Misstrauensantrag eingereicht - Showdown in Paris: Wegen Macrons Ego-Trip zittert jetzt die Eurozone
Nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen Premierminister Michel Barnier ist Frankreich im Krisenmodus. Die Investoren sind nervös. Muss die EZB eingreifen?
Kaum drei Monate im Amt, ist Regierung von Premierminister Michel Barnier schon wieder Geschichte. Seit Wochen schon tobte der Streit um den Haushalt 2025. Knapp 60 Milliarden Euro wollten durch Einsparungen und Mehreinnahmen mobilisieren werden, um das hohe Defizit zu senken. Das Problem: Barnier hatte keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung. Seit den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Juni ist das französische Parlament in drei etwa gleich große Blöcke aufgeteilt.
Es war diese verhängnisvolle Entscheidung von Staatspräsident Emmanuel Macron nach den desaströsen Europa-Wahlen, die das Land in die Bredouille gebracht hat. Quasi im Alleingang hatte Macron entschieden, das Parlament aufzulösen. Doch anders als von Macron gehofft, wurden die Neuwahlen für ihn nicht zum Befreiungsschlag. Stattdessen ist das Parlament in drei verfeindete Blöcke gespalten, die Bildung einer Regierung mit eigener Mehrheit praktisch unmöglich.
Macron will schnell Nachfolger für Barnier ernennen
Weder die linke Nouveau Front Populaire noch die rechte Rassemblement National wollten Barniers Haushaltsentwurf mittragen. Der Premierminister wandte daher am Montag für den Sozialhaushalt den umstrittenen Verfassungsparagrafen 49.3 an. Dieser ermöglichte eine Verabschiedung ohne Abstimmung im Parlament. Dafür musste sich Barnier am Mittwoch einem Misstrauensvotum stellen - und verlor die Abstimmung. Am Donnerstag reichte er seinen Rücktritt ein.
Nun muss Staatspräsident Emmanuel Macron erstmal einen neuen Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen. „Wir können uns weder Spaltungen noch Stillstand leisten“, sagte Macron in einer Ansprache an die Nation am Donnerstagabend. Macron kündigte an, „in den nächsten Tagen“ einen neuen Premierminister zu ernennen, der dann eine dem „Gemeinwohl“ verpflichtete Regierung bilden solle. Diese solle bis Mitte Dezember ein Sondergesetz auf den Weg bringen, um die Regierungsgeschäfte auf der Basis des Haushalts von 2024 fortzusetzen. Anfang kommenden Jahres solle dann ein neues Haushaltsgesetz erarbeitet werden, sagte Macron. Als nächster Regierungschef ist unter anderem der mit Macron eng vertraute Verteidigungsminister Sébastien Lecornu im Gespräch.
Das Problem: Wegen der schwierigen Verhältnisse dürfte auch die neue Regierung keine eigene Mehrheit in der Nationalversammlung haben. Weder Macrons abgestrafte Mitte-Kräfte, noch das linke Lager, noch die Rechtsnationalen um Marine Le Pen und deren verbündete haben ausreichend Sitze, um alleine regieren zu können. Das heißt, auch Barniers Nachfolger wird es schwer haben, wichtige Reformen durchs Parlament zu bringen und muss jederzeit mit einem Misstrauensantrag rechnen.
Frankreichs Staatsfinanzen laufen aus dem Ruder
Die Investoren beobachten die Entwicklung mit Sorge. Denn in Anbetracht der maroden Staatsfinanzen braucht Frankreich eine starke, handlungsfähige Regierung, um Defizit und Verschuldung wieder in den Griff zu kriegen:
In 2023 lag das Haushaltsdefizit bei 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), für 2024 droht ein Minus von sechs Prozent. Ohne Anpassungen könnten es 2025 schon sieben Prozent sein.
Die Verschuldung liegt bei 3,2 Billionen Euro. Das entspricht knapp 110 Prozent des BIP. Das ist zwar noch weniger als Italien mit 134 Prozent, aber deutlich mehr als der Durchschnitt der Eurozone mit 87 Prozent.
Allein in 2025 muss Frankreich rund 350 Milliarden Euro an Schulden refinanzieren.
Die Zinszahlungen belaufen sich auf 40 Milliarden Euro. Das ist soviel wie Frankreich für Verteidigung ausgibt.
Angesichts des Haushaltsstreits wächst die Nervosität der Anleger. Zwar sind die Niveaus der Schuldenkrise sind zwar noch lange nicht erreicht. Die Risikoaufschläge für französische gegenüber den deutschen Staatsanleihen nehmen aber zu. Schon seit der Neuwahl-Entscheidung Macrons zeigt der Trend nach oben. Zuletzt beschleunigt sich der Anstieg (siehe Grafik).
Vergangene Woche verlangten die Investoren sogar genauso viel wie für Griechenland und nur unwesentlich weniger als für Italien. Dabei ist Italien deutlich höher verschuldet.
Die EZB wäre bereit
Für die Eurozone sind das alles keine guten Nachrichten. Durch die Krise in Deutschland und drohende Strafzölle in den USA gibt es bereits genug Probleme. Da braucht es keine neuen Zweifel an der Finanzstabilität. Schon wird spekuliert, ob die EZB bald Frankreich retten muss. Denn klar ist: Hohe Zinszahlungen verschärfen das Haushaltsproblem. Die Lage müsste sich allerdings noch weiter deutlich verschlechtern, bevor die EZB aktiv wird. Die EZB ist jedoch gewappnet. Vor zwei Jahren schuf sich die Notenbank mit dem „Transmission Protection Instrument“ (TPI) die Möglichkeit, im großen Stil Staatsanleihen aufzukaufen, wenn die Anleihenmärkte aus dem Ruder laufen. Von einer neuen Schuldenkrise ist die Eurozone zwar noch weit entfernt. In ersten Kommentaren zur Lage in Frankreich verweisen Analysten in Nebensätzen bereits jedoch auf das TPI.