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Der Renault-Protest kann die Formel 1 dramatisch verändern

Wird der pinke Mercedes zum Vorreiter für die Formel-1-Zukunft?

Der Protest von Renault gegen Racing Point könnte die Königsklasse dramatisch verändern. Grund: FIA-Präsident Jean Todt kann es sich bei seinem sportlichen Aushängeschild im Moment gar nicht leisten, einen Skandal zuzulassen.

Die Formel 1, die durch die Corona-Pandemie schon in eine Krise geschlittert ist, wäre in ihrer Existenz bedroht, würden Todt und seine Regelhüter streng nach Vorschrift handeln.

Racing Point und Mercedes am Pranger

Hintergrund: Wäre der Vorwurf von Renault berechtigt, wonach Racing Point verbotene Teile eins zu eins von Branchenprimus Mercedes übernommen habe, müsste die FIA Racing Point und Mercedes ähnlich hart bestrafen wie bei der so genannten Spy-Gate-Affäre 2007.

Damals zahlte McLaren-Mercedes wegen Spionage 100 Millionen Dollar Strafe. Ein McLaren-Mitarbeiter hatte einem Ferrari-Angestellten Zeichnungen und Daten abgekauft. Mercedes stand damals kurz davor, aus der Formel 1 auszusteigen. Der damalige Vorstand Jürgen Hubbert schaffte es aber noch rechtzeitig, die Wogen im Automobilkonzern zu glätten. Fest steht: Die Parallelen zu Spy-Gate sind offensichtlich.

Deshalb sagte mir ein aktueller Formel-1-Teamchef: "Die FIA wird einen Kompromiss finden. Wahrscheinlich muss Racing Point nur die Bremsbelüftungen ändern, die Renault in Spielberg als verbotene Kopie des 2019er-Silberpfeils angeprangert hat. Bei Ferrari ließ sich die FIA ja auch auf einen faulen Kompromiss ein, um die Formel 1 im Ganzen nicht zu gefährden."

FIA-Entscheidung als Wegweiser für die Zukunft

Zur Erinnerung: Die Scuderia musste ihren Motor zurückrüsten, weil die FIA Verdachtsmomente hatte, der Antrieb wurde 2019 nicht immer ganz legal betrieben. Um einen Skandal zu verhindern, der am Ende sogar zum Ausstieg des Traditionsteams hätte führen können, ließ sich FIA-Präsident Jean Todt auf einen geheimen Deal mit Ferrari ein, der zwar die Italiener zum Zurückrüsten zwang, aber genaue Details des Verstoßes im Dunkeln ließ.

Sollte die FIA erneut einen "faulen" Kompromiss eingehen, wird sich die Formel 1 aber dramatisch ändern. Dann nämlich sind Tür und Tor für Kundenautos und entsprechende Kopien geöffnet. Red Bull-Motorsportchef Helmut Marko wurde bei mir konkret: "Kommen Racing Point und Mercedes mit ihrem Spielchen durch, könnten wir nächstes Jahr bis zu acht Mercedes, sechs Ferrari, vier Red Bull und zwei Renault in der Startaufstellung sehen."

Was Marko meint: Gibt die FIA nach, werden die Topteams ihr aktuelles Auto ebenfalls von ihren Partnerteams nachbauen lassen. Mercedes könnte dann nicht nur mit Racing Point ganz offen kooperieren, sondern theoretisch auch mit ihren Motorkunden McLaren und Williams.

Red Bull und sein Schwesterteam Alpha Tauri machen aus zwei Autos eins, Ferrari gibt die Blaupause seines roten Renners gleich an die Partner Alfa Romeo und Haas weiter.

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Paradox, aber wahr: Schon während des US-GPs in Austin 2016 präsentierte der damalige F1-Chef Bernie Ecclestone in einem Meeting allen Teamchefs den Plan, in Zukunft Partnerteams zu gründen, um die Leistungsfähigkeit der kleinen Mannschaften und damit die Spannung in der Formel 1 zu steigern.

Damals lehnten die Teams Ecclestones gut gemeinten Vorschlag noch ab. Zu wichtig war es ihnen, selbst als Konstrukteur zu gelten und unabhängig zu bleiben von den Top-Teams. Illegal oder nicht: Der Weg des pinken Mercedes Weg ist der Richtige, um Kosten zu sparen und die Spannung so zu erhöhen, dass auch Mittelfeldteams aufs Podium oder sogar zum Sieg rasen können.

Berger: "Formel 1 sollte das Kopieren wieder zulassen"

Gerhard Berger ist ganz meiner Meinung.

Der DTM-Boss argumentierte im Gespräch mit mir: "2008 wurde auch mit dem Finger auf uns gezeigt, weil unser Toro Rosso im Prinzip identisch mit dem Red Bull war. Das war damals noch erlaubt. Deshalb war es uns auch möglich, den sensationellen Sieg mit Sebastian Vettel im Regen von Monza zu landen. Alle haben es geliebt – vor allen Dingen die Fans."

Berger schlussfolgert deshalb: "Die FIA und die Formel 1 sollten das Kopieren von Autos wieder zulassen. Wollen wir nicht alle, dass auch mal ein Alpha Tauri, Williams oder Racing Point aufs Podium fahren können? Für den Sport – gerade in diesen schwierigen Zeiten – wäre es das Beste."