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Krösche: "Simeone ist nicht in Freudentränen ausgebrochen"

RB Leipzig fiebert dem Finalturnier der Champions League entgegen.

Die Sachsen sind erstmals unter den besten Acht der Königsklasse und treffen dort am kommenden Donnerstag in Lissabon auf Atlético Madrid (Champions League: RB Leipzig - Atlético Madrid, Do., ab 21 Uhr im LIVETICKER) - ohne Timo Werner, der bereits zum FC Chelsea gewechselt ist.
Im SPORT1-Interview spricht Leipzigs Sportdirektor Markus Krösche über den Verlust, Ralf Rangnicks Ausstieg bei RB und Leipzigs große Ambitionen in Lissabon.

SPORT1: Herr Krösche, wie wahrscheinlich ist es, dass sich RB Leipzig gegen Atlético Madrid durchsetzt?

Markus Krösche: Durch dieses eine Spiel liegen die Chancen bei 50:50. Es kommt auf die Tagesform an. Klar, Atlético hat unheimlich viel Qualität und Erfahrung, vor allem in K.o.-Spielen. Aber wir haben einen Top-Trainer und eine junge, hungrige Mannschaft mit vielen guten Spielern, die zwar teilweise zum ersten Mal im Viertelfinale der Champions-League stehen, sich aber extrem darauf freuen und etwas Außergewöhnliches erreichen wollen. Noch mehr, als wir ohnehin schon erreicht haben.

Krösche: "Keine Erfahrungswerte", ob Pause ein Nachteil ist

SPORT1: Wie bereitet man sich in Corona-Zeiten auf den Gegner vor?

Krösche: Eine Live-Besichtigung ist leider nicht möglich gewesen, aber wir haben natürlich Zugriff auf Videomaterial von Atlético. Die Gegneranalyse wird heutzutage ohnehin zu 80 Prozent per Videoanalyse gemacht. Von daher ist es kein großes Problem gewesen, sich auf Atlético Madrid vorzubereiten.

SPORT1: Ist es von Nachteil, dass Atlético noch bis zum 19. Juli gespielt hat?

Krösche: Wir sind erstmal alle froh und glücklich, dass dieser Wettbewerb überhaupt weitergeführt wird. Sicherlich ist es unter Corona-Bedingungen eine außergewöhnliche Situation. Aber damit müssen alle Teilnehmer leben. Ob es jetzt ein Vor- oder Nachteil ist, dass wir eine Pause hatten und andere im Rhythmus sind, ist wirklich schwer einzuschätzen. Dazu gibt es bislang einfach keine Erfahrungswerte.

Diego Simeone "ist nicht in Freudentränen ausgebrochen"

SPORT1: Sind Leipzig und Bergamo die Underdogs in Lissabon?

Krösche: Natürlich gibt es größere Namen unter den verbleibenden Teams. Aber Bergamo und wir haben uns das Viertelfinale hart erarbeitet, und wir haben Tottenham geschlagen. Atlético wird nicht den Fehler machen, uns nicht ernst zu nehmen oder zu unterschätzen. Sie wissen genau, was wir können. Mein Bauchgefühl ist auch, dass Diego Simeone nicht in Freudentränen ausgebrochen ist, als er uns zugelost bekommen hat.

SPORT1: Wie realistisch ist es, dass RB Leipzig 2020 die Champions-League gewinnt?

Krösche: Jede Mannschaft hat dieses Jahr, auch durch den Wegfall von Hin- und Rückspiel, die Möglichkeit, den Titel zu holen. Auch wir.

Krösche: Hwang nicht "der Werner-Ersatz"

SPORT1: Auf den FC Bayern könnten Sie erst im Finale treffen.

Krösche: Ich finde die Konstellation nicht schlecht. Und ich hätte sicher nichts dagegen...

SPORT1: Wie sehr wird Timo Werner in Lissabon fehlen?

Krösche: Wir haben mit Patrik Schick, Dani Olmo, Yussuf Poulsen, Christopher Nkunku und Marcel Sabitzer unheimlich viele Spieler dabei, die auch Tore schießen können. Timo war ein wichtiger Spieler für RB. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir auch ohne ihn ins Halbfinale einziehen können.

SPORT1: Sie haben den 24-jährigen Hee-chan Hwang aus Salzburg verpflichtet. Ist er der Werner-Nachfolger?

Krösche: Nein. Mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln ist es unmöglich, Timo eins zu eins zu ersetzen. Er hatte speziell im letzten Jahr eine unfassbar gute Quote. Hwang ist ein anderer Spieler, bringt aber unheimlich viele Fähigkeiten mit, mit denen er uns helfen wird, unsere Ziele zu erreichen. Er hat eine hohe Geschwindigkeit. Er kennt unsere Spielphilosophie und ist ein sehr guter Vorbereiter. Man würde ihm aber nicht gerecht werden, wenn man sagt, dass er der Werner-Ersatz ist. Wir müssen seinen Verlust im Kollektiv auffangen. Wir haben hochtalentierte Spieler, die das können.

