Die „René will Rendite“-Kolumne - Die klügsten Sätze, die ich von einem Politiker je über Geld gehört habe

Mir war gar nicht klar, wie sehr Wolfgang Schäuble die deutsche Politik prägte - bis ich seine Autobiografie las. Darin findet sich auch eine Passage, wo es um Geld geht. Was Schäuble dort schreibt, hat nichts von seiner Aktualität verloren.

Ich bin zwar kein CDU-Fan. Und doch möchte ich eine Lanze brechen für das Buch „Erinnerungen“ von Wolfgang Schäuble (1942-2023), das ich über den Sommer gelesen habe ( hier bei Amazon bestellen ). Das Buch ist nicht nur, wenn man so will, die von einem Insider kommentierte Geschichte Deutschlands der letzten knapp 50 Jahre – Schäuble zog 1972 in den Bundestag ein. Es finden sich auch immer wieder Sätze darin, die zum Nachdenken anregen. Gut gefiel mir zu Beispiel dieser hier: Schäuble mahnt, dass wir in unserem Bemühen nicht nachlassen dürften, „Vielfalt zuzulassen und gleichzeitig im Pflegen des Verbindenden ein Mehr an Gemeinsamkeit schaffen“. Ich glaube, diese „Pflege des Verbindenden“ kommt mittlerweile im Diskurs viel zu kurz. Es wird nur noch darüber geredet, dass man anderer Meinung ist. Wir reden aber kaum noch davon, in welchen Punkten wir übereinstimmen.

Und auch ein weiterer Satz hat nichts von seiner Aktualität verloren: „Das langfristige Vertrauen der Bevölkerung ist etwas sehr viel Solideres als die täglich schwankende Gunst der sogenannten öffentlichen Meinung.“

Worüber ich aber eigentlich hier schreiben wollte, sind Schäubles kluge Gedanken zum Thema Geld und Notenbank, die ich so noch nie von einem Politiker gehört habe. Sie stehen im Kapitel über die Euro-Schuldenkrise, in der Schäuble als deutscher Finanzminister stark gefordert war.

Schäubles Gedanken über Geld und Vertrauen

Er schreibt: „Geld, ob durch Edelmetall, Assignaten oder einfach Staatsgarantien gedeckt, ist nichts anderes als geronnenes Vertrauen, oder, wie es der Soziologe Georg Simmel in seinem Hauptwerk ,Philosophie des Geldes‘ formulierte: ,Geld ist vielleicht die konzentrierteste und zugespitzte Form und Äußerung des Vertrauens in die gesellschaftliche Ordnung.‘ Statt einfach nur fiskalische Spielräume zu erweitern und mehr Liquidität zu schaffen, muss die Politik deshalb für wirklich nachhaltiges Wachstum einen Rahmen setzen, der durch Verlässlichkeit, Kontinuität und Vorhersehbarkeit das nötige Vertrauen bei den Markteilnehmern schafft. Dazu braucht es ein Fundament an Regeln.“

Die Soziale Marktwirtschaft sei ohne eine konsequente Politik der Preisstabilität nicht denkbar, so Schäuble. „Ludwig Erhard und Walter Eucken haben die fundamentale Bedeutung stabilen Geldes für eine Gesellschaft freier Bürger betont und warnten vor politischer Einflussnahme auf die Notenbanken. Denn die Verfügungsmöglichkeit über die Notenpresse stellt auch für demokratisch legitimierte Entscheidungsträger eine unwiderstehliche Versuchung dar.“

Klare Worte zur EZB

Entsprechend kritisch sah Schäuble das Einschreiten des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi („Whatever it takes“) in der Schuldenkrise. „Ich bin kein Anhänger einer Politik monetärer Lockerung. Mein kritischer Einwand war vor allem, dass Draghis Geldpolitik den Staaten erleichtere, Reformen weiter zu vermeiden – also genau das, was zur Reaktion der EZB erst geführt hatte.“ Draghi habe selbst oft bekräftigt, dass die EZB niemals das ersetzen könne, was die Mitgliedstaaten tun sollten. Aber solange die Mitgliedsstaaten es nicht täten, müsse die EZB im Rahmen ihres eigenen begrenzten Mandats tun, was sie könne. „Auf Dauer kann aber keine Geld- und Finanzpolitik ersetzen, was an grundlegenden Reformen demokratisch umzusetzen ist“, schreibt Schäuble dazu. „Sie kann die wirtschaftspolitisch getroffenen Entscheidungen ergänzen und deren Auswirkungen abmildern. Sie kann jedoch nicht als Standardwerkzeug verwendet werden.“

Das viele Geld schütze die Politik, die notwendigen Strukturreformen für ein wirklich nachhaltiges Wachstum anzugehen – und trage gleichzeitig zur Blasenbildung bei, wie man in der Finanzkrise gesehen habe. Ökonomen auf der ganzen Welt seien zu Recht alarmiert angesichts der erhöhten Risiken durch die Anhäufung von immer mehr Liquidität. „Wir sind in der lange vorhergesagten Stagflationssackgasse von ultralockerer Geldpolitik bei wachsender Gesamtverschuldung weltweit und nachlassendem Wirtschaftswachstum angelangt – mit gravierenden Folgen für unsere Fähigkeit, die existenziellen Krisen, vor denen wir stehen, zu bewältigen.“

Ein besonderes Geschenk für Draghi

Schäuble schreibt weiter, dass er Draghi zum Abschied eine italienische Übersetzung von Goethes „Zauberlehrling“ geschenkt habe. Er habe geahnt, dass mit der Geldflut damals Geister geweckt worden seien, die nur schwer wieder einzufangen seien. Draghi habe den „subtilen Wink“ sofort verstanden.

Wolfgang Schäuble. Erinnerungen. Mein Leben in der Politik. Unter Mitarbeit von Hilmar Sack und Jens Hacke. © 2024 Klett-Cotta – J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Stuttgart