Wie realistisch ist ein wochenlanger Stromausfall in Deutschland?

Ein europaweiter Stromausfall sorgt in der Joyn-Serie "Blackout" für chaotische Zustände. Doch wie realistisch ist ein solches Szenario hierzulande? Und was kann man selbst tun? Das sagen die Experten.

Wie wahrscheinlich ist ein landesweiter Blackout in Deutschland? (Bild: istock / Svetlosila)
Wie wahrscheinlich ist ein landesweiter Blackout in Deutschland? (Bild: istock/ Svetlosila)

Dunkelheit, Lieferengpässe, Benzinknappheit, Zusammenbruch der medizinischen Versorgung: Was passiert, wenn in ganz Europa wochenlang der Strom ausfällt? Die Joyn-Serie "Blackout" spielt ab 14. Oktober genau dieses Katastrophenszenario in sechs Episoden durch (verfügbar bei JoynPLUS+, 2022 bei SAT.1). Aber wie realistisch ist das, was in der Fiktion für einen Ausnahmezustand sorgt? Was wären die Folgen eines "Blackouts" in Deutschland und Europa? Und kann man sich selbst darauf vorbereiten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Serie "Blackout" spielt bei Joyn und SAT.1 das Szenario eines wochenlangen Stromausfalls in Europa durch. Die Hauptrolle spielt Moritz Bleibtreu. (Bild: obs/Joyn/Gordon Timpen)
Die Serie "Blackout" spielt bei Joyn und SAT.1 das Szenario eines wochenlangen Stromausfalls in Europa durch. Die Hauptrolle spielt Moritz Bleibtreu. (Bild: obs/Joyn/Gordon Timpen)

Wie wahrscheinlich ist so ein längerer Stromausfall?

Das Gedankenexperiment scheint gar nicht mal so unrealistisch zu sein: Erst im Juli fiel der Strom in hunderttausenden Haushalten in Frankreich und Spanien aus. Für eine "schwerwiegende Störung" sorgte laut Bundesnetzagentur bereits im Januar ein Frequenzabfall - ein europaweiter Blackout konnte nur verhindert werden, weil die Stromversorger rechtzeitig handelten. Trotzdem gibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für die hiesige Blackout-Gefahr Entwarnung: "Deutschland hat eine sehr sichere Stromversorgung", teilt das Amt der Nachrichtenagentur teleschau auf Anfrage mit.

Die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung läge laut Bundesnetzagentur je Anschluss für 2020 bei 10,73 Minuten. "Dies ist ein Spitzenwert im europäischen Vergleich", so das BBK. Damit dies auch so bleibt, gäbe es verschiedene Maßnahmen, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Die Experten urteilen klar: "Ein wochenlanger vollständiger Stromausfall in Deutschland oder in Europa ist unwahrscheinlich".

Was geschieht, wenn es doch dazu kommt?

Bleibt die Frage: Was wäre, wenn doch? Denn, so gibt das BBK zu bedenken: "Auch wenn ein großflächiger und langandauernder Stromausfall unwahrscheinlich ist, so ist er nicht ausgeschlossen". Welche Folgen hätte das? Das BBK klärt auf: Bei einem großflächigen Stromausfall würden alle Geräte und Anlagen, die nicht über eine Notstromversorgung abgesichert sind, ausfallen - etwa Aufzüge, Ampelanlagen oder die Stromversorgung von Schienenfahrzeugen. Es könne passieren, dass Züge auf freier Strecke stehen bleiben oder das Einkaufen unmöglich wird, warnt das BBK in einer Broschüre. Die Versorgung mit Bargeld wäre nicht sichergestellt, zu Hause säßen viele im Dunkeln und Kalten; Fernseher, PC und Internet könnten nicht funktionieren und Kühlschränke würden abtauen.

Welche Gefahren infolge eines lange andauernden Stromausfalls drohen, ist in einem Bericht zusammengefasst, den der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung 2011 unter dem sperrigen Titel "Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung" veröffentlichte. Die Folgen eines großen Blackouts für die Telekommunikation "müssen als dramatisch eingeschätzt werden", heißt es in diesem Bericht etwa. Auch der Straßenverkehr wäre "besonders in großen Städten chaotisch" - Flughäfen seien aufgrund der Notversorgung dagegen "relativ robust und durchhaltefähig". Stark betroffen wären auch Krankenhäuser: "Bereits nach 24 Stunden ist die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens erheblich beeinträchtigt", heißt es in dem Bericht. Innerhalb einer Woche sei "vom weitgehenden Zusammenbrechen der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung auszugehen".

Insgesamt gehen die Experten davon aus, "dass bereits nach wenigen Tagen im betroffenen Gebiet die flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung" mit Lebensnotwendigem "nicht mehr sicherzustellen ist". Kurz und knapp heißt es im Fazit: "Die öffentliche Sicherheit ist gefährdet", Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering sei: "Träte dieser Fall aber ein, wären die dadurch ausgelösten Folgen selbst durch eine Mobilisierung aller internen und externen Kräfte und Ressourcen nicht 'beherrschbar', allenfalls zu mildern."

