Restaurants „Salt & Silver“ - „Sterne-Gastronomie macht reihenweise dicht – es gibt einen neuen Trend“

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Salt & Silver

Thomas Kosikowski und Johannes Riffelmacher, bekannt als „Cozy und Jo“, betreiben mit „Salt & Silver“ drei sehr angesagte, stets gut gebuchte Restaurants. Die Gastromarke wächst. Was machen die beiden anders? Wir haben mit Cozy (35) gesprochen.

FOCUS online: Es dürfte nur wenige Restaurants in Deutschland geben, die so bekannt sind wie das „Salt & Silver“…

Cozy: Tatsächlich sind wir mit 41,1 Tausend Followern bei Insta in Sachen Außenwahrnehmung ziemlich weit vorn.

Ist das wichtig - Außenwahrnehmung?

Cozy: Definitiv. Ich behaupte: Ohne Social Media funktioniert Gastronomie heute nicht mehr. Die Leute müssen sehen können, dass und wie wir uns immer wieder neu erfinden. Von der Streetfood-Küche zum Fine Dining zum Beispiel. Fischgrill, Strandbar… Wir haben in den sieben Jahren unseres Bestehens so gut wie alles ausprobiert.

Um letztendlich was herauszufinden?

Cozy: Dass man agil und flexibel bleiben sollte und den Spaß bei der Arbeit behalten muss, um kreativ abzuliefern. Unsere Karten ändern sich ziemlich oft. Im nächsten Jahr wollen wir das Konzept für die beiden Restaurants in Hamburg komplett überarbeiten. Die Welt verändert im rasanten Tempo. Das macht was mit den Menschen.

Ein Restaurant ist ein Restaurant ist ein Restaurant – so läuft das nicht mehr?

Cozy: Nein. Nicht für die Gäste und auch nicht für die Mitarbeitenden. Auch für letztere haben wir eine Menge gelernt.

Thomas Kosilowski (links) und Johannes Riffelmacher, bekannt als „Cozy und Jo“,<span class="copyright">Salt & Silver</span>
Thomas Kosilowski (links) und Johannes Riffelmacher, bekannt als „Cozy und Jo“,Salt & Silver

Nämlich?

Cozy: Unser ursprüngliches Konzept war nicht haltbar. Wir wollten unser Restaurant jeweils ein halbes Jahr lang betreiben und die verbleibenden sechs Monate des Jahres dann mit unseren Mitarbeitenden um die Welt reisen und uns inspirieren lassen. Damit sind wir auf die Schnauze gefallen.

Warum?

Cozy: Der Kostendruck ist enorm und gerade in den letzten Jahren immer größer geworden. Miete, Lebensmittel, Personalkosten… Jeder Tag Ausfall ist eine Katastrophe. Diese Realität hat uns eingeholt. Zum Glück haben wir begriffen, dass es nicht funktioniert, dann das Kontrastprogramm zu fahren, das in der Gastronomie noch immer verbreitet ist.

Was meinen Sie?

Cozy: Immer Vollgas geben ist keine Option. Mit Corona sind 30 Prozent der Mitarbeitenden der Gastro in andere Branchen abgewandert und nicht zurückgekommen. Viele haben erlebt, wie es ist, vier Tage die Woche 9 to 5 zur arbeiten, 35 Urlaubstage pro Jahr zu haben und waren damit unterm Strich glücklicher - obwohl sie weniger verdient haben.

Ist das Ihr Konzept: Faire Arbeitsbedingungen, dafür weniger Gehalt?

Cozy: Wir bezahlen sehr gut. Überhaupt bemühen wir uns, mit den gängigen Klischees zu brechen. Die Gastroszene ist rau, ohne Überstunden geht gar nichts… Das kann ich für uns nicht bestätigen. Ein Beispiel: Die digitale Zeiterfassung, die in anderen Branchen seit Jahrzehnten Standard ist, sollte eine Selbstverständlichkeit sein! Manche unserer Mitarbeitenden haben lange gebraucht, bis sie sich daran gewöhnt haben, regelmäßig ein- und auszustempeln.

