Sánchez mit Stimmen der Katalanen zum Regierungschef in Spanien gewählt
Der Sozialist Pedro Sánchez ist am Donnerstag mit Unterstützung der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter als spanischer Regierungschef wiedergewählt worden. Bei der Abstimmung im Parlament in Madrid erreichte Sánchez 179 von 350 Stimmen und damit die absolute Mehrheit. Entscheidend für seine Wiederwahl war für Sánchez die Unterstützung von zwei katalanischen Parteien. Ihnen hat er ein Amnestiegesetz für katalanische Unabhängigkeitsbefürworter zugesagt, das hochumstritten ist und das Land seit Wochen spaltet.
Mit der Wahl von Sánchez endet eine viermonatige Blockade seit der Parlamentswahl im Juli. Der Chef der konservativen Partei PP, Alberto Núñez Feijóo, hatte die Wahl zwar gewonnen, aber trotz Unterstützung der rechtsextremen Vox keine Mehrheit für sich als Regierungschef zustande gebracht.
Sánchez hingegen von der sozialdemokratischen PSOE-Partei, der schon seit 2018 an der Macht ist, konnte zusammen mit dem Linksbündnis Sumar sowie den katalanischen und baskischen Regionalparteien sowie einigen weiteren Abgeordneten eine Mehrheit für sich organisieren.
Die in Politik und Bevölkerung umstrittene Amnestie für die Katalanen soll insbesondere denjenigen Aktivisten zugutekommen, die nach der gescheiterten Abspaltung Kataloniens von Spanien im Jahr 2017 von der spanischen Justiz verfolgt wurden. Davon profitieren würde auch der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont, der dann nach Jahren im Exil nach Spanien zurückzukehren könnte und dessen Partei nun Sánchez mitwählte.
Am Tag vor seiner Wiederwahl hatte Sánchez das Vorhaben im Parlament gegen Kritik verteidigt. Die Maßnahme sei notwendig, um "die Wunden zu schließen", welche die "politische Krise, auf die niemand stolz sein kann", 2017 gerissen habe. Er wolle "die Einheit Spaniens durch den Weg des Dialogs und der Vergebung" gewährleisten.
Die PP und die rechtsextreme Vox-Partei werfen Sánchez hingegen einen Rechtsbruch und Machterhalt um jeden Preis vor. Die PP warnte, Spanien könne nun wie Polen oder Ungarn ins Visier der EU geraten.
Am kommenden Mittwoch soll sich das Europaparlament mit Spanien beschäftigen. Der Vorstoß geht auf den Partei- und Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), zurück. Er sieht europarechtliche Bedenken gegen das Amnestiegesetz. "Es gefährdet die Einheit des Landes und ist aus unserer Sicht rechtsstaatlich höchst problematisch", erklärte Weber in Brüssel. Auch die EU-Kommission hat von Sánchez Aufklärung verlangt. Inzwischen liegt eine Antwort vor, die aber nach Brüsseler Angaben noch ausgewertet wird. Schon 2017 hatte die EU befürchtet, dass das Beispiel Katalonien mit seinen Abspaltungsbemühungen in anderen Ländern Europas Schule machen könnte.
In Spanien gehen seit Wochen landesweit zehntausende Anhänger der Rechten und Rechtsextremen aus Protest gegen die Amnestie auf die Straße, teilweise schlugen Proteste in Gewalt um. Für Samstag ist eine neue Protestaktion in Madrid geplant.
Angesichts der massiven Proteste hatte die Polizei in Madrid ihre Präsenz erhöht. In der Hauptstadt waren während der Parlamentssitzungen am Mittwoch und Donnerstag mehr als 1600 Mitglieder der Sicherheitskräfte postiert - ein ähnliches Großaufgebot ist sonst nur bei Hochrisiko-Fußballspielen üblich.
Sánchez rief die Opposition auf, "diese Situation nicht auszunutzen, um die Straßen in Brand zu setzen". Doch auch Sánchez' Mehrheit ist wackelig. Die verschiedenen linken und teils konservativen Regionalparteien vertreten unterschiedlichste Positionen. Eine Sprecherin der linken baskischen Unabhängigkeitspartei Bildu, Mertxe Aizpurua, warnte, dass die Zustimmung ihrer Partei für Sánchez kein "Blankoscheck" sei.
PP-Chef Feijóo von den Konservativen sagte, Sánchez werde für jedes Gesetz, das er verabschieden wolle, Unterstützung aushandeln müssen und werde nicht wirklich die "Kontrolle" über die Regierung haben.
In seiner neuen Amtszeit setzt Sánchez auf ein dezidiert linkes Programm: Er will öffentliche Verkehrsmittel für junge Menschen und Arbeitslose kostenlos machen, für Spitzenverdiener soll die Einkommenssteuer erhöht und auf Wunsch von Sumar die wöchentliche Arbeitszeit schrittweise reduziert werden - bei vollem Lohnausgleich. Der Sozialist bekräftigte auch seine Unterstützung für die Ukraine und will in Spanien und Europa auf eine Anerkennung "des palästinensischen Staates" hinarbeiten.
mhe/cp