Rausgeworfen und abgewiesen - „Kritiker werden mundtot gemacht“: Jetzt sprechen die Rebellen der Wagenknecht-Partei

Norbert Weber (li.) und Dejan Lazić sehen die Entwicklung des BSW kritisch.<span class="copyright">Frank Gerstenberg</span>
Norbert Weber (li.) und Dejan Lazić sehen die Entwicklung des BSW kritisch.Frank Gerstenberg

Am Rande des Parteitags in Bonn gibt es Streit innerhalb des BSW. Zwei Mitglieder werden am Eingang abgewiesen. FOCUS online trifft Dejan Lazić und Norbert Weber kurz darauf in der Lobby eines nahen Hotels. Im Interview üben die Parteirebellen deutliche Kritik.

Eine kleine Gruppe Demonstranten hat sich vor dem World Conference Center in Bonn aufgestellt. Dort findet am Sonntag der zweite Bundesparteitag des BSW statt. Sie halten Schilder und Transparente hoch, auf denen sie das  BSW um Sahra Wagenknecht als „Putins Marionetten“ beschreiben.

„Sie wiederholen Putins Propaganda“, sagt Christoph Müller aus Bonn, der zu den Demonstranten gehört. „Raus aus der NATO, raus aus der EU, kein Geld für die Ukraine, das sind doch alles Losungen aus dem Kreml“, sagt der Bonner. Das BSW sei autokratisch und antidemokratisch. Bester Beweis dafür sei die Aktion wenige Minuten vor Beginn des Parteitags gewesen: Da seien zwei Mitglieder vor dem Eingang abgewiesen worden. Sie könne man nun in der Lobby eines nahen Hotels treffen.

BSW gegen „Denkverbote“? Parteirebellen machen andere, bittere Erfahrung

Norbert Weber und Dejan Lazić sitzen in einer Ecke der Lobby und warten ab. Nebenan attackiert die Parteivorsitzende Amira Mohamed Ali wenige Minuten zuvor unter großem Applaus alle anderen Parteien, da sie das Land in den Abgrund geführt hätten und den aktuellen Wahlkampf mit unlauteren Versprechen begännen. Die anderen Parteien hätten „Angst“ vor dem BSW, sagt Ali, „sie hassen uns“, da die neue Partei andere Wege gehe, um die Infrastruktur, die Bildung, die Wirtschaft in Deutschland wieder auf Vordermann zu bringen.

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Das BSW sei gegen „Denkverbote“ angetreten, die in Deutschland herrschten, sagt eine Rednerin. Man wolle sich mit den „Reichen und Mächtigen“ anlege, sei die Stimme des kleinen Mannes und der Demokratie, sagt ein anderer. Eine politische Alternative gebe es nicht, CDU, SPD und die anderen träten das demokratische Mitbestimmungsrecht mit „Füßen“.

Weber und Lazić haben genau die gegenteiligen Erfahrungen gemacht. Gestern Abend sei er mit Polizeigewalt von der Teilnahme an der Neugründung des BSW-Landesverbandes Hamburg ausgeschlossen wurde, sagt Lazić gegenüber FOCUS online. Ein Mitglied habe ihm vorgeschlagen, „um des Friedens willen“ nicht nur die Versammlung zu verlassen, sondern gleich Deutschland", berichtet er. Beiden Gründungsmitgliedern wurden vor zwei Tagen die Mitgliedsrechte entzogen. „Wir dürfen nicht mehr an Parteitagsversammlungen teilnehmen, uns wurde das Rederecht entzogen“, sagt Weber, der früher bei den Linken war.

Streit innerhalb des BSW: „Es wurde einfach Hausrecht durchgesetzt“

Lazić und Weber kritisieren ihre Partei deshalb scharf. Im Gespräch mit FOCUS online sagt Lazić: „Es herrschen autokratische Parteistrukturen. Es wird nicht diskutiert. Die Mitglieder haben keine Möglichkeit, die Partei von unten nach oben aufzubauen. Kritiker werden mundtot gemacht. Jegliche Vernetzung unter den Mitgliedern wird unterbunden.“

Auf kritische Mitglieder werde Druck ausgeübt, weswegen nur 700 von 1.200 Mitgliedern zum Parteitag gekommen seien, sagt Weber. Die beiden Hamburger, die seit zwei Jahren am Aufbau der Partei arbeiten, wurden am Sonntag am Eingang des World Conference Centers in Bonn abgewiesen. „Eine Begründung gab es nicht. Es wurde einfach Hausrecht durchgesetzt“, sagt Lazić, der von Beginn an dabei ist.

„Wir sind nicht korrumpierbar“: BSW-Rebellen wollen in der Partei bleiben

Die beiden Parteirebellen haben vor gut einem Monat einen eigenen Landesverband in Hamburg gegründet. Dabei wurde der einstige Linken-Politiker zum Bijan Tavassoli zu ihrem Spitzenkandidaten gewählt. Die Spitze des BSW hält diese Liste für nichtig, denn die Partei geht mit Żaklin Nastić in die Bundestagswahl. Das wurde am Samstag beschlossen. Kurios: Erst einen Tag zuvor gab das BSW in einer Pressemitteilung bekannt, dass sich Nastić eine Auszeit nehmen wolle. Am Samstag folgte aber die Rolle rücktwärts.

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Weber und Lazić kritisieren zudem den Umgang mit dem Thema Migration. „Von  Fluchtursachenbekämpfung ist man auf Flüchtlingsbekämpfung umgegangen“, sagt Lazić. Die Vorstellungen zum Thema seien „rassistisch, wenn nicht sogar völkisch“, sagt Lazić, der über 20 Jahre lang Dozent für Staats-und Migrationsrecht an der HAW Hamburg war.

BSW-Generalsekretär: „Bekommen Aufmerksamkeit, die sie nicht verdienen“

Eine Erklärung für ihren Ausschluss haben beide nicht. „Wir sind nicht korrumpierbar und nicht von Mandaten und Posten abhängig“, sagt Lazić. Dennoch wollen beide Politiker in der Partei bleiben, „weil wir sie von innen kritisieren wollen“, sagt Lazić. Die beiden Parteirebellen haben diese Aufmerksamkeit „nicht gesucht “, betont Weber. Bekommen haben sie sie nun trotzdem.

Der Generalsekretär Christian Leye hat am Sonntag auf der Bühne am Bundesparteitag ein Statement zu Weber und Lazic gegeben: “Wenn da zwei Unzufriedene einen Fake-Landesverband aufstellen und einen Bundestagskandidaten küren, bekommen die Aufmerksamkeit, die sie nicht verdienen. Manchmal frage ich mich, ob man vor unserer Partei mehr Angst hat als vor der AfD. Die sind ja schon da, aber die sind zumindest in der Friedensfrage nicht so entschlossen wie wir."