Weil sie es nicht glauben konnten, dass das bei Ihnen wirklich so läuft?

Cozy: Weil sie es einfach nicht gewohnt waren. Es hat ein wenig gedauert, alte Strukturen und Gewohnheiten zu verändern. Das ist sowohl bei uns Führungskräften so als auch bei den Arbeitnehmern. Wir versuchen zum Beispiel auch, alle Anstellungsmodelle bei uns im Unternehmen anzubieten.

Von was für Modellen reden Sie?

Cozy: Von der Fünf- oder auch Vier-Tage-Woche über Teilzeit bis hin zur Aushilfstätigkeit – das geht bei uns alles. Wenn sich im Leben eines Mitarbeiters Veränderungen ergeben, passen wir gerne entsprechend an, so gut wir es betrieblich hinbekommen. Die Arbeitsbelastung für die anderen Kolleginnen und Mitarbeiter darf dadurch natürlich nicht erhöht werden, das ist wichtig fürs Teamgefühl.

Das können Sie sich leisten?

Cozy: Umgekehrt wird ein Schuh draus: Als Restaurant, das mit der Zeit geht, könnten wir es uns nicht leisten, das nicht zu tun.

Viele Restaurants ächzen, weil sie kein Personal finden.

Cozy: Auch wir waren schon von Personalmangel betroffen und die Fluktuation ist in unserer Branche traditionell sehr hoch. Aktuell ist bei uns aber das Gegenteil der Fall. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht neue Bewerbungen auf dem Tisch habe.

Und wahrscheinlich auch kein Tag ohne Reservierungsanfragen für das Restaurant. Wie lange im Voraus muss man reservieren, um beispielsweise an einem Samstagabend einen Tisch zu bekommen?

Cozy: Zwei Wochen, würde ich raten. Umso besser das Wetter, umso früher reservieren!

Bei vielen Kollegen dagegen bleiben die Plätze leer, die Gastroszene hat schwer zu kämpfen. Was machen Sie anders? Oder hatten Sie einfach Glück?

Cozy: Ich würde sagen: Das waren 20 Prozent Glück und 80 Prozent Eigenverantwortung.

Reden wir über die 80 Prozent. Was ist das Geheimnis?

Cozy: Generell muss man heute als Restaurant einiges auf die Beine stellen, um die Leute von einem Besuch zu überzeugen. Wir sehen schließlich eine Emanzipation von Kulinarik auf ganz vielen Kanälen.

Das heißt?

Cozy: Vieles, was selbstverständlich ist, gab es so noch vor zehn Jahren nicht. Das Sushi-Regal bei Edeka etwa. Oder die ganzen Lieferdienste, die die Leute von vorne bis hinten in allen Facetten bedienen. Wieso sollte man da ins Restaurant gehen wollen?

Ja genau, wieso? Was kriegen die Leute bei Ihnen?

Cozy: Hervorragendes Servicepersonal. Beratung zum Essen. Hintergrundinformationen zu den Gerichten, die wir teilweise auf unseren Reisen gelernt und von dort mitgebracht haben. Die Lebensmittel, die wir verarbeiten, kommen aber zu einem großen Teil aus der Region um Hamburg.

Es heißt oft, die Leute wollten fürs Essengehen nicht mehr so viel ausgeben wie früher. Können Sie das bestätigen?

Cozy: Das Geld sitzt nicht mehr so locker wie früher, das stimmt schon. Wobei das vor allem die Restaurants im mittleren Segment betrifft. Das Sylter Luxusrestaurant oder die Gastronomie mit den Hauptgerichten unter 20 Euro haben eher weniger zu kämpfen.

Wo würden Sie Ihre Restaurants ansiedeln?

Cozy: Im mittleren bis höheren Segment.

