Was eine Reisewarnung bedeutet - 2900 Deutsche im Libanon: Das passiert, wenn Sie aus einem Kriegsgebiet fliehen müssen
Die Lage im Nahen Osten eskaliert. Inzwischen gilt eine Reisewarnung für den Libanon. Doch was bedeutet das für die 2900 Deutsche, die sich aktuell in dem Land aufhalten? Haben sie einen Anspruch auf eine staatliche Evakuierung?
Der Krieg im Nahen Osten wird auch für die an Israel angrenzenden Länder immer brenzliger, besonders der Libanon bereitet sich auf eine mögliche Ausweitung der Kampfhandlungen vor. Das betrifft auch ausländische Bürger, die in dem Land leben, arbeiten oder im Urlaub sind. Sie stehen mittlerweile in Schlangen am Beiruter Flughafen, um Tickets für die wenigen Flüge zu erwischen, die es aus dem Land noch gibt. Die Lufthansa etwa hatte Flüge schon vergangene Woche aus Sicherheitsgründen ausgesetzt.
Im Land sollen sich noch mehr als 2900 deutsche Staatsbürger befinden. Das Auswärtige Amt hatte sie bereits Ende Juni zur Ausreise aufgefordert. Wie viele seitdem bereits das Land verlassen haben, ist unklar, ebenso die genaue Anzahl der Deutschen, die sich noch im Libanon befinden. Die Zahl von 2900 bildet nur die Personen ab, die sich auf eine Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes eingetragen haben und deren Aufenthaltsort deswegen bekannt ist. Sollte sich die Lage im Libanon verschärfen, würde die Bundeswehr versuchen, eben diese Personen zu evakuieren. Das könnte allerdings schwierig werden, da verschiedene Routen nicht nutzbar sind. Eine Ausreise über den Landweg nach Syrien kommt ebenso nicht in Betracht wie eine Schiffsreise, weil der Hafen von Beirut nach der schweren Explosion dort im Jahr 2020 noch nicht wieder voll funktionsfähig ist. Die Luft-Kapazitäten sind hingegen begrenzt.
Der Libanon ist längst nicht das einzige Land, für das das Auswärtige Amt aktuell eine teilweise oder gänzliche Reisewarnung ausgesprochen hat oder deutsche Staatsbürger zur Ausreise auffordert. Während es im Nahen Osten vielleicht zu erwarten war, kann eine solche Krisensituation Sie auch im Urlaub oder auf einer Geschäftsreise überraschen – zum Beispiel in Form einer Naturkatastrophe. Doch was gilt eigentlich, wenn das Auswärtige Amt zur Ausreise auffordert?
Wann warnt das Auswärtige Amt?
Das Auswärtige Amt bietet auf seiner Webseite Informationen zu allen Ländern dieser Welt an. Die sind grundsätzlich in drei Kategorien geteilt.
Zu jedem Land gibt es Reisehinweise , die Sie etwa auf örtliche Besonderheiten wie Einreisebestimmungen, Zollvorschriften, empfohlene Reiseimpfungen und so banale Dinge wie Links- oder Rechtsverkehr aufmerksam machen.
Wenn nötig, werden diese durch Sicherheitshinweise ergänzt. Die warnen Sie vor allem, was Ihre Sicherheit bedrohen könnte, aber nicht lebensgefährlich ist, also zum Beispiel Taschendiebe, Trickbetrügern, ob Sie in einem Land bedenkenlos in ein Taxi steigen können und so weiter.
Reisewarnungen sind die letzte Informationsstufe. Sie werden ausgesprochen, wenn in einem Land konkrete Gefahren für Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger drohen.
Das Auswärtige Amt unterscheidet dabei zwischen Teilwarnungen, die zum Beispiel nur für bestimmte Zeiten oder Regionen gelten, und kompletten Reisewarnungen. Solche Warnungen betreffen Krisenländer wie aktuell etwa Syrien, die Ukraine oder die Palästinensischen Gebiete, aber in der Liste der 40 Länder , für die derzeit Reisewarnungen existieren, finden sich auch beliebte Urlaubsziele. In Ägypten wird etwa vor Reisen auf und durch die Sinai-Halbinsel gewarnt, für Japan existiert eine Teilreisewarnung rund um die evakuierten Gebiete des Kernkraftwerkes Fukushima.
