Im Rausch Richtung Diktatur: So geht es mit der deutschen Sensations-Serie weiter

Ab Freitag, 24. Januar, wird die meistbeachtete deutsche Serie der letzten Jahrzehnte mit zwölf neuen Folgen fortgesetzt. Tom Tykwer und Co. verfilmten Volker Kutschers zweiten Gereon Rath-Roman "Der stumme Tod". Er spielt unter anderem beim Film.

So mancher, der liest, dass am Freitag, 24. Januar (20.15 Uhr auf Sky 1 HD oder ab dann jederzeit "on demand"), "Babylon Berlin" mit einer dritten Staffel weitergeht, dürfte Schweißausbrüche wie Serienheld Gereon Rath (Volker Bruch) erleben, wenn er mal wieder seine letzte Ampulle Morphin verloren hat. Schon die dritte Staffel? Mist, ich habe die zweite verpasst. Doch gemach. Staffel eins und zwei waren im Prinzip eine Erzählung und wurden am Stück ausgestrahlt. 16 inhaltlich fortlaufende Folgen, die im Herbst und Winter 2018 zuerst bei Sky und ein Jahr später beim Koproduzenten ARD liefen. Mit großem Erfolg. Für das spannende und filmisch faszinierend hochwertig produzierte Sittengemälde des Jahres 1929 in Berlin gab es renommierte Trophäen (Grimmepreis, Deutscher Fernsehpreis) und gute Kritiken. Auch der Zuschauerzuspruch stimmte. Bei Sky sollen es etwa 570.000 Kunden gewesen sein, die durchschnittlich jede der 16 Folgen im Herbst 2018 auf unterschiedlichen Wegen konsumierten. Der Sender verkündete den damals zweithöchsten Zuspruch für eine Serie überhaupt, direkt platziert hinter der damals aktuellen "Game of Thrones"-Staffel sieben.

38 Millionen Euro sollen jene ersten 16 Folgen gekostet haben. Die teuerste deutsche Serie aller Zeiten. In Anbetracht dieser Zahlen, waren jene 4,37 Millionen Zuschauer, welche die "Babylon Berlin"-Staffeln eins und zwei im Schnitt ein Jahr später bei der ARD verfolgten, fast ein bisschen wenig. Allerding muss man diese Zahl stark relativieren. Erstens gilt es die Sky-Nutzer abzuziehen, die "Babylon" bereits im Jahr zuvor linear oder "on demand" verfolgt hatte. Zweitens startete die Serie im Ersten mit rund acht Millionen Zuschauern auf "Tatort"-Niveau und wurde danach komplett in die Mediathek eingestellt, wo viele, gerade jüngere Zuschauer das spannende Werk bei "individueller Zeiteinteilung" zu Ende sahen.

Auch an dieser Rechnung sieht man: Die klassische Quoten-Kommunikation, sie bezieht nach wie vor keine Mediatheken-Nutzung in ihr Zahlenmodell mit ein, ist einfach nicht mehr zeitgemäß und verliert galoppierend an Bedeutung. Höchste Zeit, dass sich hier etwas ändert. Insgesamt ist man mit "Babylon" nämlich sowohl bei Sky als auch im Ersten hochzufrieden. Nicht nur, weil die Zahlen gut und das Renommee noch höher ist, sondern weil zudem die Nachfrage und der Zuspruch aus dem Ausland sehr hoch ausfiel. "Babylon Berlin" lief in fast allen relevanten Fernsehmärkten der Welt. In über 100 Ländern war das Werk insgesamt zu sehen. In den USA übrigens bei Netflix, wo man die Serie gar synchronisierte.

Neuer Star-Auftrieb in Staffel drei

Weitere "Babylon Berlin"-Staffeln sind demnach sehr wahrscheinlich, auch wenn zunächst mal der Erfolg der nun startenden dritten Staffel abgewartet wird. Umgesetzt wurde sie wiederum von den Autoren und Regisseuren Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries als kreativem Trio. Inhaltlich hält man sich an die Reihenfolge der Romanvorlage des Kölner Schriftstellers Volker Kutscher, von dem mittlerweile sieben Gereon Rath-Romane existieren. Nach dem ersten ("Der nasse Fisch") entstanden die Staffeln eins und zwei. In den zwölf neue Episoden, die Sky immer freitags als Doppelfolge präsentiert, wird die Geschichte von "Der stumme Tod" erzählt. Hauptfigur Gereon Rath ermittelt im Mordfall einer Schauspiel-Diva, die in der Filmstadt Babelsberg von einem manipulierten Scheinwerfer während des Drehs einer wunderbar expressionistisch inszenierten Tanz- und Gesangsszene erschlagen wird.

Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) hat es mittlerweile zur Kriminalassistentin geschafft und arbeitet nun offiziell bei der Polizei. Überhaupt sind sämtliche, nicht verstorbenen Charaktere der ersten beiden Staffeln samt ihrer durchweg prominenten Darsteller wieder dabei. Und dazu noch ein paar neue wie Meret Becker, Ronald Zehrfeld, Sabin Tambrea, Martin Wuttke, Hanno Koffler, Trystan Pütter oder Saskia Rosendahl.

Vier der zwölf neuen Folgen wurden der Presse vorab zur Verfügung gestellt. Darin kann man sehen: Im Sinne von Opulenz und Ausstattung kann "Babylon Berlin" das hohe Niveau der ersten beiden Staffeln halten. Weil das große Figuren-Ensemble und seine unterschiedlichen, oft politisch motivierten Ziele nicht mehr wie 2018/19 dem Zuschauer nahegebracht werden müssen, wirkt die neue Staffel erzählerisch kompakter und handlungsorientierter. Öfter als in Runde eins hat man tatsächlich das Gefühl, der Verfilmung eines Kriminalromans beizuwohnen - und weniger einem Bilderreigen, der manchen Zuschauer damals auch ein bisschen erschlagen hat. Weil der Novelty-Effekt jener damals so aufregenden "Babylon Berlin"-Welt naturgemäß bei der Wiederkehr ein bisschen verloren gegangen ist, wird der ein oder andere Zuschauer Staffel drei als nicht ganz so spektakulär empfinden wie den Auftakt, der zudem große Action-Szenen unter Wasser, in der Luft und auf fahrenden Zügen zu bieten hatte. Ob derlei Popcorn auch in Staffel drei verteilt wird?

Die Romane sind in der Nazi-Diktatur angekommen

Politisch und historisch setzt "Der stumme Tod" direkt nach dem Ende von Staffel zwei im Spätsommer und Herbst 1929 ein. Der große Börsencrash vom Oktober 1929, Beginn der Weltwirtschaftskrise, spielt eine zentrale Rolle. Ebenso die zunehmende Stärke der Nazis in der umkämpften Demokratie der Weimarer Republik. In den Romanen Volker Kutschers, die übrigens auch von anspruchsvollen Kritikern und Feuilletons überaus gelobt werden, sind Gereon Rath und Charlotte Ritter mittlerweile in der Nazidiktatur angekommen.

Roman Nummer sieben, der im Herbst 2018 erschienene "Marlow", spielt im Jahr 1935. Ob es die immer noch herausragende Fernsehserie "Babylon Berlin" bis in diese Zeit hinein schaffen wird, ist nicht unwahrscheinlich, aber auch keineswegs garantiert. Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries fasst dies im Interview zur neuen Staffel lakonisch so zusammen: "Rein faktisch denkt man von Staffel zu Staffel. Und, was noch entscheidender ist: Man finanziert von Staffel zu Staffel."