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Report: Putins Krim-Krimi und Merkels Machtprobe

Bundeskanzlerin Merkel zusammen mit David Cameron, Traian Basescu und Jose Manuel Barroso in Brüssel. Foto: Olivier Hoslet

Bei der Lösung der dramatischen Krim-Krise geht es auch um Merkels Ruf. Sie gilt als mächtigste Frau Europas mit dem größten Einfluss auf Putin. Macht er weiter, was er will, verliert sie an Macht.

Beides wirkt glaubhaft. Die Kanzlerin wünscht sich keine Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Doch sie zieht die Strafen durch, sollte Moskau das Hoheitsgebiet der Ukraine über deren Halbinsel Krim hinaus verletzen. Das bedeutet erstens: Russlands Präsident Wladimir Putin hat Merkel mit seiner Machtdemonstration auf der Krim gezwungen, im Einklang mit der EU Härte zu zeigen, was nicht nach ihrem diplomatischen Geschmack ist. Und zweitens: Merkel und die Europäische Union könnten die Krim für das prowestliche Kiew verloren geben. Beides dürfte Merkel dem Kreml-Chef übelnehmen.

Die EU hat wohl wenig Hoffnung, dass der Abspaltungskurs des moskautreuen Regionalparlaments auf der Krim von der Ukraine noch gestoppt werden kann. Das zeigte eine Antwort Merkels nach dem EU-Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel. Sie wurde gefragt, ob die höchste Stufe des angedrohten Strafplans (die Wirtschaftssanktionen) der EU schon greift, wenn das Referendum auf der Krim zum Anschluss an Russland am 16. März wirklich stattfindet - oder erst dann, wenn russisches Militär in die Ostukraine einmarschiert. «Hier geht es eindeutig um die Fragen der Ostukraine», sagte Merkel.

Damit machte sie deutlich, wie hoch sie die Latte für Wirtschaftssanktionen gelegt hat. Denn ein Einmarsch russischer Soldaten im Osten der Ukraine wäre wohl ein Kriegsfall, der mindestens scharfe Konsequenzen für Geschäfte mit Russland haben müsste. An einen Krieg glauben hohe deutsche Diplomaten aber trotz der sich zuspitzenden Lage nicht. Moskau stellte am Freitag allerdings schon einmal klar, dass die Schwarzmeer-Halbinsel in die Russische Föderation aufgenommen wird, wenn die Volksabstimmung auf der Krim pro Russland ausfällt. Etwas anderes wird nicht erwartet.

Die Präsidentin der Ex-Sowjetrepublik Litauen, Dalia Grybauskaite, konnte beim Gipfel der 28 EU-Staats- und Regierungschefs nicht nachvollziehen, dass einige ihrer Kollegen zunächst nur sanft auf die «russische Aggression» reagieren wollten. «Wir müssen verstehen, dass Russland gefährlich ist», mahnte sie. Nach der Ukraine komme die Republik Moldau und danach ein anderes Land dran, meinte sie. Und Kiews amtierender Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte: «Es ist im 21. Jahrhundert nicht akzeptabel, russische Stiefel und russische Panzer auf unserem Gebiet stehen zu haben. Und wo hört das auf?»

Um die uneinheitliche, über Sanktionen zerstrittene EU-Staatenlenkerriege zu überzeugen, erinnerte Jazenjuk an DDR-Zeiten. In Anlehnung an Ronald Reagens einstigen Aufruf an Moskau an der Berliner Mauer forderte Jazenjuk nun Putin auch mit einem «Tear down this wall» auf, keine neuen Mauern zu errichten.

Nach Ansicht von Marina Weisband, die die deutsche und die ukrainische Staatsbürgerschaft hat und Mitglied der Piraten ist, will Putin in der Ukraine einen Bürgerkrieg provozieren. In der ZDF-Sendung «Maybrit Illner» sagte die 26-Jährige, Putin wolle seinen eigenen Bürgern zeigen, dass Revolution zu Chaos führe. Dabei fürchte er vor allem dies: massenhafte Proteste in seiner eigenen Hauptstadt - einen «Maidan in Moskau». Bei aller Empörung über Moskaus Verhalten auf der Krim bezeichnete Weisband aber Sanktionen als das falsche Mittel und warnte davor, den G8-Gipfel der wichtigsten Industrienationen mit Russland im Sommer abzusagen. «Gerade jetzt müssen wir reden. Es geht nicht ohne Russland», warnt die junge Frau.

Das sieht auch Merkel so. Sie begegnet Putins Machtstreben inzwischen zwar ohne jegliche Illusion. Trotzdem weiß sie, dass nur er und niemand anderes ihr Gesprächspartner ist, um den Konflikt zu lösen. Für Merkel steht jetzt viel auf dem Spiel.

Vor einer knappen Woche hieß es, Putin habe ihr am Telefon die Mitwirkung in einer Kontaktgruppe mit Kiew zugesagt. Doch dann stand Merkel in Brüssel mit leeren Händen da. Gerade sie, von der die anderen EU-Regierungschefs erwarten, dass sie aufgrund ihrer langen Erfahrung mit Putin und Affinität zu Russland die Krise entschärft.

So konnte sie nicht anders, als die Sanktionen zu unterstützen. Diese werden von der deutschen Wirtschaft schon beklagt und bergen immer auch die Gefahr des eigenen Gesichtsverlustes, wenn der Bestrafte nicht einlenkt. Sollte Putin nicht auf die Minimalforderung eingehen und sich mit Kiew an einen Tisch setzen, wäre Merkels Ansehen beschädigt. Dann wäre ihr Ruf, die mächtigste Frau Europas mit dem größten Einfluss auf Putin zu sein, ramponiert.

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