Darf ich nicht reisen, wenn eine Reisewarnung existiert?
Das Auswärtige Amt spricht zwar Warnungen aus, es verbietet Ihnen aber nicht, in die betreffenden Länder zu reisen. Ausreiseverbote werden nur sehr selten erteilt. Am bekanntesten waren sie während der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2022, als viele Länder auch Einreiseverbote erließen. Ansonsten verweigern Staaten deutschen Staatsangehörigen nur in Einzelfällen die Einreise. Auch Ausreiseverbote aus Deutschland werden ausgesprochen. Zwischen 2018 und 2022 traf es nach einer Kleinen Anfrage der Linken im Bundestag 131 Einzelpersonen bei bestimmten Reisen. Solche Verbote werden etwa ausgesprochen, wenn die Behörden fürchten, dass eine Person nur für kriminelle Aktivitäten ins Ausland reist oder an einer Veranstaltung teilnehmen möchte, die das Ansehen Deutschlands schädigen könnte. Sie sind im Einzelfall oft umstritten.
Allgemeine Reisewarnungen hingegen sind nur eine Empfehlung und haben keinen juristischen Charakter. Aber: Reisen Sie in ein Land oder Gebiet, für das eine Reisewarnung existiert, gilt dort unter Umständen kein Krankenversicherungsschutz. Da Reisewarnungen eben wegen Gefahren für Leib und Leben ausgesprochen werden, wollen viele Versicherer dieses Risiko nicht abdecken. Begeben Sie sich also in Gefahr, müssen Sie die Konsequenzen auch finanziell tragen – das kann zum Beispiel für eine teure Rückreise gelten, insbesondere, wenn es ein spezieller Krankentransport sein muss.
Was ist, wenn mich eine Reisewarnung im Ausland überrascht?
Die eine Möglichkeit ist, in ein Gebiet zu reisen, für das eine Reisewarnung existiert, die andere ist, dort schon zu sein, wenn die Reisewarnung ausgesprochen wird. In diesem Fall ist die Warnung gleichzeitig auch eine Ausreiseaufforderung. Aber auch die ist nicht zwingend. Wer will, darf im Krisengebiet bleiben. Manchmal ist das auch sinnvoll, etwa wenn Sie für eine Hilfsorganisation arbeiten.
Ist Ihre Anwesenheit im Krisengebiet allerdings nicht erforderlich, sollten Sie nach einer Reisewarnung sofort ausreisen.
Was passiert, wenn ich nicht ausreise?
Wie gesagt, juristisch hat es für Sie keine Folgen, in einem Krisengebiet zu bleiben. Je dramatischer die Lage, desto schwieriger wird es aber, Ihnen zu helfen. Das Auswärtige Amt weist daraufhin, dass in Ländern und Gebieten, für die eine Reisewarnung gilt, meist auch Botschaften und Konsulate Deutschland nur eingeschränkt oder gar nicht mehr arbeiten. Konsularische Hilfe kann Ihnen dort also nicht mehr garantiert werden. Das betrifft nicht nur Hilfe bei der Ausreise, sondern auch juristischen Beistand, wenn Sie etwa Probleme mit den Behörden vor Ort bekommen.
Wer bezahlt Mehrkosten, die mir entstehen?
Wenn Sie unerwartet aus einem Krisengebiet ausreisen müssen, wird das meist teuer. Entweder muss kurzfristig ein Flug oder eine andere Reise gebucht werden, schon gebuchte Unterkünfte oder Reisen verfallen. Für solche Mehrkosten müssen Sie selbst aufkommen. Ausnahmen sind medizinische Rücktransporte, wenn Sie diese mit einer entsprechenden Krankenversicherung abgedeckt haben. Selbst bezahlen müssen Sie auch jedwede Hilfe vom deutschen Konsulat vor Ort. Dafür gibt es eine Gebührenordnung im Konsulargesetz. In Notfällen wird hier nach Zeitaufwand abgerechnet, die Stundensätze liegen zwischen 60,37 Euro für einfache und 186,39 Euro für besonders komplexe Aufgaben. Das kann sich im Krisenfall schnell summieren.
