Rentenprofi analysiert - Bei der Rente vergisst die Regierung einen wichtigen Pfeiler - wie wir das ändern
Die Bundesregierung arbeitet immer wieder an Reformen für die Rente - inzwischen geht es meistens entweder um Aktien für die Altersvorsorge oder um ein späteres Renteneintrittsalter. Doch das ist nicht alles, was möglich wäre. Es gibt eine Alternative.
Im Video: Zehn häufige Missverständnisse – Auch wer 45 Jahre eingezahlt hat, kann nicht einfach ohne Abzüge in Rente
Nach einer Reihe hitziger Diskussionen hat die Bundesregierung im Frühjahr das Rentenpaket II beschlossen. Der Weg dorthin war alles andere als leicht und vor allem die FDP tut sich schwer mit der vermeintlich rettenden Reform. So kritisierte die Partei unter anderem, dass junge Menschen mit der Finanzierung der Rente überfordert würden. Auch erklärten sie, dass es weitere Reformen der Sozialsysteme brauche, einschließlich der Abschaffung der „Rente mit 63“, die eine abschlagsfreie Rente nach einer besonders langen Versicherungszeit ermöglicht.
FDP-Chef Lindner kündigte bereits an, dass zwingend weitere Anpassungen der Rente erfolgen müssen. Das Rentenpaket II sei nur der Vorläufer der Rentenpakete III, IV, V und so weiter. Die Pläne der FDP sind dabei ein Schritt in die richtige Richtung, gehen aber lange nicht weit genug. Vor allem vergisst die Bundesregierung bei ihrer Rentenreform eine wichtige Säule!
Das Problem: Deshalb sind Rentenreformen notwendig
Das Rentensystem ist überlastet; diese Information müsste mittlerweile bei jedem angekommen sein. Doch nicht allen zukünftigen Rentenbeziehern ist bewusst, wie groß das Defizit ausfallen wird und das dicke Ende ist noch nicht in Sicht. Wenn in den nächsten Jahren die Arbeitnehmer der geburtenstarken Babyboomer-Generation in Rente gehen, hat dies große Auswirkungen auf die finanzielle Belastung und erhöht die Rentenausgaben stark.
Bereits jetzt ist klar, dass die Rentenzahlungen nicht mehr ausreichen werden, damit die Menschen ihren gewohnten Lebensstandard halten können. Stattdessen darf die Leistung höchstens als Grundsicherung gesehen werden, die durch individuelle Vorsorgemaßnahmen ergänzt werden muss. Doch diese Hiobsbotschaft ist noch nicht bei allen angekommen. Es ist daher unbedingt politisch sinnvoll, Maßnahmen zu ergreifen, um das Rentenniveau zu stabilisieren; gleichzeitig müssen die Politiker jedoch noch deutlicher kommunizieren, dass jeder einzelne dafür verantwortlich ist, wie gut es ihm im Alter gehen wird.
Die Lösung: Mit dieser Maßnahme wird das Rentendebakel abgewendet
Die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind also überwiegend nicht mehr ausreichend, um ein sorgenfreies Leben im Alter zu ermöglichen. Deshalb müssen die Menschen zusätzlich privat vorsorgen, um die individuelle Rentenlücke zu schließen. Besonders aussichtsreich ist dabei die betriebliche Altersvorsorge (bAV).
Die meisten Menschen nehmen für die Altersvorsorge Geld aus ihrem Nettoverdienst, was die monatlichen Einkünfte oft stark schmälert. Bei der Betriebsrente ist dies anders, denn Beiträge werden vom Bruttogehalt finanziert und durch einen Zuschuss des Arbeitgebers aufgestockt. Dieses Prinzip des „Sparens aus dem Bruttoeinkommen“ ermöglicht erhebliche Ersparnisse bei den Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern, wodurch das gesparte Geld effektiv mehr Wert behält. Darüber hinaus wird die betriebliche Altersvorsorge sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Staat gefördert. Arbeitgeber können durch eigene Zuschüsse die Attraktivität der bAV steigern und der Staat unterstützt diese Form der Altersvorsorge durch steuerliche Vorteile und Befreiung von der Sozialversicherung.
Ein weiterer Vorteil der bAV ist die Flexibilität bei der Anlage der Beiträge. Mitarbeiter können ihre Einzahlungen in lukrative Anlageformen wie zum Beispiel Exchange Traded Funds (ETFs) investieren. ETFs bieten die Möglichkeit, breit diversifiziert und kostengünstig in den Kapitalmarkt zu investieren, was langfristig zu höheren Renditen führen kann. Gleichzeitig besteht in vielen Modellen der bAV eine hohe Garantie auf die Eigenbeiträge, wodurch das eingezahlte Kapital abgesichert wird. Ein besonders attraktives Merkmal der betrieblichen Altersvorsorge ist außerdem die Möglichkeit, bereits ab einem Alter von 62 Jahren ohne Abschläge in den Ruhestand zu gehen.
Flexibilität bei der Betriebsrente
Darüber hinaus sorgt der Gesetzgeber mit einigen Vorgaben dafür, dass die Arbeitnehmer keine Verluste machen. So gibt es beispielsweise die Pflicht zur Übertragung des Guthabens, die sogenannte Portierung, bei einem Arbeitgeberwechsel. Gewährt der neue Arbeitgeber dann keine attraktiven Zuschüsse, wie es bei einer echten Betriebsrente üblich ist, können die Angestellten selbst entscheiden, ob sie die Beiträge ruhen lassen oder ob sie den Vertrag weiterhin privat besparen, um die Rentenlücke zu schließen. Im Falle einer Arbeitslosigkeit besteht ebenfalls die Möglichkeit, die Beitragszahlungen auszusetzen. Die bis dahin angesparte Summe gilt dabei nicht als Vermögen und muss deshalb nicht aufgebraucht werden, bevor gegebenenfalls Sozialleistungen bezogen werden können.
