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"Noch ein paar Monate die Pobacken zusammenkneifen": RKI betont Ernst der Corona-Lage

Ein Winter ohne Weihnachtsfeiern mit Freunden und Kollegen? Nach Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) macht auch das Robert Koch-Institut (RKI) wenig Hoffnung auf größeres geselliges Beisammensein im Dezember.

Regeln wie Abstandhalten, Masken, Händehygiene und Lüften würden die Bundesbürger noch lange begleiten, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin. “Wir müssen noch ein paar Monate die Pobacken zusammenkneifen”, ergänzte er in ungewohnter Deutlichkeit.

Denn die Corona-Lage in Deutschland ist nach RKI-Einschätzung nach wie vor sehr ernst - auch wenn die Zahl der Neuinfektionen zuletzt weniger stark gestiegen ist. Das Infektionsgeschehen nehme in ganz Deutschland noch immer zu. Kliniken meldeten zunehmend Engpässe, vor allem beim medizinischen Personal, das zum Teil selbst erkranke, berichtete Wieler. “Es ist möglich, dass Patienten nicht mehr überall optimal versorgt werden können.” Die Zahl der Intensivpatienten und der Toten steige - und werde das mit zeitlichem Verzug auch weiter tun.

Diese Einschätzungen sind auch mit Blick auf die Beratungen von Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Länder am kommenden Montag von Bedeutung. Die Runde hatte am 28. Oktober einen Teil-Lockdown beschlossen, der seit dem 2. November zunächst bis Monatsende gilt. Unter anderem müssen viele Freizeiteinrichtungen und Restaurants geschlossen bleiben. Am kommenden Montag soll eine Zwischenbilanz gezogen und Maßnahmen möglicherweise verändert werden.

Impfung wird lange dauern - wenig Hoffnung auf größere Feiern im Winter

Effekte des Teil-Lockdowns seit Anfang November seien noch nicht messbar, sagte nun RKI-Chef Wieler. Doch selbst nach einem Ende der momentanen Einschränkungen könne das Leben nicht wie gewohnt weitergehen. “Maßnahmen werden uns noch lange begleiten. Auch dann, wenn es in absehbarer Zeit einen wirksamen Impfstoff geben könnte.” Es werde leider dauern, bis alle, die das möchten, sich impfen lassen könnten. Bis dahin hänge weiter alles vom Verhalten der Menschen ab. “Auch wenn wir von den hohen Zahlen runter kommen, müssen wir Maßnahmen den ganzen Winter fahren.”

Ähnlich äußerte sich auch Spahn: Veranstaltungen mit mehr als 10 bis 15 Menschen wie Weihnachtsfeiern und andere Geselligkeiten sehe er “in diesem Winter nicht mehr”, sagte er. “Dieses Virus hat sehr lange Bremsspuren.” Auch Merkel hatte zuvor davon gesprochen, dass die zweite Welle wegen der Wintermonate härter werden könne.

Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), während einer Pressekonferenz.
Lothar Wieler, Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), während einer Pressekonferenz.

Am Donnerstag registrierte das RKI bundesweit fast 22.000 neue Infektionen - knapp 3400 mehr als am Mittwoch. All diese Menschen könnten weitere anstecken, sagte Wieler. In Schulen sei das Tragen von Masken eine richtige Maßnahme. “Es gibt keine Hinweise auf eine geringere Sauerstoffversorgung und psychische Belastung von Kindern durch das Tragen von Mund-Nasen-Schutz.” Auch die besten Hygienekonzepte, vom Theater bis zur Gastronomie, würden jenseits eines Lockdowns nicht helfen - wenn sie nicht auch umgesetzt, überprüft und bei Verstößen sanktioniert würden.

Verlangsamter Anstieg bietet Hoffnungsschimmer

Vorsichtig optimistisch stimme ihn aber, dass die Kurve der Neuinfektionen zuletzt weniger steil gestiegen sei, sagte Wieler. “Das kann daran liegen, dass die strengeren Maßnahmen zu wirken beginnen”, analysierte Uta Rexroth, Leiterin des RKI-Lagezentrums. “Das wissen wir aber noch nicht genau.” Der Effekt könne auch dadurch mitverursacht sein, dass die Laborkapazitäten langsam ausgeschöpft seien. Im Moment liegt die maximale Testkapazität in Deutschland bei 1,9 Millionen PCR-Tests pro Woche. Rexroth sagte, das müsse weiter genau beobachtet werden.

Ähnlich hatte sich auch Charité-Virologe Christian Drosten kürzlich geäußert: Es sei möglich, dass man derzeit wegen der Überlastung der Labore und der Kontaktnachverfolgung nicht mehr merke, “was in der Bevölkerung los ist”, sagte er in dieser Woche im NDR-Info-Podcast. Denn auch viele Gesundheitsämter sind inzwischen am Limit.

Nur negativ will Wieler die Lage aber nicht sehen. Die Mehrheit der Bevölkerung habe den Sinn der Corona-Maßnahmen verstanden, betonte er. “Wir sind diesem Virus nicht hoffnungslos ausgeliefert.” Ziel sei nach wie vor, die Zahl der Neuinfektionen wieder auf ein Level zu bringen, mit dem auch die Krankenhäuser umgehen können.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sprach sich am Donnerstag mit Blick auf den Krankenstand in Kliniken für Schnelltests für Mitarbeiter aus.