Rosneft: Schröder verlässt Posten als Aufsichtsratschef
Moskau/Berlin (dpa) - Nach fast fünf Jahren als Aufsichtsratschef beim russischen Energieriesen Rosneft trennt sich der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder von dem Staatsunternehmen.
Der 78-jährige habe mitgeteilt, dass es ihm unmöglich sei, seine Amtszeit zu verlängern, teilte das Staatsunternehmen am Freitag mit. Details oder Gründe wurden nicht genannt. Der Bundestag hatte dem Altkanzler am Vortag als Reaktion auf seine auch während des Ukraine-Kriegs fortdauernde Tätigkeit für russische Unternehmen sein Büro und seine Mitarbeiter gestrichen. Das EU-Parlament forderte gleichzeitig Sanktionen gegen ihn. Bei der SPD laufen Parteiausschlussverfahren gegen ihn.
Schröder unter Druck
Der langjährige Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, stand zuletzt unter massivem Druck. Seine Partei und Bundeskanzler Olaf Scholz fordern ihn seit langem auf, seine Posten bei russischen Staatsunternehmen niederzulegen. Schröder ist auch für die Gazprom-Tochtergesellschaften Nord Strem und Nord Stream 2 als führender Lobbyist tätig - beide Erdgasleitungen durch die Ostsee verbinden Russland und Deutschland. Die noch ausstehende Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ist inzwischen von der Bundesregierung auf Eis gelegt.
Auch der Chef der Nord-Stream-2-Betreibergesellschaft, Matthias Warnig, legte seinen Aufsichtsratsposten bei Rosneft nieder. Schröder war seit 2017 Aufsichtsratsvorsitzender, Warnig ist schon seit 2011 in dem Gremium gewesen und war seit 2014 Vizechef des Aufsichtsrats. Sie hatten beide einen Status als unabhängige Mitglieder. Noch dabei ist die ehemalige Außenministerin Österreichs Karin Kneissl, die Putin 2018 zu ihrer Hochzeit eingeladen und dann mit einem Knicks vor dem Kremlchef für internationales Aufsehen gesorgt hatte.
Putin hatte Schröder im Februar kurz vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als «anständigen Menschen» gelobt, weil er sich nicht abwende in schwierigen Zeiten. Der Kremlchef unterstützte auch Nominierung Schröders für den Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Gazprom. Die Arbeit eines solchen «unabhängigen Experten» werde der Zusammenarbeit mit Deutschland nur nutzen, sagte Putin am 15. Februar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Kreml. Kurz danach begann der Krieg.
Die Gazprom-Hauptversammlung ist für den 30. Juni geplant. Es ist unklar, ob Schröder dafür weiter im Gespräch ist. In Deutschland sorgten die Pläne für Kritik. Schröder ist bereits Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG.
Vorsichtige Kritik aus den eigenen Reihen
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kritisierte den Schritt als zu spät. Die Entscheidung des SPD-Altkanzlers sei «wohl nicht ganz zufällig» gefallen, sagte Kühnert der Düsseldorfer «Rheinischen Post», offensichtlich mit Blick auf den Druck von Bundesregierung, Bundestag und EU-Parlament auf Schröder. «Leider viel zu spät.»
Zur konkreten Forderung des EU-Parlaments nach Sanktionen gegen Schröder hielt sich Kühnert aber bedeckt. «Ich habe keinen Anlass, eine schützende Hand über ihn zu halten. Wenn es klare, objektive Kriterien für Sanktionslisten gibt, dann gelten die natürlich für alle. Ob das hier der Fall ist, müssen andere bewerten.»
Hingegen hatte sich Kanzler Scholz gegen die Sanktionsforderung gestellt und mit Blick auf den Entzug eines Teils der Altkanzler-Privilegien durch den Bundestag gesagt: «Das ist die Entscheidung, die jetzt notwendig ist, weitere halte ich nicht für erforderlich.»
