Schachmatt durch Mimik - Experte enthüllt Harris' Geheimwaffe gegen Trump
In der hitzigen Debatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump spielten subtile Signale eine entscheidende Rolle. Rhetorik- und Kommunikationsprofi Michael Ehlers analysiert, wie Harris' Körpersprache und Mimik das Duell beeinflussten.
Welche Rolle spielte die Körpersprache in der Debatte zwischen Kamala Harris und Donald Trump?
Kamala Harris hat ihre Körpersprache in diesem Duell sehr bewusst eingesetzt. Und das in zwei Richtungen. Gegenüber dem Publikum nutze sie geschickt Gestik und Mimik um zum einen starken Eindruck zu hinterlassen und um das Machtgefüge auf der Bühne zu kontrollieren. Durch ruhige, kontrollierte Bewegungen und ausdrucksstarke Blicke vermittelte sie Selbstsicherheit und Überlegenheit.
Das Publikum nimmt diese Haltung und die ausgesendeten nonverbalen Bestandteile einer Nachricht zwar zumeist unbewusst wahr, dennoch haben sie einen extrem hohen Anteil daran, ob wir eine Person überzeugen oder gar sympathisch finden. Übrigens finden wir sympathische Personen durchwegs überzeugender, so sind wir Menschen.
Die nonverbalen Bestandteile einer Nachricht, Mimik und Gestik, sind für die allermeisten von uns wesentlich schwieriger zu kontrollieren als die verbalen. Kamala Harris hat eine Meisterklasse gegeben. Sie nutze ihre Körpersprache nämlich nicht nur, um mit dem Publikum zu kommunizieren, sondern vor allem, um den Kontrahenten aus der Fassung zu bringen, um ihn zu provozieren, bis er Fehler machte. Das ist ihr gelungen. Durch gezielte nonverbale Provokationen brachte Harris Trump aus der Ruhe. Sie machte ihn anfälliger für Fehler und ließ ihn weniger präsidial erscheinen.
Ihre nonverbale Kommunikation verstärkte die Wirkung ihrer verbalen Aussagen. Das kennen wir alle – und es macht viele von uns rasend: Ein spöttisches Lachen oder ein verständnisloses Kopfschütteln im richtigen Moment kann die Wirkung einer Kritik verdoppeln. Harris hat, wie wir in der nächsten Antwort sehen, das ganze Arsenal eingesetzt um innerhalb der angesetzten 90 Minuten „in den Kopf“ ihres Gegners zu kommen, so wie es ein guter Boxer machen würde.
Wie hat Kamala Harris ihre Körpersprache und Mimik während der Debatte effektiv eingesetzt, um Donald Trump zu provozieren?
Kamala Harris hat ihre Körpersprache und Mimik während der Debatte geschickt genutzt, um Donald Trumps Ego zu provozieren und ihn aus der Fassung zu bringen.
Einsatz der Augenbrauen und gezielte Mimik : Harris setzte subtil Provokationen wie eine hochgezogene Augenbraue, ein leichtes Lächeln oder ein Kopfschütteln ein. Diese Gesten suggerieren Skepsis oder Überlegenheit, um Trump herauszufordern.
Ruhige Seufzer und Handgesten : Durch leise Seufzer und das Platzieren ihrer Hand auf dem Kinn vermittelte sie Gelassenheit und Überlegenheit. Solche Gesten suggerieren Dominanz und strahlen Ruhe aus.
Lachen und mitleidige Blicke : Ein Lachen oder ein mitleidiger Blick können dem Gegenüber signalisieren, dass dessen Verhalten lächerlich oder bedauernswert ist. Trump, der es von seinen üblichen Fantreffen nicht gewohnt ist, kritisiert oder herabgesetzt zu werden, treffen solche Signale doppelt: Er ist sie nicht gewohnt und sie zielen direkt darauf ab, die Luft aus seinem übergroßen Ego zu lassen.
Zurückhaltung und aufmerksames Zuhören : Harris zeigte auffallend viel Zurückhaltung, was die nonverbalen Angriffe noch wirkungsvoller machte. Sie hörte Trump aufmerksam zu und reagierte oft nur mit Mimik, statt sofort zu antworten, was ihm Raum gab, sich womöglich noch mehr selbst zu schaden.
