Als Savchenko und Massot die Zeit stillstehen ließen

In Deutschland brechen an diesem 15. Februar 2018 gerade die frühen Morgenstunden an, als in Südkorea für gut viereinhalb Minuten die Zeit stehen bleibt.

Es gibt bei Olympischen Spielen meist diese ein oder zwei Momente, die sich ins allgemeine Gedächtnis einbrennen, die von den Menschen auch Jahrzehnte später noch genau mit diesen Spielen in Verbindung gebracht werden.

Manchmal sind es rührende Momente, wie der Olympiasieg von Matthias Steiner 2008 in Peking, als er seiner verstorbenen Frau gedachte. Manchmal sind es skandalöse Momente wie der Zieldurchlauf mit erhobenem Zeigefinger von Doping-Sünder Ben Johnson 1988 in Seoul.

Oder es sind Momente purer Schönheit wie 2018, als Aljona Savchenko und Bruno Massot nach gut viereinhalb Minuten auf die Eisfläche der Gangneung Ice Arena sanken und wussten, dass sie gerade ein Kunstwerk erschaffen hatten.

Auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass das unter deutscher Flagge angetretene Paar aus der gebürtigen Ukrainerin Savchenko und dem gebürtigen Franzosen Massot im olympischen Finale das zeigte, was für viele Experten die beste Kür aller Zeiten ist.

Gern gesehen auf dem Roten Teppich

Für Savchenko, der winzigen Powerfrau, die sich mit Gold in Pyeongchang nach zuvor zwei Mal Bronze ihren Lebenstraum erfüllte, ist der Moment immer noch in greifbarer Nähe.

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"Wir haben so viel zu tun, dass wir manchmal gar nicht wissen, welcher Monat gerade ist. Es fühlt sich an, als ist es erst einen Monat her. Diesen olympischen Moment hat man immer noch", erzählt sie im Gespräch mit SPORT1 am Rande des "Ball des Sports" in Wiesbaden.

Seit ihrem Gold-Lauf von Südkorea sind Savchenko und Massot gern gesehene Gäste auf dem Roten Teppich und im TV. Gerade erst traten sie bei der Sat.1-Show "Dancing on Ice" auf. Sonntagabends in der Prime Time. Auch das ist ein großer Schritt für den Eiskunstlauf, der in Deutschland viele Jahre wenig Beachtung fand.

"Ich hoffe, dass unser Sieg viele Menschen bewegt hat und dass es viel Nachwuchs gibt, der jetzt zum Eiskunstlauf kommt", sagt Savchenko.

Savchenko/Massot rühren das Publikum

Ob das wirklich passiert, bleibt abzuwarten. Sicher aber ist: Savchenko und Massot haben sich für immer in die Geschichtsbücher ihres Sports gelaufen. Sie werden in einem Atemzug genannt mit Jayne Torville und Christopher Dean, die sich 1984 in Sarajevo mit ihrem Eistanz zum "Bolero" unsterblich machten.

Wie damals die Briten hat auch das deutsche Duo das Publikum weit über die Landesgrenzen zu Tränen gerührt. Auf dem offiziellen Olympia-Channel auf YouTube hat das Video der Kür aktuell gut 3,9 Millionen Abrufe. Zum Vergleich: Der Weltrekord-Sprint von Usain Bolt im 100-Meter-Finale von Peking 2008 bringt es gerade mal auf 825.000 Abrufe im selben Kanal.

Für Savchenko ist diese Wirkung ihres Gold-Auftritts immer noch etwas Besonderes, wie sie im Gespräch mit SPORT1 verrät: "Ja, auf jeden Fall. Man bekommt Nachrichten und Kommentare von vielen Menschen. Ich freue mich einfach riesig, dass uns das gelungen ist."

Krönung nach zwei Mal Bronze

Von Kindesbeinen an hat sie für ihren Traum gekämpft. "Ich habe mir in meinem Kopf immer vorgespielt, die beste Kür aller Zeiten zu zeigen, etwas, das man noch nie gesehen hat. Den perfekten Lauf. Das war das Ziel", erklärte sie im vergangenen Jahr im Interview mit der Zeit.

Nach zwei Mal Bronze an der Seite von Robin Szolkowy und einem Fehler im Kurzprogramm von Pyeongchang sah es aus, als würde sich der Traum nicht erfüllen. Bis zu diesen nahezu perfekten viereinhalb Minuten.

Heute trägt Savchenko eine Kette mit einem Anhänger in Form der Olympischen Ringe am Hals. Natürlich in Gold.

Wettkampfpause und Schicksalsschlag

Ob sie die Jagd auf Gold noch einmal aufnimmt, ist noch nicht sicher. Nach der vergangenen Saison haben sich die inzwischen 35 Jahre alte Savchenko und ihr Partner eine Wettkampfpause genommen. Sie treten unter anderem als Attraktion der Eislauf-Show "Holiday on Ice" auf.

Im Dezember traf das Paar zudem ein schwerer Schicksalsschlag. Jean-Francois Ballester, seit der Kindheit von Massot dessen Trainer und Teil des Teams von Pyeongchang, verstarb völlig überraschend im Alter von nur 53 Jahren.

Es gab Überlegungen, die Gold-Kür zu seinen Ehren nie wieder zu laufen, doch Savchenko und Massot haben sich dagegen entschieden. Ob sie als Duo auf die Wettkampfbühne zurückkehren, ist aber weiterhin offen.

"Einen Plan haben wir noch nicht. Es ist noch so viel zu tun. Wenn wir eine ruhige Minute haben, können wir vielleicht darüber nachdenken, dass wir weitermachen", erklärt Savchenko im Gespräch mit SPORT1.

Egal wie die Entscheidung ausfällt: Den Moment, als sie 2018 die Zeit stillstehen ließen, kann ihnen niemand mehr nehmen.