Regierung in der Krise - Lindner-Beben, Vertrauensfrage, Neuwahlen: Wie es jetzt weitergeht
Rote Linien, fehlende Kompromissbereitschaft - und dann entlässt Scholz seinen Finanzminister Lindner: Die Ampel ist Geschichte. Wie es jetzt weitergehen könnte.
Dass sich die Ampel-Regierung streitet, gerne auch mal öffentlich, war nichts Besonderes mehr. Am Mittwoch verschärften sich die Konflikte zwischen den Koalitionären aber so sehr, dass ein vorzeitiges Regierungs-Ende feststeht.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schlug Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Neuwahlen vor, der lehnte ab.
Kurze Zeit später teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit, dass Scholz Lindner entlässt. Damit ist klar, dass die Ampel Geschichte ist. Schon nach seinem Neuwahl-Vorschlag hätte Lindner nur noch schwer argumentieren können, warum er doch weitermachen will.
Schließlich verkündete Scholz, er werde im Januar die Vertrauensfrage stellen - und kündigte etwaige Neuwahlen für den März an.
Ampel ist am Ende
Dass es ein schicksalhafter Abend werden würde, war schon vorher klar. Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP wollten klären, ob es noch eine Grundlage für die weitere Zusammenarbeit gibt.
In einer Sitzung des Koalitionsausschusses ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Vor den Beratungen kamen Scholz, Lindner und Robert Habeck (Grüne) zu zwei Vorbereitungsrunden zusammen, unterbrochen von einer Kabinettssitzung. Ganz offensichtlich halfen all die Gespräche nichts.
Minderheitsregierung ohne FDP?
Nach Lindner haben auch die anderen FDP-Minister das Kabinett verlassen, mit Ausnahme von Verkehrsminister Volker Wissing, der als Parteiloser bleiben wird. SPD und Grüne werden nun zunächst allein weitermachen müssen. Wie lange, wird sich zeigen.
Im Fall einer Minderheitsregierung wäre Rot-Grün bei jeder Entscheidung im Bundestag auf die Unterstützung der Opposition angewiesen. Die Union drang aber schon in der Vergangenheit auf eine vorgezogene Bundestagswahl. Deshalb dürfte sie sich wenig kooperativ zeigen.
Minderheitsregierung würde wohl ins Chaos führen
Auch Stefan Marschall, Politikprofessor an der Universität Düsseldorf, sagt zu FOCUS online: „Eine Minderheitsregierung anzuführen, wird sehr schwer sein, da die übrigen Parlamentsparteien nicht bereit sein werden, dieser Regierung zu Mehrheiten zu verhelfen.“
Er glaubt außerdem nicht, „dass ein Haushaltsentwurf für das kommende Jahr im Parlament eine Mehrheit finden wird“. Und klar ist: Ohne Geld keine Regierung. Es würde wohl ziemlich chaotisch in Berlin.
Nun scheint der zweite mögliche Fall einzutreten: Scholz erklärte, am 15. Januar die Vertrauensfrage im Bundestag stellen zu wollen. Scheitert diese, sind Neuwahlen möglich. Klar ist, dass weder einzelne Parteien noch der Bundeskanzler sie einfach so ausrufen könnten.
Wie Experte Marschall erklärt, würde eine mögliche Neuwahl aber vermutlich erst in drei bis vier Monaten stattfinden.
Neuwahl? Das wäre erst in drei bis vier Monaten möglich
Der Grund: „Der Kanzler kann die Vertrauensfrage stellen, der Bundestag kann darüber frühestens 48 Stunden nach Einreichung des Antrags entscheiden. Lehnt der Bundestag den Antrag ab und der Bundeskanzler beantragt die Auflösung des Parlaments beim Bundespräsidenten, hat dieser 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen.“
Zwischen der Auflösung und der Neuwahl dürfen laut dem Experten maximal 60 Tage liegen.
„Allerdings brauchen die Parteien auch Zeit, um ihre Beteiligung anzuzeigen, Landeslisten und Kreiswahlvorschläge zu bilden sowie ihre Wahlprogramme zu verabschieden. Normalerweise hat eine Wahl eine Vorlaufzeit von rund 100 Tagen.“
Auch ohne Vertrauensfrage haben die Abgeordneten beziehungsweise die Fraktionen im Bundestag die Möglichkeit, den Kanzler „abzuwählen“ und einen neuen Regierungschef oder eine neue Regierungschefin zu bestimmen.
Doch dafür brauchen sie einen neuen Kandidaten, der die Hälfte der Stimmen im Parlament auf sich vereint. Dabei handelt es sich um das sogenannte konstruktive Misstrauensvotum. Dann wäre keine Neuwahl erforderlich.
Datum für Neuwahl kursiert bereits
Im politischen Berlin kursierte jedenfalls schon vor dem Ampel-Aus ein Datum für eine mögliche Neuwahl: der 9. März. Das wäre sechseinhalb Monate vor der eigentlichen Bundestagswahl, die für den 28. September 2025 angesetzt ist.
Dass eine Neuwahl im März stattfinden würde, macht angesichts der aktuellen Entwicklungen durchaus Sinn, gerade auch, wenn Scholz die Vertrauensfrage wirklich im Januar stellt.
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