Auf der Agenda der Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft müsse der Stromausfall, so die Autoren des Berichts, daher weiterhin "hohe Priorität haben, auch um die Sensibilität für diese Thematik in Wirtschaft und Bevölkerung zu erhöhen".

Wie wäre die Reaktion auf einen großen Blackout?

Bei großen Stromausfällen würden die Versorgungsunternehmen laut BBK zunächst alles tun, "dass der Stromausfall auf einzelne Regionen im Stromnetzverbund eingegrenzt wird". Kommt es zum großen Blackout, greift der Katastrophenschutz, zuständig sind die Bundesländer. Je nach örtlichen Gegebenheiten kommt die Gefahrenabwehr der Länder zum Zuge. Auch der Bund hilft - mit THW, Bundeswehr und Bundespolizei. Falls nötig, kann der Bund den Ländern auch bei der Koordinierung helfen.

Weil ein großer Blackout den Behörden alles abverlangen würde, könnten gerade zu Beginn "wahrscheinlich nicht alle Hilfeersuchen unmittelbar erfüllt werden". Für derlei extreme Ereignisse sei "daher eine gute private Notfallvorsorge sehr wichtig". Sie gewährleiste "ein Durchhalten mit eigenen Ressourcen für die ersten Tage und entlastet damit die Gefahrenabwehrbehörden". Die Vorsorge sei wichtig, weil auch kleinere und weniger lange Stromausfälle große Herausforderungen an die Katastrophenbewältigung stellen würden, so das BBK gegenüber der Agentur teleschau: Die Abhängigkeit von Strom steige schließlich "in nahezu allen Lebensbereichen".

Was kann der einzelne Haushalt tun?

Heißt also: Selbst vorsorgen für den Ernstfall! War das Hamstern und Einbunkern zuvor vor allem sogenannten Preppern vorbehalten, wird das Thema spätestens seit Beginn der Coronapandemie für viele Haushalte relevanter - versetzte doch selbst Klopapiermangel viele schon in helle Aufregung. Seit Oktober klärt das BBW mit einer Kampagne nun darüber auf, wie man sich im Katastrophenfall selbst schützen und helfen kann. Empfohlen wird etwa das Anlegen eines Notvorrates, auch Bargeld solle man im Haus haben - schließlich fallen bei einem Blackout auch die Geldautomaten aus.

"Solarbetriebene Batterieladegeräte oder Powerbanks können bei Stromausfall eine Hilfe sein", heißt es in der Kampagne. Neben Kerzen, Campingkochern, Taschenlampen und genügend Streichhölzern im Haus legt das BBK für den Fall eines längeren Blackouts etwa auch die Anschaffung eines Batterie- oder Kurbelradios nahe, um auf dem Laufenden zu bleiben. Zudem sollte man über die Installation alternativer Heizquellen nachdenken, die etwa mit Kohle, Gas oder Holz betrieben werden.

Wie kann es zu einem großen Blackout kommen - und sind Hackerangriffe denkbar?

Größere Stromausfälle waren in der Vergangenheit laut BBW in der Regel die Folge von Stürmen - so etwa beim Stromausfall im Münsterland 2005. Als weitere Ursache gelten Beschädigungen der Strominfrastruktur, etwa durch Bauarbeiten. Ein Beispiel hierfür ist der Stromausfall in Berlin-Köpenick 2019. Eine andere Möglichkeit führt die Serie "Blackout" vor Augen - einer der Protagonisten geht von einem terroristischen Anschlag durch Hacker aus. Droht dies auch in der Wirklichkeit?

"Stromausfälle aufgrund eines Hackerangriffs sind grundsätzlich möglich", teilt das BBK gegenüber der teleschau mit. Das zeigen auch die Ereignisse 2015 und 2016 in der Ukraine. Im Dezember 2015 kam es dort zum weltweit ersten Stromausfall ausgelöst durch Hacker, die ein Versorgungszentrum angriffen. 230.000 Menschen im Westen des Landes waren betroffen, allerdings konnte das Problem nach drei Stunden wieder behoben werden. Doch was ist mit Deutschland?

Laut BBK liegen keine Kenntnisse vor, "dass es in Deutschland zu Stromausfällen aufgrund von Hackerangriffen gekommen ist". Deutschland habe mit den IT-Sicherheitsgesetzen hohe Standards festgelegt. In diesen Fachgesetzen ist auch geregelt, wie kritische Infrastruktur gegen Hacker gesichert werden soll. Zudem gibt es für alle EU-Staaten verbindliche IT-Sicherheitsstandards zur Netz- und Informationssicherheit.

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