Russland-Talk bei Maischberger: Ein Zwiegespräch wäre besser gewesen

Sandra Maischberger diskutiert mit ihren Gästen zu: “Putin oder Trump – vor wem müssen wir mehr Angst haben?”
Sandra Maischberger diskutiert mit ihren Gästen zu: “Putin oder Trump – vor wem müssen wir mehr Angst haben?”

Nachdem der Präsident Russlands am vergangenen Sonntag mit über 70 Prozent wiedergewählt wurde, dreht sich bei Sandra Maischberger am Mittwochabend alles um ein Europa zwischen zwei mächtigen Herrschern: “Trump oder Putin – vor wem müssen wir mehr Angst haben?” lautet der Titel der Sendung. Die Kritik an Trump geriet dabei eher in den Hintergrund – die Diskussion kreiste immer wieder um Putin. Dabei war vor allem das Gespräch zwischen zwei Teilnehmern der Runde interessant, alles andere war nur störende Geräuschkulisse.

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“Eine Polittalkshow ist wie eine Pralinenschachtel”, würde Forrest Gump sagen. “Man weiß nie, was man kriegt.” Naja, eigentlich weiß man inhaltlich schon meist, was man kriegt, nur vom Spannungsfaktor der Sendung muss man sich stets überraschen lassen. So auch an diesem Mittwochabend. In einer Gesprächsrunde über Russland und die USA war die ehemalige ARD-Russlandkorrespondentin Gabriele Krone-Schmalz zu Gast, die in ihrem neuen Buch “Eiszeit” sich für eine Entspannungspolitik mit Russland ausspricht. Ihr direkter Gegenspieler: Udo Lielischkies, der erst als USA-Korrespondent und jetzt seit vielen Jahren als Russland-Korrespondent für die ARD arbeitet und Putins Narrativ darin sieht, dass er sein Land vor dem Westen beschützt und Krone-Schmalz´Bücher gelesen hat und “merkwürdig” findet.

Die beiden allein hätten ein interessantes Zwiegespräch ergeben. Zwei ARD-Korrespondenten mit konträren Ansichten, dabei jedoch nicht eifernd und geifernd, sondern durchaus zugänglich für Argumente und sei es auch nur, um diese Argumente zu widerlegen, dann aber sachlich und nicht emotional. Schade eigentlich, dass Talkshows zu oft auf sechsköpfige Runden setzen, in denen sich die Teilnehmer nur allzu oft ins Wort fallen und der Zuschauer am Ende gar nichts mehr versteht. Sicher Emotionen können eine Sendung auch interessant machen, aber gerade in diesem Fall hätte es “Maischberger” gut getan, sich auf die zwei starken Pole Krone-Schmalz und Lielischkies zu verlassen. Dann wäre das eine spannende Praline für den Zuschauer geworden.

Der Vollständigkeit halber sind auch die anderen Gäste in der Runde zu nennen: Elmar Brok, EU-Außenpolitiker, Anthony Glees, Politikprofessor und Geheimdienstexperte, Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und Börsen-Expertin Anja Kohl. Die saßen da irgendwie auch noch rum und gaben ihren Sermon dazu. Vernachlässigbar, weil oberflächlich und vorhersehbar.

Im Eingangsstatement sagt Krone-Schmalz über Russland: “Mir ist aufgefallen, dass das, was die Bevölkerung Putin gegenüber empfindet, diametral zu dem steht, was wir in den Medien über ihn berichten. Das muss ich ja nicht kommentieren und Sie erstmal auch nicht.” Das beeindruckt: Wann hat das letzte Mal ein Talkshowgast einen Fakt festgestellt, ohne ihn gleich für seine Argumentation auszunutzen? Überhaupt ist die kokette Art sowohl Maischberger als auch andere Gäste in ihre Schranken zu weisen, überaus amüsant. “Wollen Sie ein Gespräch oder wollen Sie Zoff?”, fragt sie Maischberger. Ertappt. Schon gleich zu Beginn stellt Krone-Schmalz die Frage, die ihrer Meinung nach die Runde bestimmen sollte: “Welche Möglichkeit hat der Westen aus dieser brenzligen Situation wieder herauszukommen?”

Wer vergiftete den Doppelagenten Sergej Skripal?

Schnell kommt die Diskussion auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal, der gemeinsam mit seiner Tochter mit einem Nervengift angegriffen wurde und nun in Großbritannien im Krankenhaus liegt. Während der britische Außenminister Boris Johnson und die Premierministerin Theresa May sagen, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen russischen Anschlag handelt, weisen die Russen diese Anschuldigungen von sich. Bewiesen ist bis jetzt noch nichts, trotzdem haben sich Deutschland, Frankreich und die USA bereits mit Großbritannien solidarisiert.

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Udo Lielischkies hält es ebenfalls für höchst unwahrscheinlich, dass Russland nichts von dem Anschlag gewusst haben soll. Er vermutet ein einfaches Motiv hinter dem Attentat. “Putin inszeniert sich als Beschützer vor dem Westen. Es ist sein Narrativ und die Zuspitzung dieses Konflikts hat ihm – das sagen alle Kommentatoren in Russland – eine größere Zustimmung bei der Bevölkerung gebracht.” Kurz: Der Anschlag auf Skripal war Teil des Wahlkampfes.

Krone-Schmalz wiederum wünscht sich erst Aufklärung und dann Verurteilung. Von Elmar Brok kommen weniger kluge Einwände, dass es sich hierbei doch aber um ein Verbrechen handle und bei sowas, da würde ja selbst die Polizei auch immer Vermutungen anstellen. Äh, nein, genau das tut die Polizei eigentlich nicht. Ebenso wenig sinnvoll der Einwurf von Geheimdienst-Experten Glees, der sagt, dass wenn der Außenminister Boris Johnson behauptet, das Attentat sei von Putin veranlasst, dann werde der schon seine Gründe haben. So viel Urvertrauen in die Regierung würden sich wohl mehr Menschen von ihren Mitarbeitern wünschen.

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Wie soll es nun zwischen Russland und Europa weitergehen?

Ex-Auslandskorrespondentin Krone-Schmalz sagt: “Ich versuche als Journalistin meinen Job zu machen und Hintergründe und Zusammenhänge aufzutun und auch mal einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Eine neue Entspannungspolitik Europas würde vielleicht weiter helfen als diese Droh-Spirale.” Klingt nach einem vernünftigen Vorschlag. Anthony Glees hat schon wieder anderes vor: Er schlägt einen Boykott der britischen Nationalmannschaft von der WM in Russland vor. Ein Sportereignis, das manche dieser jungen Männer wahrscheinlich nur einmal in ihrem Leben erfahren dürften. Elmar Brok ist dagegen. Er findet, man solle doch überhaupt keine Sportereignisse mehr an Russland vergeben. Nach Annäherung klingt das nicht. Auch nicht nach wohlüberlegten Ideen.

Vermeiden hätte man diese Art undurchdachtes Seitengeplapper, wenn man sich getraut, hätte das Duett zwischen zwei Gästen auf Augenhöhe wie Lielischkies und Krone-Schmalz stattfinden zu lassen. So drehte sich die Runde durch ständige Einwürfe bald im Kreis, Argumentationen waren auf keiner Seite mehr möglich, weil sie nicht erhört wurden und schnell befasste man sich gegen Ende noch mit Amerikas Schutzzöllen. Ein zu großes und deshalb unnötiges Thema für die letzten fünf MInuten. Schade!

Foto: ARD

Im Video: Die EU stellt sich im Fall Skripal hinter London