Rechtsextreme Drohmails: Ehepaar vorübergehend festgenommen

Ein Demonstrantin in Wiesbaden zeigt «Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0».
Ein Demonstrantin in Wiesbaden zeigt «Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0».

In der Affäre um «NSU 2.0»-Drohmails führt eine Spur nach Bayern. In Landshut werden ein ehemaliger Polizeibeamter und seine Ehefrau vorübergehend festgenommen. Doch es sind noch viele Fragen offen.

Frankfurt/Main (dpa) - In der Affäre um die rechtsextreme Drohschreiben-Serie «NSU 2.0» ist ein Ehepaar aus Bayern ins Visier der Ermittler gerückt. In Landshut wurde eine Wohnung durchsucht und die beiden wurden vorläufig festgenommen, wie die Frankfurter Staatsanwaltschaft mitteilte.

Bei den Beschuldigten handele es sich um einen 63 Jahre alten ehemaligen bayerischen Polizeibeamten, der bereits in der Vergangenheit wegen rechtsmotivierter Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten sein soll, und seine 55 Jahre alte Frau.

Das Ehepaar sei verdächtig, mehrere E-Mails mit beleidigenden, volksverhetzenden und drohenden Inhalten an Bundestagsabgeordnete und verschiedene andere Adressaten versendet zu haben, teilte die Staatsanwaltschaft mit. «Es geht um sechs Mails, die im Juli verschickt worden sind», erläuterte eine Sprecherin der Behörde.

Gegen den ehemaligen Polizisten ist außerdem ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. «Auch ein Beamter im Ruhestand darf sich nicht extremistisch betätigen», teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung darüber berichtet. «Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen dem ehemaligen Beamten harte dienstrechtliche Sanktionen bis hin zur Aberkennung des Ruhegehalts», sagte Herrmann. Der ehemalige Polizist sei seit 16 Jahren nicht mehr im Dienst.

Vor kurzem war bekanntgeworden, dass unter anderem Linken-Politikerinnen mit «NSU 2.0» unterzeichnete Drohschreiben bekommen hatten. Weitere bekannte Empfängerinnen von Drohmails waren die Kabarettistin İdil Baydar und die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die bereits im August 2018 das erste «NSU 2.0»-Drohschreiben erhalten hatte. Die Juristin hatte im Münchner Prozess um die Morde des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) Opferfamilien vertreten.

Über Basay-Yildiz, Baydar und die hessische Linken-Fraktionschefin Janine Wissler waren zuvor persönliche Daten von Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden abgerufen worden.

Es gibt nach Worten der Sprecherin der Staatsanwaltschaft keine Anhaltspunkte dafür, dass der ehemalige Polizist und seine Frau auch im Zusammenhang mit dem Abruf persönlicher Daten von hessischen Polizeicomputern stehen. Das könne sich natürlich im Laufe der Ermittlungen noch ändern, sagte sie. Jedoch: «Der aktuelle Vorwurf ist das Versenden der Mails und nicht das Abrufen von Daten.» Das hessische Innenministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern und verwies auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Das Ehepaar aus Bayern war bereits am Freitag festgenommen worden. Weil die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nicht vorgelegen hätten, seien beide noch am selben Tag wieder entlassen worden, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Die Auswertung der sichergestellten Datenträger sowie die weiteren Ermittlungen wegen des Verdachts der Bedrohung, der Volksverhetzung, der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von Verfassungsorganen sowie der Beleidigungen dauerten an.

Es gibt mittlerweile eine Serie von mit «NSU 2.0» unterzeichneten Schreiben. Es ist aber nicht geklärt, ob es sich bei allen Drohungen um denselben Absender handelt. So besteht beispielsweise bei Straftaten, die viel Aufmerksamkeit erregen, die Möglichkeit von Trittbrettfahrern.

Den Ermittlern des hessischen Landeskriminalamtes lagen zuletzt Informationen über 69 rechtsextreme Drohschreiben vor. Diese richteten sich nach Angaben von Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) an 27 Personen und Institutionen in insgesamt acht Bundesländern. Neun Personen sollen in Hessen wohnen.

Als NSU hatten sich die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bezeichnet, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordeten. Es waren acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Ihre Mittäterin Beate Zschäpe wurde 2018 verurteilt.