werde mit dem Leben bedroht. Währenddessen filmt sie der Mann, der sie eigentlich bedroht. (Foto: Christian Cooper via AP)

Am Montagmorgen geht Christian Cooper, ein Vogelbeobachter und Mitglied der Ornithologen-Umweltorganisation National Audubon Society, im New Yorker Central Park spazieren. Er sucht nach Vögeln in einem Waldstück, das Ramble heißt. Da begegnet ihm Amy Cooper – die beiden sind nicht verwandt – mit ihrem Hund. Der tollt ohne Leine herum. Dabei gilt, wie in weiten Teilen des Central Park und auch für das Ramble, Leinenpflicht. Darauf weist Christian Cooper die Hundebesitzerin hin. Doch die Frau legt nicht die Leine an, sondern entscheidet sich für ein ganz anderes Verhalten.

Zuerst weist sie noch darauf hin, dass ihr Hund den Auslauf brauche und andere Bereiche des Parks, in denen Hunde leinenlos rennen dürften, zu gefährlich seien. Darauf sagt Christian Cooper, der den Dialog auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat: „Wenn Sie einfach machen, was Sie wollen, werde ich das auch. Sie werden das aber nicht gutheißen.“ Darauf fragt Amy Cooper: „Und was genau wollen sie tun?“

Christian Cooper zieht Hundeleckerli aus seiner Tasche, die er nach eigener Aussage für solche Fälle immer parat hält: Wenn Hundebesitzer oder -besitzerinnen ihre Hunde nicht an die Leine nehmen, obwohl es Vorschrift ist und damit die Vögel verjagen, der er beobachten möchte.

Er filmt den Vorfall und stellt das Video auf Facebook

Doch bevor Christian Cooper den Hund anlocken kann, schnappt ihn sich Amy Cooper unsanft am Halsband. Gleichzeitig beginnt Christian Cooper die Szene mit seinem Handy aufzunehmen. Das Video hat er ebenfalls auf Facebook veröffentlicht, von dort ist es auf zahlreichen anderen sozialen Medien und Kanälen weiterverbreitet und mittlerweile millionenfach angeklickt und geteilt worden.

Darin ist Amy Cooper zu sehen, wie sie auf Christian Cooper zugeht und ihn bittet, sie nicht zu filmen. Er wiederum sagt, sie solle nicht näherkommen – sie trägt die ganze Zeit eine Schutzmaske. Dann sagt sie, wenn er nicht sofort das Handy runternehme, rufe sie die Polizei und werde sagen, dass ein afroamerikanischer Mann ihr Leben bedrohe.

An dieser Stelle schlägt die Geschichte um, plötzlich spielt Hautfarbe eine Rolle: Amy Cooper ist weiß, Christian Cooper ein Schwarzer. Tatsächlich ruft Amy Cooper den Notruf und sagt, ganz ruhig: „Hier ist ein afroamerikanischer Mann, der mich filmt und mich und meinen Hund bedroht.“ Sie wiederholt den Satz. Dann ändert sich ihre Stimme plötzlich und sie klingt ängstlich und laut während sie sagt: „Ich weiß nicht, wo genau ich bin. Bitte schicken Sie sofort Polizisten in die Rambles, ich werde von einem Mann bedroht.“ In all der Zeit filmt Christian Cooper aus mindestens fünf Meter Distanz, ohne sich zu bewegen oder etwas zu sagen.

Durchgefallen: Twitter unterzieht Trump erstmals Faktencheck

Der Anruf hat Konsequenzen für Amy Cooper

Breit über Vorfall von diesem Montag berichtet hat CNN. Laut dem Artikel hat er zahlreiche Konsequenzen nach sich gezogen. Es gab zwar keine Verhaftungen, denn weder Amy Cooper noch Christian Cooper waren vor Ort, als die Polizei eintraf. Ein Zeuge allerdings beschrieb den Beamten die Szene: Eine Frau, sehr aufgeregt und laut, ein Mann, sehr ruhig und auf Distanz.

Dennoch sagte Amy Cooper im Gespräch mit CNN, das Video habe ihr ganzes Leben zerstört. Ihren Hund hat sie eigenen Angaben zufolge im Tierheim, aus dem er stammt, abgegeben. Am Dienstag wurde sie zudem von ihrem Arbeitgeber entlassen. Via Twitter teilte das Unternehmen mit, dass nach interner Überprüfung des Vorfalls die sofortige Kündigung der Mitarbeiterin beschlossen wurde und dass Rassismus „in keiner Weise toleriert wird“.

Amy Cooper sagte in der Zwischenzeit: „Ich bin keine Rassistin. Ich wollte dem Mann nicht schaden“ – auch nicht der afroamerikanischen Gemeinschaft. „Ich glaube, ich war einfach verängstigt, weil ich allein im Park war. Mein Verhalten ist trotzdem unentschuldbar.“

Christian Cooper sagte, er würde dennoch eine Entschuldigung von ihr annehmen. „Wenn die Entschuldigung ehrlich gemeint ist und ihr Hund in Zukunft wirklich an der Leine geht. Dann haben wir kein Problem miteinander.“

Wieso hat er überhaupt angefangen, zu filmen?

Auf die Frage, wieso er die ganze Szene überhaupt gefilmt habe, sagte er zum Schluss: „Weil ich denke, es ist wichtig, diese Vorfälle zu dokumentieren. Leider leben wir in einer Zeit, in der so etwas wie Ahmaud Arbery passieren kann. Eine Zeit, in der Schwarze als Zielscheibe gesehen werden. Diese Frau dachte, sie könnte das zu ihrem Vorteil ausnutzen und das wollte ich nicht zulassen.“

Ahmaud Arbery war ein 25-jähriger Mann, der im Februar im US-Bundesstaat Georgia von zwei weißen Anwohnern beim Joggen erschossen worden war. Der Fall wurde erst öffentlich diskutiert, als ein Handyvideo der Tat auftauchte.

Aktuell beschäftigt die amerikanische Öffentlichkeit ein weiterer Fall von Polizeibrutalität: Im US-Bundesstaat Minnesota hat ein weißer Polizist einen verdächtigen Schwarzen zu Boden gedrückt und minutenlang sein Knie an dessen Hals gedrückt. Der Verdächtige flehte wiederholt um Hilfe und sagte, er könne nicht atmen. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Erst als ein Video des Vorfalls aufgetaucht ist, kam es zu einer Ermittlung gegen den Polizisten.

VIDEO: Die Corona-Pandemie verstärkt Xenophobie