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Reif: "Löw ist in eine Falle getappt"

In seiner SPORT1-Kolumne bricht Marcel Reif eine Lanze für BVB-Trainer Lucien Favre. Auch zur Führungsspielerdiskussion bei der DFB-Elf hat er eine klare Meinung.

Glück sieht anders aus: Joachim Löw nach der Pleite gegen Spanien. (Bild: Getty Images)
Glück sieht anders aus: Joachim Löw nach der Pleite gegen Spanien. (Bild: Getty Images)

Hallo Fußball-Freunde,

was für eine zweite Hälfte des BVB beim 5:2-Sieg bei Hertha BSC. Wenn die die nächsten fünf, sechs Jahre zusammenblieben, würde ich sagen: Da reift etwas heran. Es war hinreißend, aber nichts Neues. Wenn sie gut spielen, spielen sie den sexiesten Fußball in der Liga. Aber es gibt auch Gegner, die das anders beantworten. Da müssen sie mir erstmal zeigen, dass sie das hinbekommen.

Ich muss hier auch einmal eine Lanze für Lucien Favre brechen. Er macht junge Spieler besser. Es gibt viel Kritik an ihm. Es heißt: Warum wird Favre mit denen nicht Meister? Weil es eine Mannschaft gibt, die gefestigter ist und nicht 2:0 in Augsburg verliert.

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Haaland wird keine zwei Jahre mehr in Dortmund spielen

Das ist die Krux, mit dem der BVB klarkommen muss. Er ist ein Klub, der die großen Talente bekommt. Dort werden sie besser gemacht. Damit bist du ein Ausbildungsklub und ein Verkäuferklub. Erling Haaland wird keine zwei Jahre mehr in Dortmund spielen.

Wenn man Favre wegschickt und einen anderen holt, muss er gute Spieler genauso besser machen, wie Favre es macht. Das darf man nicht wegdiskutieren. An Haaland sieht man: Da stimmt doch etwas im Verhältnis mit Favre.

Bei der DFB-Elf stimmt es dagegen aktuell überhaupt nicht, das hat man bei der 0:6-Niederlage gegen Spanien deutlich gesehen. Die Probleme sind komplex. In Sachen Qualität sind wir in der Abwehr international nicht hoffähig. Und dann gibt es auch noch die Führungsspielerdiskussion.

Löw hat Hummels, Müller und Boateng aus dem Verkehr gezogen, weil sie zu sehr Führungsspieler waren und die Entwicklung der jüngeren Spieler blockiert haben und damit verhindert haben, dass andere in diese Rolle hineinwachsen. Wenn einer das aber nicht in sich drin hat, wird er kein Führungsspieler. Löw ist in eine Falle getappt, aus der ganz schwer herauszukommen ist.

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Goretzka auch wegen Kimmich so stark

Ich kann ihm nicht vorwerfen, dass in Deutschland keine Linksverteidiger mehr ausgebildet werden. Er müsste jetzt sagen: Ich bin einen Weg gegangen, der nicht dahingeführt hat, wo ich hinwollte. Wir reden nicht über Haltungsnoten. Das Ziel einer Nationalmannschaft ist das nächste Turnier. So wie wir jetzt aufgestellt sind, bekommen wir das bei der EM nicht hin. Abwehrspieler kann er sich nicht backen. Aber eine Führungsdiskussion könnte er schnell lösen.

Qualitätsprobleme haben wir nur in der Abwehr. Im Mittelfeld sind wir gut besetzt. Toni Kroos wird nie jemand sein, der herumschreit. Du brauchst einen wie Joshua Kimmich. Ein 25-Jähriger spielt nicht und man hat ein solches Loch. Das kann man nicht entwickeln. Wenn einer das nicht in sich hat, wird er das nicht bringen. Kimmich hat es.

Leon Goretzka hat sich bei den Bayern nicht zuletzt wegen Kimmich so entwickelt. Er braucht ihn neben sich. Wenn man Kimmich wieder nach hinten stellt, wird Goretzka nicht besser. Das funktioniert anscheinend nur im Doppel.

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Die Nations League hat mich nicht interessiert, das Spanien-Spiel allerdings schon. Da ist so viel Prestige drin. Für mich war das 0:6 kein Blackout, sondern ein Spiel, wo eine eindeutig bessere Mannschaft eine andere hergespielt hat.

Oliver Bierhoff hat direkt nach dem Spiel gesagt: "Mein Vertrauen zu Löw ist uneingeschränkt vorhanden." Ich habe mich gefragt, ob Löw nach dem Spiel noch ein uneingeschränktes Vertrauen zu sich selbst hatte. Man kann doch nach so einer Klatsche nicht sagen, das Vertrauen sei uneingeschränkt vorhanden. Bierhoff muss nach dem Spiel nicht sofort von Entlassung sprechen. Aber man muss diese Dinge in Ruhe analysieren

Was die Zukunft von Löw angeht: Ich weiß nicht, ob es die Lösung wäre, kurz vor der EM einen anderen Trainer zu holen. Die Chance, ein Konzept zu präsentieren, muss ich Löw geben. Das muss aber auch eine Tragfähigkeit besitzen.

Bis demnächst,

Euer Marcel Reif

Marcel Reif ist nach rund 1.500 kommentierten Spielen eine Reporter-Legende. Für seine Arbeit erhielt Reif unter anderem den "Grimme Preis", den "Deutschen Fernsehpreis" und den "Bayerischen Fernsehpreis". Seit Sommer 2016 begleitet Marcel Reif als Experte den CHECK24 Doppelpass auf SPORT1.

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