Aber bei Ihnen läuft es…

Cozy: Weil wir alles geben, was wir haben. Bei uns kriegt man was für sein Geld – das klingt nach Phrase, ich weiß… Aber letztlich ist das der entscheidende Punkt. Der Restaurantbesuch muss den Leuten im Vergleich zum Daheimbleiben einen Mehrwehrt bieten. Auch atmosphärisch. In unseren Restaurants hat man zum Beispiel wahlweise einen tollen Blick aufs Meer oder einen tollen Blick auf den Hafen. Das macht den Besuch zu etwas Einzigartigem. Zu etwas, was man so definitiv nur bei uns bekommt.

Allerdings kann man das ein oder andere seit Kurzem auch nach kochen – Sie haben im Frühjahr ein Rezeptbuch (Anzeige) herausgegeben.

Cozy: Das Buch liefert schöne Anregungen und die Rezepte sind für alle zu Hause nachkochbar. Das mit dem Nachkochen dessen, was man in einem unserer Restaurants gegessen hat, klappt aber nur bedingt, so komplex, wie wir unterwegs sind. Unsere Jus oder Fonds kochen wir alle noch klassisch selbst, fermentieren selbst oder zerlegen Fisch kunstvoll im Butterfly Cut. Das macht man nicht mal eben zu Hause nach. Nicht zu vergessen: Wir haben viele KöchInnen, die zuvor in Sternerestaurants gearbeitet haben.

Klingt nobel.

Cozy: Ich glaube, alle die mal bei uns waren und uns kennen wissen, dass wir alles sind - nur nicht nobel…

Sondern?

Cozy: Eher emotional, gesellig. Wohlfühlen ist wie gesagt wichtig. Das fängt damit an, dass die Leute ein Essen bekommen, das sie verstehen.

Zum Beispiel?

Cozy: Nehmen wir unser „Restaurant am Meer“. Im Angebot haben wir hier unter anderem Pommes oder Fisch Nuggets – alles selbst gemacht, wohlgemerkt. Auch das Eis am Stiel für 2,50 Euro steht auf der Karte. Wer möchte, bekommt aber auch die gegrillte Zwei-Kilo-Languste für 300 Euro.

Klingt nach einer ziemlichen Bandbreite an Speisen und Publikum an.

Cozy: Mit Überspezialisierung sollte man in diesen Tagen jedenfalls lieber vorsichtig sein. Eine Zeitlang, die letzten zehn Jahre etwa, haben sich Restaurants ein Stück weit so entwickelt, die Menüs wurden immer aufwändiger. Aber irgendwann nach Corona hatten die Leute genug davon. Im Moment beobachten wir eher einen anderen Trend.

Welchen?

Cozy: In Berlin macht die Sterne-Gastronomie reihenweise dicht. Dagegen erlebt die Wirtshausküche eine Wiederbelebung, auch in der hippen Gastronomie. Viel Gegrilltes, viel Bodenständiges. Was geht ab? Was wollen die Leute? Das beobachten wir sehr genau. Wir lassen uns viel inspirieren, gehen selbst viel essen, auch international. London, Barcelona, Lissabon, Wien…

Was stellen Sie dabei fest?

Cozy: Dass andere europäische Hauptstädte viel mehr zu bieten haben als Deutschland. Mit Ausnahme von Berlin vielleicht. Wenn ich am Ende eines Restaurantbesuchs denke, das hätte ich auch zu Hause auch haben können und vielleicht sogar besser, dann brauche ich nicht wiederzukommen. Sollte es einem Gast nach einem Besuch bei uns so gehen, könnte ich ihn verstehen.

 

Info:

Cozy & Jo starteten Salt & Silver 2014 als Reise & Kochbuchprojekt. Seitdem sind drei Kochbücher auf dem deutschsprachigen und englischsprachigen Markt erschienen. 2017 eröffneten die beiden ihr erstes Restaurant, mittlerweile betreibt die Gastromarke Salt & Silver drei Restaurants in Hamburg und Sankt Peter-Ording mit über 60 Mitarbeitern und betreibt einen Onlineshop.

@saltandsilver
saltandsilver.de