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Wir schaffen die Krise, nicht die Krise uns

Chefreporterin Tanja Kewes berichtet aus ihrem Homeoffice – mit drei kleinen Kindern und Ehemann. Es ist der private Stresstest schlechthin mit lustigen und nachdenklichen Momenten.

Das Coronavirus verändert den Alltag der Menschen. (Symbolbild: Getty)
Das Coronavirus verändert den Alltag der Menschen. (Symbolbild: Getty)

Wie machen wir es morgen? Diese Frage stellen mein Mann und ich uns derzeit jeden Abend. Wir leben und arbeiten auf Sicht, sprich von heute auf morgen. Mit der Frage ist gemeint: Wie organisieren wir morgen unseren Tag? Wer arbeitet wann? Wer kümmert sich wann um die Kinder?

Wir müssen uns absprechen. Denn wir sind hier zuhause zwei Erwachsene und drei Kindern. Wir Erwachsenen sollen und wollen arbeiten, die Kinder sollen und möchten betreut werden. Es ist ein Arbeiten und Leben, das nur arbeitsteilig funktioniert, und auch nur solange wir uns gut absprechen.

Gestern zum Beispiel war unser Tagesplan der folgende: Mein Mann arbeitete von 6 bis 10 Uhr und von 14 bis 18 Uhr, ich von 10 bis 14 Uhr und von 20 bis 24 Uhr. Zum Abendessen sind wir in diesen Homeoffice-Tagen alle zusammen, den Rest des Tages getrennt. Heute Morgen saß mein Mann von 9 bis 13 Uhr in einer Videokonferenz, und nun bin ich dran mit Schreiben.

Dieses Arbeitsleben im Family-Homeoffice ist natürlich anstrengend, aber so funktioniert es wenigstens – auch wenn die Kinder manchmal in eine Videokonferenz platzen oder ein Dokument als Malunterlage nutzen. Wir schreiben inzwischen die dritte Woche in diesem Ausnahmezustand. Es wird hoffentlich die letzte sein.

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Denn ab dem kommenden Montag sind hier in Nordrhein-Westfalen erst einmal zwei Wochen Osterferien auf Balkonien oder Terrassien. Und danach wird das öffentliche Leben hoffentlich wenigstens in eingeschränkter Form wieder losgehen. Vor allem die Schulen und Kitas werden hoffentlich wieder öffnen.

In manchen Homeoffices dieser Republik wird es dieser Tage aber schon wieder leerer. Nicht, weil wir Heimarbeiter wieder in unsere Büros, unsere Fabriken oder hinter unsere Laden- oder Kneipentheken zurückkehren. Nein, weil einige von uns Urlaub nehmen müssen oder Überstunden abbauen müssen oder gar ihre Kündigung erhalten haben.

Schon fast eine halbe Millionen Betriebe haben in den vergangenen zwei Wochen in Deutschland das Kurzarbeitergeld beantragt. Und es ist zu befürchten, dass es noch viel mehr machen müssen und werden. Es gibt vielerorts schlichtweg nichts mehr zu tun: Alle Geschäfte jenseits des täglichen Bedarfs sind geschlossen, alle Restaurants und Kneipen auch, Fabriken stehen still, Baustellen ruhen, Reisen ist verboten.

Im März waren 2,335 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet. Das wird wohl für lange Zeit der niedrigste Wert gewesen sein. Denn diese Zahlen seien noch „ohne Virus-Effekt“, wie die Bundesagentur für Arbeit am Dienstag mitteilte.

Einen Vorgeschmack auf das, was da noch kommt, gab heute Österreich bekannt. Die Alpenrepublik, die uns in der Virus-Bekämpfung rund zwei Wochen voraus ist, meldete 50 Prozent mehr Arbeitslose als im Vorjahresmonat März. Seit dem Jahr 1946 waren in Österreich noch nie so viele Menschen gleichzeitig arbeitslos gemeldet.

„Kleinkunst am Bau“ oder "Durchhalteparole“

Bei uns zuhause ist bis auf Weiteres noch volle Besetzung. Die Planung des neuen Terminals am Münchener Flughafen, an der mein Mann arbeitet, geht unverändert weiter, und für mich als Journalistin sind solche Krisenzeiten eigentlich gut. Das Handelsblatt wird online und offline mehr gelesen denn je. Das Informationsbedürfnis der Menschen ist in einer Krise höher, und viele haben auch mehr Zeit zum Lesen.

Und dennoch: Wir machen uns – wie viele andere Familien inzwischen auch – natürlich auch finanzielle Sorgen. Es wird, und dafür brauche ich nicht einmal den Auguren der Wirtschaftsforschungsinstitute an den Lippen hängen, sondern nur meinen gesunden Menschenverstand einschalten, einen kräftigen Abschwung geben. Und der wird die meisten von uns treffen.

Aber gut beziehungsweise schlecht, es hilft in der derzeitigen Situation nichts, sich auch noch in düsteren Befürchtungen zu verlieren. Wir sind als Fürsorgende (unserer Kinder und unserer Eltern) und auch als Leistungsträger dieser Gesellschaft derzeit mehr denn je gefragt, für gute Stimmung zu sorgen. Unser Motto: Wir schaffen die Krise, nicht die Krise uns.

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Besonders unsere Kinder, die diese Corona-Krise noch weniger als wir rational fassen können und von heute auf morgen aus ihrem normalen Alltag gerissen wurden, brauchen unsere Aufmerksamkeit und Liebe. Sie vermissen ihre Omas und Opas, ihre Freunde, ihren Sport und auch ihre Schulen und Kitas. Sie sind noch viel verunsicherter als wir, auch wenn sie es natürlich noch nicht so ausdrücken können, sondern mal häufiger kuscheln kommen oder ausrasten. Diese Bandbreite gibt es leider.

Wir bemühen uns deshalb hier so viel wie möglich normalen Alltag herzustellen oder besondere kleine Aktionen mit den Kindern zu machen. So haben wir inzwischen nicht nur drei Regenbogenbilder gemalt und in unsere Fenster gehängt. Nein, wir haben zwei weitere gemalt, und sie an „Oma und Opa“ nach Ostwestfalen geschickt.

Und damit auch noch nicht genug. Mit Fingerfarbe – gibt es eigentlich in jedem gut sortieren Baumarkt in der Bastelabteilung – haben wir unsere Eingangstür verschönert. Dort erstreckt sich jetzt auch ein bunter Regenbogen und darunter steht in Rot, Blau und Gelb: „ALLES WIRD GUT! “

Mein Mann nennt das „Kleinkunst am Bau“. Ich nenne das „Durchhalteparole“. Die Kinder sagen: „So eine tolle Tür wie wir hat sonst keiner.“

Tja, und dass Not kreativ und erfinderisch ist, kann man dieser Tage vielerorts beobachten. So wie meine Schwiegermutter angefangen hat, sich einen Mundschutz zu nähen, so hat eine junge Mutter eine andere Idee gehabt. Sie hat sich aus einer Babywindel einen Mundschutz gebastelt. Die Konstruktion sieht vielversprechend aus. Aber wahrscheinlich ist deshalb nicht nur bald das Klopapier ausverkauft, sondern auch die Windeln.

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