Wer schafft es in die Staatskanzlei? - Das sind die Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Thüringen
Die Thüringer Parteien schicken Politikprofis in den Kampf um den besten Platz bei der Landtagswahl. Gleich drei Spitzenkandidaten erheben Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt. Eine Übersicht über alle Kandidaten finden Sie hier.
Seit zehn Jahren regieren Linke, SPD und Grüne in Thüringen . Bei der Landtagswahl am 1. September werden die Würfel neu gemischt. Ob vor der Briefwahl oder direkt am Wahltag interessieren sich die Bürger für die Politiker in Thüringen. Wer sind die Kandidaten, die ihre Parteien im Landtag halten wollen, gute Chancen auf Einzug ins Parlament haben oder Anspruch auf das Ministerpräsidentenamt erheben?
Amtsinhaber der Linken: Bodo Ramelow
Bodo Ramelow ist so etwas wie ein politisches Unikat: Der heute 68-Jährige ist seit zehn Jahren der einzige Ministerpräsident, den die Linke in Deutschland stellt. Der gebürtige Niedersachse, der nach dem Mauerfall als Gewerkschaftsfunktionär nach Thüringen kam, passt nur bedingt ins gängige Linke-Klischee: Er ist bekennender Christ, und der klassische Parteisoldat wollte er nie sein. Seit 2020 sorgt Ramelow für ein weiteres Novum in der deutschen Politik: Er führt eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung, die keine Mehrheit im Landtag hat und ständig auf Kompromisse mit der Opposition angewiesen ist. „Mein Bedarf an Minderheitsregierung ist gedeckt“, sagt er. „Das ist ein schwieriges Konstrukt. Ich kann nur allen abraten.“
Ramelow kann auf Menschen zugehen, aber auch poltern, mitunter ist er dünnhäutig, wenn er sich missverstanden fühlt. Was er gerade denkt, tut oder worüber er sich ärgert, lässt er über den Kurznachrichtendienst X wissen. Bei seiner dritten Landtagswahl als Ministerpräsidentenkandidat der Linken will er vor allem eins: verhindern, dass die AfD in Thüringen das Sagen bekommt. „Ich kämpfe gegen keine demokratischen Parteien, ich kämpfe gegen die Veralltäglichung von Rechtsextremismus“, sagte er der dpa.
Seine politische Karriere begann Ramelow 1999. Er zog für die damalige PDS in den Thüringer Landtag ein - zwei Jahre später war er ihr Fraktionschef. Es folgte ein Zwischenspiel im Bundestag und als Fusionsbeauftragter der Linken mit der WASG. Ministerpräsident wurde er erstmals 2014 - nach eigenem Bekunden sein Traumjob. Ramelow ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne aus erster Ehe.
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Der Herausforderer in Thüringen: CDU-Mann Mario Voigt
Mario Voigt will die CDU nach zehn Jahren in der Opposition zurück in die Regierung bringen. Der 47 Jahre alte Thüringer erhebt den Anspruch, Bodo Ramelow als Ministerpräsident abzulösen. Für Voigt wäre es der Höhepunkt eine CDU-Karriere, die schon früh begann. Er hat das politische Geschäft von der Pike auf gelernt: Mit 17 klopfte er bei der CDU an, er wurde Landesvorsitzender der Jungen Union und später CDU-Generalsekretär, unternahm aber auch Ausflüge in die Wirtschaft und die Wissenschaft.
Kurz nach der Thüringer Regierungskrise 2020 wurde Voigt Fraktions- und Parteichef. Er sollte die CDU, die mehr als 20 Jahre lang in Thüringen die Ministerpräsidenten gestellt hatte, reorganisieren.
Voigt gilt als pragmatisch, hat allerdings seit geraumer Zeit auf einen aggressiveren Wahlkampfmodus umgestellt. Bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte er in diesem Jahr, weil er sich mit AfD-Rechtsaußen Björn Höcke ein TV-Duell lieferte. Voigt ist promovierter Politikwissenschaftler und trägt einen Professorentitel der privaten Quadriga Hochschule Berlin.
Der Rechtsaußen Björn Höcke
Björn Höcke ist der Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD und auch politisch ihr unangefochtener Chef - er bestimmt den Kurs der Partei und ihre Personalpolitik in Thüringen. Der 52-Jährige gilt als Rechtsaußen in der Partei, als „Strippenzieher“, dem Einfluss auch auf die Ausrichtung der Bundespartei nachgesagt wird. Mit Höcke an der Spitze hat die Thüringer AfD nach Einschätzung von Fachleuten immer radikalere Positionen eingenommen. Seit 2021 wird sie vom Thüringer Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet.
Höcke war zeitweise das Gesicht des völkisch-nationalen „Flügels“, der laut AfD-Angaben aufgelöst ist. Mit Äußerungen, die Assoziationen zur NS-Zeit wecken, sorgt er regelmäßig für Schlagzeilen. Anfang Juli stand er zum zweiten Mal wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole vor Gericht in Halle und wurde erneut zu einer Geldstrafe verurteilt. In beiden Fällen ging er in Revision.
