Nach Rotterdam-Klatsche - Das einstige Bayern-Prunkstück ist nun ein Problem - es gibt eine sehr günstige Lösung
Ein Wort sorgt einst für Angst und Schrecken beim Gegner: Robbery. Das Flügelduo ist das gefürchtete Prunkstück des FC Bayern. Gefahr geht heute nur selten vom Flügel aus. Auch Kompanys System ist daran schuld. Was müssen die Münchner ändern?
Im Video oben: Kimmich rechnet rigoros mit seinen Bayern nach dem Schock von Rotterdam ab
Links werden die Verteidiger von schnellen, unwiderstehlichen Körpertäuschungen schwindelig gespielt, ihre Beine sind verknotet. Rechts versuchen sie vergebens der unnachahmlichen Bewegung in die Mitte zu folgen. Jeder weiß was passiert, doch niemand kann es verteidigen. Das Unvermeidbare, das Unaufhaltsame.
Das war der Flügel des FC Bayern. Das war Robbery. Franck Ribery und Arjen Robben haben mit ihrer unverkennbaren Spielweise den deutschen Rekordmeister über ein Jahrzehnt geprägt. Sie waren eines der besten und gefürchtetsten Flügelduos der Welt.
FC Bayern: Aus Prunkstück wurde Problemstelle
Der Verantwortlichen des FC Bayern kümmerten sich frühzeitig um das Erbe von Robbery. In Kingsley Coman kam 2015 ein junger Franzose, 2018 stieß in Serge Gnabry ein deutscher Nationalspieler hinzu. Leroy Sané folgte als Königstransfer 2020.
Doch wirklich gefürchtet ist der FCB für seine Flügelzange heute nicht mehr – vielmehr degradiert das einstige Prunkstück zu einer Schwachstelle im Münchner Offensivspiel. Die 0:3-Klatsche bei Feyenoord Rotterdam hat gezeigt: „Momentan sind wir keine Spitzenmannschaft.“
Das war die knallharte und ehrliche Analyse von Joshua Kimmich. Und er hat recht. Zwar muss man bei einem 0:3 gegen einen vermeintlichen Außenseiter definitiv über Defensivprobleme und die steten Aussetzer der Innenverteidiger sprechen. Die Partie in Rotterdams Fußballtempel „De Kuip“ hat aber auch schonungslos die Schwächen in der Offensive offengelegt.
Klappt es mal nicht über Harry Kane und Jamal Musiala, haben die Bayern zu wenig Alternativen. Gnabry, Coman, Sané – das Trio ist derzeit weit entfernt von einer Weltklasse-Form. Youngster und Sommer-Neuzugang Michael Olise kommt dem schon am nächsten, ist aber mit seinen 23 Jahren noch zu inkonstant.
Bayerns Flügeltrio ist nicht verlässlich
Das Flügeltrio ist derweil im besten Fußballeralter, wie die Jahre Ende 20 bezeichnet werden. Hier spielt es sich mit der Erfahrung von meist zehn Profijahren befreiter. Der Mix aus Reife und Talent sorgt für ein konstantes Leistungshoch.
Ribery und Robben waren hier in ihrer Blütezeit. In der Saison 2012/2013, an deren Ende der FC Bayern drei Trophäen in den Himmel recken durfte, hatte das Duo zusammen 60 Torbeteiligungen. Getragen von dem Triple waren es in der Spielzeit drauf sogar 69.
Sané, Gnabry und Coman kamen in der vergangenen Spielzeit auf lediglich 38 Torbeteiligungen. Gnabry und Coman waren verletzungsbedingt lange raus, Sané schleppte die gesamte Rückrunde eine Formkrise und ebenfalls anhaltende Probleme mit der Leiste mit sich rum.
Magere Torbeute vom Bayern-Flügel
Robben und Ribery hatten über ihre gesamte Karriere hinweg auch immer wieder Probleme mit größeren Verletzungen und Wehwehchen. Sie kamen meist noch besser, noch torgefährlicher zurück.
Die heutigen Flügel sind da weitaus sensibler. Besonders Sané und Gnabry benötigen das volle Vertrauen des Trainers, um sich fußballerisch entfalten zu können. Stete Verletzungen nagen an ihrem Selbstvertrauen.
In dieser Spielzeit kommt das Trio daher erst auf magere 22 Torbeteiligungen – Olise hat allein nur eine weniger.
Es gab zwischenzeitlich fünf Wochen am Stück, als keiner der Flügelspieler auch nur eine einzige Vorlage sammelte. Viel lastet daher auf den schmalen Schultern von Jamal Musiala. Wenn dann auch noch Kane eine Ladehemmung hat – der Engländer wartet seit dem elften Bundesliga-Spieltag (3:0 gegen Augsburg) auf ein Tor aus dem Spiel heraus – dann stockt der offensive Motor.