Wir finden den Einsatz dieser Signale übrigens auch häufig in sogenannten direkten Ad-Hominem-Attacken. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Angriffs oder des kommentierten Arguments sind sie dazu geeignet, den Gegner zu verunsichern und herabzusetzen. Meistens sind sie mit einem Angriff auf den Charakter der Person verbunden, die ein Argument vorbringt. In diesem Fall setzte Harris sie perfekt als Verteidigungsstrategie ein.
Wie hat Kamala Harris es geschafft, die Debatte in ein Referendum über Donald Trump zu verwandeln?
Es ging Kamala Harris an diesem Abend nicht darum zu zeigen, ob sie selbst eine gute Präsidentin wäre, sondern darum, zu beweisen, dass Trump ein schlechter Präsident war und sein würde. Harris griff Trump dafür jedoch nicht nur politisch an, sondern attackierte gezielt dessen fragiles Ego.
Sie griff ihn da an, wo es ihm persönlich am meisten weh tat, weil sie die Dinge öffentlich bezweifelte, die zentral für sein Selbstbild sind, beispielsweise seine Fähigkeiten als Geschäftsmann. Sie hielt ihm, der sich sich selbst als Dealmaker und großer Staatsmann sieht, außerdem vor, dass sich internationale politische Führer über ihn lustig machen und er mit dem Abzug aus Afghanistan, den schlimmsten Deal für die Vereinigten Staaten herausgehandelt hätte.
Anstatt Trump als eine existenzielle Bedrohung für die Demokratie darzustellen, wie es Präsident Biden tat, forderte Harris die Wähler auf, den ehemaligen Präsidenten selbst zu beurteilen. Sie forderte das Publikum auf, eine seiner Wahlkampfveranstaltungen zu besuchen, sich seine Anspielungen auf „fiktive Charaktere wie Hannibal Lecter“ und seine Behauptungen, dass „Windmühlen Krebs verursachen“, anzuhören und zu beobachten, wie selbst seine Anhänger vorzeitig die Veranstaltung verlassen.
„Das Einzige, worüber Sie ihn nicht reden hören werden, sind Sie. Sie werden ihn nicht über Ihre Bedürfnisse, Ihre Träume und Ihre Wünsche sprechen hören, und ich sage Ihnen, dass Sie einen Präsidenten verdienen, der Sie wirklich an die erste Stelle setzt, und ich verspreche Ihnen, dass ich das tun werde", sagte Harris. Trump war so sehr in Rage, dass er gar nicht mehr auf diese Kritik einging.
Stattdessen verteidigte er seine Veranstaltungen: „Die Leute verlassen meine Kundgebungen nicht. Wir haben die größten Kundgebungen, die unglaublichsten Kundgebungen in der Geschichte der Politik“. Harris konnte in Ruhe abwarten, wie der Ex-Präsident sich selbst entzauberte. Persönliche Angriffe ließ sie abperlen, setzte auf nonverbale Signale um dann die Debatte vor allem auf Themen zu lenken, die auch innerhalb der Republikaner umstritten sind und waren, die Abtreibungsdebatte beispielsweise oder die Covid-Maßnahmen, die Trump angeordnet hatte.
Für Rhetorik-Feinschmecker: Diese Methoden lassen sich als „Tu quoque“ (lateinisch für „du auch“) bezeichnen. Dabei handelt es sich um Diskussionstechniken, die darauf abzielen, das Argument des Gegners zu diskreditieren, indem man dessen Handlungen als inkonsistent mit seinen Aussagen darstellt.
Könnte die Art und Weise, wie Kamala Harris ihre Körpersprache und Rhetorik während der Debatte genutzt hat, einen Einfluss auf den Ausgang der US-Wahlen 2024 haben?
Das Rennen ist so knapp, dass theoretisch bereits eine einzige gewonnene Debatte über den Ausgang entscheiden könnte. Harris' dargestelltes Selbstbewusstsein und ihre Fähigkeit, Trump aus der Fassung zu bringen, werden ihre Anhänger motiviert und die eigene Basis gestärkt haben. Das ist viel Wert. Durch ihre strategische Körpersprache und Rhetorik konnte Harris im besten Fall die Wahrnehmung vor allem unentschlossener Wähler und moderater Republikaner über Trump verändern.
Aber den Schluss zu ziehen, dass eine im rechten Moment hochgezogene Augenbraue über die Wahl entscheidet, wäre ein Fehler. Zu viel kann noch passieren. Das TV-Duell war ein wertvoller, rhetorisch hervorragend herausgearbeiteter Etappensieg für Harris. Mehr aber auch nicht.