Vom Ring in den Krieg – emotionale Doku rührt zu Tränen

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Mit einer beeindruckenden Größe von 2,01 Metern und einem Gewicht von 112 Kilogramm hat Vitali Klitschko (53) im Ring mit einer Reichweite von 203 Zentimetern und einer K.o.-Quote von 91 Prozent dominiert. Heute, mit 53 Jahren, hat er sich vom Einzelkämpfer zum politischen Teamplayer entwickelt und lenkt als Bürgermeister von Kiew die Geschicke der Stadt, besonders seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022. Oscar-Preisträger Kevin Macdonald hat Klitschko über Monate hinweg für den Sky-Dokumentarfilm "Klitschko – Der härteste Kampf" begleitet, der ab dem 13. September auf Sky und WOW zu sehen ist. Es lohnt sich: Optisch und emotional bringt er den Zuschauer in unmittelbare Nähe zu einem Helden, der hier auf XXXL-Größe wächst – ob glücklich oder tragisch: Das lässt der Film offen.

Vitali Klitschko: "Scheitern ist keine Option!"

Wer den Boxer Vitali Klitschko im Ring erlebt hat, der weiß: Muskeln und Kraft, Größe und Reichweite sind Vorteile; entscheidend sind Hirn und Herz. Wie dieses Herz im Boxer Klitschko arbeitet, legt sein Kampf gegen Lennox Lewis offen.

Es ist der 21. Juni 2003. Vitali Klitschko tritt als Außenseiter in den Ring des Staples Centers in Los Angeles. Es beginnt, was als "Kampf der Titanen" in die Boxgeschichte eingehen wird. Klitschko startet offensiv, er trifft gut und schwer. Lennox Lewis wankt, und das mehr als einmal. In Runde drei reißt ein Faustschlag die Augenbraue Klitschkos auf. Cut über dem Auge, Blut im Gesicht, Blut im Gesichtsfeld. "Er sieht nichts mehr, er kämpft nur noch mit dem Herzen“, jubelt der Kommentator, "Klitschko ist der wahrscheinliche Sieger dieses Kampfes!“

Danach bricht der Ringrichter ab. Das Publikum feiert den Verlierer Klitschko. Zehn Jahre später wird er seine Karriere beenden, ohne ein einziges Mal wirklich k.o. gegangen zu sein. Seine beiden Söhne bestätigen es dem Zuschauer: "Sein Lebensmotto lautet – Scheitern ist keine Option!“

Begegnungen, die zu Tränen rühren

Wir sehen diese anderen Cuts, diejenigen, die noch viel mehr Blut kosten. Da ist eine Wunde in der Stadt Kiew, elftes Stockwerk, die Seite eines Hochhauses aufgerissen. Es ist still, als der Bürgermeister Vitali Klitschko, immer einen Kopf größer, durch die Trauernden geht. Wieder Kiew, 2023. Menschen auf der Flucht, Explosionslärm scheucht sie durch die Straßen der Stadt und hinab in die U-Bahnen. Wir sehen Trümmerfelder, Verletzte, Tote. Klitschko beugt sich tief, um Weinende und Kinder zu trösten. "Alles wird gut", sagt er.

Er sagt es oft. Es sind diese Begegnungen, die zu Tränen rühren können, weil sie fühlbar machen, was dieser Krieg und das tägliche Morden für die Menschen in der Ukraine bedeuten. Eine Trauerfeier für gefallene Soldaten: Der Bürgermeister überreicht Stahlkreuze als Orden an die Hinterbliebenen. Immer wieder umarmt er, immer wieder beugt er sich hinab zu Kindern. "Dein Vater war ein echter Held", sagt er, "ein echter Held." Danach fährt die Kamera zu Einzelgräbern dieser Helden. Dann schwenkt sie über Friedhöfe. Dann über ganze Gräberfelder: Helden und immer mehr Helden: Da schafft der Oscar-Preisträger Kevin Macdonald Bilder, denen sich der Zuschauer nicht entziehen kann.

Angespanntes Verhältnis zu Wolodymyr Selenskyj

Es gibt einen weiteren Kampf, den Vitali Klitschko zu führen hat. Die erste Runde beginnt schon zu einer Zeit, als Wolodymyr Selenskyj noch Komiker ist. Da macht er sich in seiner Fernsehshow immer wieder lustig über Klitschko, den Ungeschickten, der von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen tapst. Als Kiews Bürgermeister vor der Kamera nach seinem Verhältnis zum heutigen Präsidenten der Ukraine gefragt wird, antwortet er nur knapp: "Wir haben keine Beziehung." Dabei macht er ein Gesicht, als würde er gleich zum Leberhaken ansetzen.

Der Präsident der Ukraine gegen den Bürgermeister von Kiew: Das ist ein Kampf ohne Fairness und ohne Regeln. Gerade ist ein neunjähriges Mädchen im Raketenangriff Russlands gestorben, weil eine Bunkertür verschlossen war. Vor Fernsehkameras macht Selenskyj den Bürgermeister für den versperrten Schutzraum und damit direkt für den Tod der Neunjährigen verantwortlich. "Dies ist die konkrete Aufgabe des Bürgermeisteramtes", sagt er.

Den Namen Klitschko will er nicht nennen. Er macht es infamer. Er spielt auf den Boxer an. Er spricht von einem "K.o.". Auch Vitali Klitschko vermeidet es, den Namen seines Gegners in den Mund zu nehmen. Deutlich wird er in abstrakteren Sätzen: "Die Politik in diesem Land – nun, sie ist ein trübes Gewässer.“ Das aktuelle Regierungsbeben mit den Rücktrittsgesuchen von gleich neun Ministern gibt diesem Satz gerade besondere Aktualität.

Klitschko lächelt: "So leicht gibst du nicht auf"

Gegen Ende der fast 100 Minuten setzt der Dokumentarfilm den Zuschauer in die Küche Vitali Klitschkos. Der schiebt gerade noch eine Schüssel in die Mikrowelle. Dann stützt der Bürgermeister-Boxer die Arme auf die Tischplatte. "Mein Aufzug hat einen Spiegel“, erzählt er zwischen zwei Löffeln, "und oft betrachte ich mich darin und frage mich: Bist du sicher, dass du das alles wirklich brauchst?“ Vitali Klitschko löffelt weiter. "Und am nächsten Morgen, wenn ich ausgeruht bin, sage ich: So leicht gibst du nicht auf.“ Er lächelt. Er lächelt sehr breit.