Nachteilig ist im Gegensatz dazu, dass die betriebliche Altersvorsorge nicht an jeden vererbbar ist und im Todesfall nur den Hinterbliebenen und dem Lebenspartner in voller Höhe zugutekommt. Zudem führt die Einsparung von Sozialversicherungsbeiträgen dazu, dass mögliche Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Erwerbsminderungsrente sinken – diese Einbußen lassen sich durch die Betriebsrente nicht vollständig ausgleichen. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass der Arbeitgeber die betriebliche Altersvorsorge unterstützen muss. Die Anzahl der Arbeitgeber, die eine umfassende Betriebsrente anbieten, ist allerdings begrenzt. Das macht es oft notwendig, auf andere Benefits zu verzichten, um dafür von dieser Form der Altersvorsorge zu profitieren. Es ist im Übrigen immer noch viel zu häufig der Fall, dass der Arbeitgeber „nicht mitspielt“.
Viel Luft nach oben
Zwar haben einige Unternehmen bereits begriffen, wie sinnvoll die Betriebsrente als Modell ist: Während die Versicherer Ende 2017 knapp 8,1 Mio. Verträge zählten, schlossen Ende 2022 schon 8,8 Millionen Direktversicherungen ab. Doch das reicht lange nicht aus – zumal selbst jene, die die Betriebsrente anbieten, weitaus mehr tun könnten. Bei einer repräsentativen Forsa-Befragung für den Versicherer Alte Leipziger von 202 befragten Unternehmen zeigte sich, dass zwei von drei Unternehmen nur den Pflichtzuschuss gewähren. Jedes fünfte der befragten Unternehmen gewährte einen Zuschuss von 16 bis 20 Prozent, jedes zehnte nur über 20 Prozent. Es bleibt demnach viel Luft nach oben und sollte zur Selbstverständlichkeit für Arbeitgeber werden, ihre Mitarbeiter in der Altersvorsorge zu unterstützen.
Diese Maßnahmen können sich ebenfalls als hilfreich erweisen
Um die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge weiter zu steigern, kann die Politik die bisher gewährten Vorzüge weiter ausdehnen. So sind derzeit beispielsweise nur monatliche Beträge bis knapp über 300 Euro von Steuern und Sozialversicherungsabgaben befreit. Eine Erhöhung dieser Grenze könnte dafür sorgen, dass das Modell von noch mehr Arbeitnehmern genutzt wird. Außerdem sollten die Arbeitgeber, die eine Betriebsrente anbieten, noch stärker als bisher durch steuerliche Anreize und geringere Sozialversicherungsbeiträge entlastet werden.
Bei der Entwicklung zukunftsfähiger Rentenmodelle kann auch ein Blick auf die Regelungen in Nachbarländer aufschlussreich sein. Schweden hat beispielsweise für jeden Bürger ein persönliches Pensionskonto eingerichtet. Individuell mögliche Sparraten haben dort die Bereitschaft zur privaten Altersvorsorge deutlich erhöht. In den Niederlanden hingegen wird eine Grundrente mit einer verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge kombiniert. Solche Beispiele können Politiker als Inspiration für zukünftige Rentenreformen nutzen.
Die Aktienrente als Alternative zur Betriebsrente?
In letzter Zeit wurden außerdem immer mehr Stimmen laut, dass auch die sogenannte Aktienrente eine Alternative sein könnte. Bei der Aktienrente handelt es sich um Kapital, das sich der Staat leiht und am Aktienmarkt investiert, um die demografischen Folgen für die gesetzliche Rentenversicherung abzufangen oder abzumildern. Aktuelle Zahlen und Analysen, beispielsweise von Experten wie Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, zeigen jedoch, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen werden, um die gesetzliche Rentenversicherung langfristig zu stabilisieren.
So erklärte er beispielsweise in einem Interview mit der Arbeitgebervereinigung für Unternehmen (AGEV): „Das Generationenkapital ist ja nichts anderes als eine Fondslösung in Staatshand, ohne dass man individuelle Kontrollmechanismen dazusetzt. Ich halte davon eher nichts. Natürlich ist die Einführung eines Kapitaldeckungsverfahren als Ergänzung zum Umlageverfahren grundsätzlich sinnvoll. Hätten wir es in den 1990er Jahren wie die skandinavischen Länder gemacht, als sie die Kapitaldeckung in ihre Systeme einführten, stünden wir besser da. Damals wollte das aber keiner in Deutschland, und die Fehler der Vergangenheit sind irreversibel. Ich kann jetzt keinen Kapitalstock aufbauen, der den Babyboomern hilft, weil die Kapitaldeckung mindestens 25, eher 30 Jahre braucht.“
Die demografische Entwicklung ist demnach so gravierend, dass selbst erhebliche Investitionen in den Aktienmarkt die gesetzliche Rente nicht „retten“ können – daher ist eigene Altersvorsorge für alle Bürger Pflicht. Die gesetzliche Rente wird zukünftig allenfalls ein Mindestmaß an Versorgung darstellen, ähnlich der Grundsicherung oder dem Bürgergeld heutzutage.