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Reichtum, aus dem Fels gesprengt

Lange ist auf der Fahrt nach Westen nichts als Steppe und Geröll zu sehen. Es hat seinen Grund, dass Botswana in der Sprache seiner Bewohner „lechzendes Land“ heißt. Doch dann klafft plötzlich eine riesige offene Wunde im Boden: Mehr als 300 Meter tief ist die Diamantenmine von Jwaneng, 150 Kilometer westlich der Hauptstadt Gaborone. Fast zehn Millionen Karat kratzen die Arbeiter hier Jahr für Jahr aus der roten Erde der Kalahariwüste, mehr als aus jeder anderen Diamantenmine der Welt.

Trotz seiner immensen Bedeutung für das Land dürfte Jwaneng nur den wenigsten Touristen bekannt sein, die Jahr für Jahr zum Urlaub in diesen abgelegenen Teil der Welt kommen. Die meisten fliegen nach dem Umsteigen im südafrikanischen Johannesburg sofort weiter ins weltbekannte Okawango-Delta, wo der gleichnamige Fluss nach seinem langen Weg aus dem angolanischen Hochland spektakulär im Wüstensand versickert – und in diesem Prozess inmitten der knochentrockenen Kalahari mit mehr als 20.000 Quadratkilometern eines der größten und tierreichsten Feuchtgebiete der Welt formt.

Kein Wunder, dass ausgerechnet der Steppenstaat im südlichen Afrika mit seinen nur zwei Millionen Menschen angesichts dieses Naturwunders in diesem Jahr Partnerland der Internationalen Tourismus-Börse war, der Leitmesse dieser Branche. Ein weiterer Grund für das Privileg dürfte aber auch darin liegen, dass Botswana zu den wenigen Erfolgsgeschichten in einem Kontinent zählt, dessen Antlitz mehrheitlich noch immer aus Armut, Krankheit und Gewalt besteht.

Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten in Afrika hat Botswana den neuen Reichtum aus seinen Diamantenfunden nicht verschleudert, sondern klug investiert. Präsident Ian Khama, aber auch seine Vorgänger, haben sich nachweislich dem Gemeinwohl verpflichtet – und richten das Land inzwischen verstärkt auf die Zeit um das Jahr 2050 aus, wenn die Diamantenförderung zu Ende gehen dürfte.

Bislang liegt das Erfolgsrezept des Landes in seiner ausgesprochen erfolgreichen Partnerschaft mit dem weltgrößten Diamantenförderer De Beers. Wie im benachbarten Namibia ist De Beers auch in Botswana der mit Abstand größte Steuerzahler. In vieler Hinsicht ist das Unternehmen, das je zur Hälfte der Regierung und De Beers gehört, jedenfalls seinem Leitspruch treu geblieben und hat Botswana tatsächlich „zum Funkeln gebracht“.

Von der Unabhängigkeit des früheren britischen Protektorats Betschuanaland im Jahre 1966 bis 1980 wies das Steppenland von der Größe Frankreichs sogar das schnellste Wirtschaftswachstum weltweit aus. Das ist umso verblüffender, als Botswana zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit nur knapp zehn Kilometer Teerstraße und vier Schulen besaß. Die Regierung konnte damals mit den Steuereinnahmen nicht einmal die Verwaltungskosten decken. Doch wenig später entdeckten dann die Späher von De Beers am Rand der Kalahariwüste die ersten Edelsteine – und der Rest ist Geschichte wie es so schön heißt.

Doch allmählich neigen sich die glitzernden Zeiten ihrem Ende zu: Schon vor drei Jahren hat Russland Botswana als weltweit größten Diamantenproduzenten überholt. Besonders hart hat das Land jedoch der jüngste Einbruch der Diamantennachfrage getroffen, zumal die edlen Steine noch immer für rund Zweidrittel seiner gesamten Exporte verantwortlich sind. Zwischen 2014 und 2015 fielen die weltweiten Verkäufe von Rohdiamanten an die Schleifzentren um rund 30 Prozent – und haben Botswana nach mehr als sechs Jahren wieder ein Haushaltsdefizit beschert. Zwar bemüht sich die Regierung von Ian Khama darum, das Land wirtschaftlich breiter aufzustellen, um die auf 20 Prozent geschätzte Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Doch allen Versuchen, Botswana zu einem Zentrum der Tech- und Bankbranche zu machen, war bislang wenig Erfolg beschieden. Umso wichtiger dürfte der Hochpreis-Tourismus werden, den das Land seit längerem verfolgt.

Ebenso unzweifelhaft ist jedoch, dass Wohl und Wehe des Landes noch längere Zeit von den Diamanten und vor allem von der Mine in Jwaneng abhängen werden, deren Zahlen fast so beeindruckend wie die üppige Tierwelt im Okawango sind: Um den Fels der Kalahari zu baggertauglichem Brei zu zerkleinern, werden in Jwaneng pro Detonation bis zu 1.600 Kilogramm flüssiger Sprengstoff in die Bohrlöcher gefüllt. Nach jeder Sprengung müssen dann bis zu zwei Millionen Tonnen Gesteinsbrei abgefahren werden.

Um niemanden in Versuchung zu führen, bleibt das Objekt der Begierde beim Abbau fast völlig verborgen. Aus der Grube wird das gesprengte Gestein von Lastern sofort zum Mahlwerk transportiert. Rüttelroste und starker Wasserdruck trennen die edlen Steine dort vom nutzlosen Rest. Fein zerkleinert wird das Erz dann ins „Aquarium“ geschickt – ein hermetisch abgeriegelter Turm gleich neben der Fabrik. Mit Laser- und Röntgenstrahlen werden die Steine dort vollautomatisch vermessen und ihre genaue Karatzahl ermittelt. Am Ende werden die gesäuberten Steine in automatisch schließende Container verpackt – wiederum ohne von einer menschlichen Hand berührt zu werden. Wirklich funkeln dürfen die edlen Steine erst jenseits ihrer afrikanischen Heimat – in den Händen der Schleifer in Antwerpen, Bombay oder Tel Aviv.