Was passiert, wenn keine Ausreise möglich ist?
Immer wieder kommt es vor, dass die Ausreise aus einem Land nicht mehr möglich ist. Wie gezeigt, sind die Möglichkeiten im Libanon bereits eingeschränkt. Neben der Lufthansa haben auch die zur Konzerngruppe gehörenden Eurowings und Swiss Air ihre Routen nach Beirut eingestellt. Auch Turkish Airline und die griechische Fluggesellschaft Aegean Airlines fliegen Beirut nicht mehr an. Noch schlimmer traf es viele Deutsche während der Corona-Pandemie, als Staaten kurzfristig komplette Ausreiseverbote erließen.
In solchen Fällen versucht die Bundeswehr, deutsche Staatsbürger zu evakuieren. Dafür gibt es zwei Stufen. In der ersten wird es mit Lufttransporten versucht. Eingesetzt werden dann die Transporter von Typ Airbus A400M, die die Bundeswehr im sächsischen Wunstorf bereithält. Zwar gibt es dort 50 Flugzeuge dieses Typs, sie werden aber auch für alle anderen Operationen der Bundeswehr benötigt, wären also längst nicht alle für Evakuierungen einsatzbereit. Bei einer schnelle Luftevakuierung würden alle deutschen Staatsbürger an einer Sammelstelle im Krisenland abgeholt – logischerweise meist an einem Flughafen.
Die zweite Stufe ist der sogenannte robuste Einsatz. Dabei schickt die Bundeswehr nicht nur Flugzeuge, sondern auch Soldaten, die die Evakuierung der deutschen Staatsbürger sichern sollen. Ein solcher Einsatz gilt als Kampfeinsatz und muss deswegen vom Bundestag beschlossen werden. Weil dazu im Ernstfall die Zeit fehlen könnte, ist ein Beschluss auch nachträglich möglich. Mit einem solchen robusten Einsatz wurden etwa 2021 hunderte Deutsche und einheimische Helfer aus Afghanistan evakuiert. Es war der bisher größte Einsatz der Bundeswehr dieser Art. 2023 flog die Bundeswehr mit einem solchen Einsatz 700 deutsche Staatsbürger aus dem Sudan aus.
Woher weiß die Bundeswehr, dass ich im Land bin?
Damit der deutsche Staat weiß, dass Sie gerettet werden müssen, gibt es die Krisenvorsorgeliste ELEFAND des Auswärtigen Amtes, mittlerweile auch als App. Hier können Sie sich registrieren und dem Amt mitteilen, wo Sie sich wie lange aufhalten. Das ist freiwillig, hilft im Ernstfall aber ungemein. Das Auswärtige Amt empfiehlt übrigens, dass Sie das für jeden Urlaub und jede Geschäftsreise machen. Während sich Krisensituationen wie jetzt im Libanon lange andeuten, können Sie von einer Naturkatastrophe jederzeit überrascht werden.
Was ist, wenn ich dort mit meiner nicht-deutschen Familie lebe?
Keine Sorge, wenn Sie im Ausland mit nichtdeutschen Familienangehörigen leben und/oder zum Beispiel Kinder oder Enkel mit einer anderen Staatsbürgerschaft haben, werden auch diese mit ausgeflogen.
Prima, ich kann mich also stets darauf verlassen, evakuiert zu werden?
„Eine Evakuierungsoperation ist keine Pauschalreise mit Reiserücktrittsversicherung“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. Auch das Verteidigungsministerium warnt davor, eine Reisewarnung zu ignorieren und sich auf die Bundeswehr zu verlassen. Das sei „grundfalsch und verantwortungslos“. Schließlich müssen sich im Ernstfall Soldaten in Lebensgefahr begeben, um Sie zu retten. Sollte sich diese Situation also vermeiden lassen, indem Sie vorzeitig ausreisen, ist das vorzuziehen.
Übrigens: Eine Evakuierung durch die Bundeswehr ist nicht kostenlos. Laut Konsulargesetz darf das Auswärtige Amt Sie an den Kosten dafür beteiligen, wenn es das für richtig hält. Haben Sie selbst dafür kein Geld, dürfen die Ausgaben auch bei Ihren Ehegatten oder anderen Verwandten eingetrieben werden.