Krösche: "Ich bin kein Fußball-Romantiker"

SPORT1: Es war zu sehen, wie Timo Werner sein Training bei Chelsea aufgenommen hat. Tun Ihnen solche Bilder weh?

Krösche: Ich bin kein Fußball-Romantiker. Timo hatte jetzt die Chance, zu Chelsea zu gehen und dafür hat er sich entschieden. Bei uns hatte er eine sehr erfolgreiche Zeit. Und dass er jetzt eine andere Herausforderung angenommen hat, ist völlig in Ordnung. So ist das Geschäft. Wir wünschen Timo alles Gute.

SPORT1: Hegen Sie Groll, weil er in Lissabon nicht mehr für Leipzig spielen wird?

Krösche: Er hat mit Chelsea in der kommenden Saison viel vor und kommt jetzt in ein neues Umfeld. Es ist ein neuer Klub und eine neue Kultur. Von daher gibt es keinen Groll.

SPORT1: Hat er sich nochmal beim Team gemeldet?

Krösche: Er ist mit vielen Spielern in Kontakt und hat eine sehr gute Verbindung zum Verein und seinen Mitarbeitern. Er wird uns im Viertelfinale sicher die Daumen drücken.

Titel-Bonus? "Habe ich vergessen"

SPORT1: Ist Julian Nagelsmann dieser Tage aufgeregter als sonst?

Krösche: Nein, er ist ganz normal drauf und nicht anders als sonst. Julian freut sich wie jeder andere im Verein auf dieses Champions-League-Turnier. Es ist aber nicht ganz so einfach, die Trainings- und Belastungssteuerung nach dieser Pause zu gestalten.

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SPORT1: Haben Sie wie Nagelsmann einen Titel-Bonus im Vertrag stehen?

Krösche: Das habe ich vergessen. (lacht).

SPORT1: Ihre erste Saison als Sportdirektor von RB Leipzig neigt sich dem Ende entgegen. Wie würden Sie es bisher zusammenfassen?

Krösche: Es war ein sehr intensives Jahr, speziell durch Corona. Es war aber auch sehr erfolgreich. Wir sind in der Bundesliga Dritter geworden und stehen nun im Viertelfinale der Champions League. Es ist schon jetzt die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte. Und es liegt an uns, unsere Geschichte in Lissabon weiterzuschreiben. Wir haben die historische Chance, mit zwei Spielen ins Finale einzuziehen.

Rangnick "hat alles mit aufgebaut"

SPORT1: Ralf Rangnick hat sich überraschend von seinen Ämtern getrennt. Welche Spuren hinterlässt er im RB-Kosmos?

Krösche: Auch wenn er in der vergangenen Saison schon nicht mehr operativ bei RB Leipzig tätig war, hat er natürlich einen sehr großen Anteil daran, dass RB Leipzig in der Bundesliga und der Champions League spielt. Er hat das alles mit aufgebaut und die Spielidee implementiert. Sein Aus bei RB ist seine persönliche Entscheidung. Das akzeptieren wir.

SPORT1: Wird er in das Fußballgeschäft zurückkehren?

Krösche: Ich glaube schon. Ralf ist fußballbesessen. Er hat eine sehr hohe Expertise und war bei all seinen Stationen erfolgreich.

Krösche: "Wir kämpfen um Schik"

SPORT1: Nach dem Königsklassen-Turnier in Lissabon dürfte der Transfermarkt in Wallung kommen. Stimmt es, dass RB Leipzig nur 30 Millionen Euro für Transfers zur Verfügung stehen?

Krösche: Zahlen werde ich nicht kommentieren, aber die Corona-Krise verlangt auch von uns Einschnitte. Wir hatten keine Zuschauer und werden auch bis Saisonende keine hundertprozentige Auslastung haben. Das sind Einnahmen, die uns fehlen. Wir wissen auch noch nicht, welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkung das Corona-Virus auf Themen wie das Sponsoring hat. Von daher müssen wir unser Budget anpassen und vorsichtig sein, damit wir als Verein nachhaltig gesund sind.

SPORT1: Werden Sie Patrik Schick zur neuen Saison fest verpflichten? Die AS Rom soll bis zu 25 Millionen Euro für ihn fordern.

Krösche: Wir wollen Patrik behalten und kämpfen schon lange um ihn, weil er unheimlich gut zu uns passt. Er hat sich zu uns bekannt und möchte bleiben. Jetzt versuchen wir, mit AS Rom eine Lösung zu finden.

SPORT1: Dayot Upamecano hat trotz vieler Offerten bis 2023 verlängert.

Krösche: Er ist ein sehr wichtiger Spieler für uns und es ist ein großartiges Zeichen von ihm, dass er sich ganz bewusst für uns entschieden hat. Er wurde von Top-Klubs aus Europa umworben. Er möchte seinen Weg aber mit uns weitergehen.