Sané, Gnabry, Coman - woran hakt es?
Aber woran hakt es? Die vielen Verletzungen zerren am Körper der Spieler. Insbesondere Gnabry und Coman haben enorm an Explosivität und Spritzigkeit verloren. Der DFB-Kicker hatte einen hervorragenden Saisonstart, dann kamen Knieprobleme. Als Joker hat er kaum Einfluss aufs Spiel.
Aber auch das Spielsystem von Trainer Vincent Kompany trägt dazu bei. Der Belgier setzt anders als sein Vorgänger Thomas Tuchel auf dominanten, ballbesitzgeprägten Kontrollfußball. Die Offensive ist prunk. Unter Tuchel waren die Bayern noch deutlich defensiver und mehr auf Konter ausgerichtet. Das bot mehr Räume und zeitgleich Chancen, das individuelle Tempo und die Dribbelstärken auszunutzen.
Bei Kompany sind die Räume in der Offensive deutlich enger, vor allem, weil sich schwächere Teams hinten wieder einmurmeln. Kontrollierendes Kurzpassspiel soll die tiefstehenden Verteidigungsketten entschlüsseln. Lange Seitenverlagerungen, die mal freie Räume für die Flügelspieler schaffen, finden kaum statt.
Kompany muss Bayern-Stil hinterfragen - oder neue Spieler holen
Was ist nun die Lösung? Entweder passt Kompany sein System an die verfügbaren Spieler an oder seine Bosse sind im Sommer gefragt, Spieler nach München zu lotsen, die besser auf sein System zugeschnitten sind.
Sanés Vertrag läuft bereits in diesem Sommer aus. Aktuell sind beide Parteien in Gesprächen über eine mögliche Verlängerung. Sané will unbedingt in München bleiben und wäre zu Gehaltskürzungen und einem deutlich leistungsorientierteren Kontrakt bereit.
Comans Vertrag geht bis 2027, Gnabrys Arbeitspapier läuft 2026 aus. Beide gelten im Sommer als Verkaufskandidaten. Insbesondere, weil Sportvorstand Max Eberl die Kassen füllen muss, ehe er neue Spieler verpflichtet. Das ist laut „Sport-Bild“ die Vorgabe der Chefetage.
Ist Florian Wirtz die Lösung? Es gibt eine günstige Alternative
Wunschziel und Königslösung ist Florian Wirtz. Es wäre auch auf Vereinsebene die Fusion von „Wusiala“. Beim DFB begeistert er bereits im Zusammenspiel mit Musiala, sie verstehen sich auf und abseits des Platzes blind.
Wirtz gehört in die Kategorie „Zehner“, der vor allem in den Halbräumen zaubern kann. Genau der Spielertyp, den Kompany sucht.
Der 21-Jährige hat aber gerade erst seinen Vertrag bei Bayer Leverkusen verlängert. Entweder greift der FCB tief, sehr tief, so tief wie noch nie in der Vereinsgeschichte, in die Tasche oder sie müssen sich an der Isar noch ein weiteres Jahr gedulden.
Alternativ (und ein kleines bisschen kostengünstiger) können die Bayern in der kommenden Saison auf dieser Position Paul Wanner testen. Das 19-jährige Mega-Talent ist derzeit an den 1. FC Heidenheim ausgeliehen und zeigt in der Bundesliga vielversprechende Leistungen.
Wanner kommt aus der eigenen Jugend. Eberl und Sportdirektor Christoph Freund hatten es sich bei ihrer Ankunft in München zum Ziel gemacht, den Campus zu stärken. Den offensiven Mittelfeldspieler in der ersten Mannschaft zu etablieren, wäre ein starkes Signal.
Handeln die Bayern-Bosse nach Rotterdam-Schmach doch noch?
Ebenfalls gehandelt wird Chelseas Christopher Nkunku. Der Ex-Leipziger ist in der Offensive flexibel einsetzbar und als Hybrid-Spieler auf dem Flügel, hinter der Spitze oder im Mittelsturm zuhause. Dadurch wäre er auch eine Alternative zu Kane.
Nach der Pleite in Rotterdam ist der Franzose laut übereinstimmenden Medienberichten auch für einen Wintertransfer wieder eine Option – zuletzt war der FCB von einer Verpflichtung im Januar abgerückt.
Es muss viel passieren, damit Bayerns Flügel wieder zu einem gefürchteten Wort beim Gegner wird. „Robbery“ war einmalig. Jetzt braucht es Ideen, um dem wenigstens wieder nahe zu kommen.