Der grüne Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer sagte dem «Handelsblatt»: «Mit Halbheiten werden weder Herr Schröder noch die SPD diese Angelegenheit hinter sich lassen können.» Dem Kanzler warf er vor, Klartext zu verweigern. «Die Äußerungen von Scholz zur Causa Schröder zeigen Zögerlichkeit.» Und: «Scholz spricht da mehr als SPD-Mann und weniger als Kanzler.»
Zuvor hatte der Bundestag Schröder sein Büro und seine Mitarbeiter gestrichen, was Scholz als «folgerichtig» begrüßte. Die vom Europaparlament geforderten EU-Sanktionen lehnte der Kanzler aber ab.
Etliche Anträge auf Parteiausschluss
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sprach sich dafür aus, dass die Sanktionen des Bundestags gegen Schröder erhalten bleiben. «Die Entscheidung des Haushaltsausschusses, Altkanzler-Privilegien von Gerhard Schröder zu streichen, ist richtig und gilt weiterhin - auch nach Bekanntgabe, dass er seinen Posten als Aufsichtsratschef bei Rosneft aufgeben wird», sagte er der «Welt».
Auch die SPD-Spitze hatte Schröder schon vor Wochen aufgefordert, seine Posten niederzulegen. Die Parteichefs Lars Klingbeil und Saskia Esken erhielten auf einen entsprechenden Brief aber keine Antwort. Bei der SPD Hannover sind etliche Anträge auf Parteiausschluss Schröders eingegangen, bis Ende April waren es mehr als ein Dutzend.
Für Wirbel hatte unter anderem gesorgt, als Schröder mitten in der Eskalation vor dem russischen Angriff auf das Nachbarland Forderungen der Ukraine nach Waffenlieferungen als «Säbelrasseln» kritisierte. Auch nach Beginn des Krieges hatte Schröder Putin in Moskau besucht, das Blutvergießen in der Ukraine ging danach weiter.
Union: Rücktritt kommt viel zu spät
Aus der Unionsfraktion im Bundestag hieß es, dass Schröder sich hätten früher von Rosneft trennen müssen. «Der Schritt kommt viel zu spät», sagte Andrea Lindholz (CSU), die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion. «Herr Schröder hätte sich sofort nach Kriegsbeginn von Putin und seinem Umfeld lossagen müssen.» Er bleibe eine echte Distanzierung von der russischen Führung schuldig. «Es wirkt vielmehr so, als hoffe er, damit seine Amtsausstattung im Bundestag zu behalten und eine Aufnahme auf die EU-Sanktionsliste zu verhindern.»
Schröder lässt die am Donnerstag im Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossene Streichung seiner Altkanzler-Privilegien juristisch überprüfen. Für Personalausgaben in Schröders Büro waren im vergangenen Jahr mehr als 400.000 Euro aus der Staatskasse geflossen. Anrecht auf ein Ruhegehalt und auf Personenschutz hat der frühere Kanzler dem Beschluss zufolge aber weiterhin. Schröder äußerte sich selbst zunächst nicht zu der Sache.
Verhandlungen über Parteiausschluss von Schröder
Die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover will am 15. Juni über die Anträge zum Parteiausschluss von Altkanzler Gerhard Schröder verhandeln. Das teilte der Geschäftsführer des Parteibezirks, Christoph Matterne, mit. Zuvor hatten die «Badischen Neuesten Nachrichten» über die Pläne berichtet.
Mittlerweile laufen bei der SPD 14 Verfahren zum Parteiausschluss von Schröder, wie Matterne sagte. Die Schiedskommission habe beschlossen, dass diese und mögliche weitere Verfahren gemeinsam verhandelt und entschieden werden sollen. Ob es bereits am 15. Juni zu einer Entscheidung kommt, ist jedoch noch offen. Eine mögliche zweite Verhandlung würde am 22. Juni stattfinden.
Noch unklar ist, ob Schröder selbst zu der mündlichen Verhandlung erscheinen will. Matterne erklärte, Schröder könne sich auch vertreten lassen oder abwesend bleiben. Die Verhandlung soll parteiöffentlich im Kurt-Schumacher-Haus in Hannover stattfinden.
VIDEO: Bundestag streicht Altkanzler Schröder das Büro