Geboren wurde Höcke im nordrhein-westfälischen Lünen, zur Schule ging er im Westerwald in Rheinland-Pfalz. Er war Gymnasiallehrer für Geschichte und Sport und unterrichtete an einer Schule in Hessen, bevor er im Jahr 2014 Abgeordneter und Fraktionschef im Thüringer Parlament wurde. Höcke ist verheiratet und vierfacher Vater. Er lebt mit seiner Familie im Eichsfeld im Nordwesten Thüringens.
Die Überraschungskandidatin Katja Wolf
Katja Wolf hat im Januar viele überrascht: Die Linke-Politikerin und langjährige Oberbürgermeisterin von Eisenach kündigte ihren Austritt aus der Partei und ihren Wechsel zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) an. Deren Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin ist die 48-Jährige jetzt - und nach Umfragen möglicherweise sogar mit Aussicht auf ein Regierungsamt nach der Wahl. Ihr Credo ist das der meisten anderen Kandidaten - einen Ministerpräsidenten der AfD verhindern.
Wolf, Mutter von zwei Kindern, hat ihren Weg bis zu diesem Jahr recht geradlinig bei der Linken absolviert. Nach dem Studium der Sozialpädagogik in Erfurt war sie für kurze Zeit Mitarbeiterin der Linke-Fraktion. Von 1999 bis 2012 gehörte sie dem Landtag an. Dann kandidierte die gebürtige Erfurterin in Eisenach für das Oberbürgermeisteramt. Und gewann. Bis zur Kommunalwahl Ende Mai stand sie an der Spitze der Stadt, die durch die Wartburg und die Automobilindustrie geprägt ist. Von 2019 an sammelte sie auch Erfahrungen bei bundespolitischen Fragen - sie war zeitweise Vizepräsidentin des Deutschen Städtetags.
Der Regierungserfahrene Georg Maier
Thüringens SPD-Vorsitzender und Spitzenkandidat Georg Maier ist Politik-Quereinsteiger. Vor seinem Wechsel in die Thüringer Landespolitik 2015 war der 57-Jährige in der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Bonn für Gründungs- und Mittelstandsfinanzierung zuständig. Vor neun Jahren kam der gebürtige Baden-Württemberger als Staatssekretär in das Thüringer Wirtschaftsministerium. 2017 übernahm er das Innenministerium.
In der Thüringer SPD brauchte Maier einige Zeit, um Fuß zu fassen. Zunächst war er nur Kassenwart im Landesvorstand, 2020 wurde er zum Landesvorsitzenden gewählt. Maier hält sich derzeit alle Koalitionsoptionen offen - außer mit der AfD. Die SPD ist seit vielen Jahren in Thüringen in Regierungsverantwortung - zuerst mit der CDU, seit zehn Jahren mit Linke und Grünen. Maier betont stets, dass er die Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung halten will. Er stammt aus Singen am Bodensee (Baden-Württemberg), ist verheiratet und hat vier Kinder aus zwei Ehen.
Das Grünen-Duo Henfling und Stengele für die Landtagswahl in Thüringen
Die Landtagsabgeordnete Madeleine Henfling und Umweltminister Bernhard Stengele ziehen als Spitzenkandidaten-Duo der Grünen in den Landtagswahlkampf. Sie sollen ihrer Partei den Wiedereinzug in den Landtag sichern. Die 41 Jahre alte Henfling ist derzeit Vizepräsidentin des Landtags und in ihrer Landtagsfraktion vor allem für innenpolitische Themen bis hin zur Sicherheitspolitik zuständig. Henfling stammt aus dem thüringischen Ilmenau und war für einige Jahre auch Landessprecherin der Grünen.
Stengele, der aus Baden-Württemberg stammt, ist seit Februar 2023 Minister für Umwelt und Energie in Thüringen. Zuvor war der heute 61-Jährige Landessprecher seiner Partei. Vor seinem Einstieg in die Landespolitik war Stengele unter anderem Schauspieldirektor in Würzburg und dann für einige Jahre bis 2017 Schauspieldirektor am Theater Altenburg Gera.
Der Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich
Thomas Kemmerich war bereits Ministerpräsident in Thüringen - für wenige Tage und ohne Kabinett. Die Wahl des FDP-Politikers mit Stimmen von AfD, CDU und FDP sorgte bundesweit als Tabubruch für Empörung und löste eine Regierungskrise aus. Auf Druck, auch von der FDP-Bundesspitze, trat er zurück. Der 59-Jährige, der aus Aachen stammt, ist Unternehmer und Jurist. Seit 2015 steht er als Landesvorsitzender an der Spitze der Thüringer Liberalen. Kemmerich gehört dem Landtag an und steht für eine recht kompromisslose Oppositionspolitik. Die Bundes-FDP will Kemmerich im Wahlkampf nicht unterstützen.
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