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Schalkes falsches Spiel mit Goretzka

SPORT1-Redakteur Martin Volkmar (l.) sieht die Haltung der Schalker Führung im Fall Goretzka kritisch

Man könnte fast schon von einem traurigen Ritual sprechen: Immer wenn ein junger, hochtalentierter Spieler den FC Schalke 04 verlässt, um woanders mehr Titel zu gewinnen und auch mehr Geld zu verdienen, wird es hässlich.

Dann nämlich trifft den Abtrünnigen Volkes Zorn von der Gelsenkirchener Tribüne in voller Wucht: Pfeifkonzert, Hassgesänge, übelste Beschimpfungen - das volle Programm.

So war es schon bei den Abgängen der Eigengewächse Manuel Neuer (2011) und Julian Draxler (2015), das neueste Opfer der Schalker Gesinnungspolizisten ist Leon Goretzka.

Seit der Abschied Richtung FC Bayern am Saisonende feststeht, muss sich auch der 22-Jährige wüste Pöbeleien anhören und auf einem riesigen Plakat vor dem Spiel gegen Hannover 96 am Sonntag wurde Goretzka aufgefordert, sich sofort zu "verpissen".

Klar, der Nationalspieler hat mit seinen Aussagen im letzten Sommer, er wolle eine Vertragsverlängerung von der Entwicklung auf Schalke abhängig machen, falsche Erwartungen geweckt - denn nun ist diese Aufwärtstendenz unter Domenico Tedesco klar zu erkennen, und Goretzka geht trotzdem.

Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass es im Millionengeschäft Fußball völlig normal geworden ist, den Verein zu wechseln - aus sportlichen und natürlich auch aus finanziellen Gründen.

Diese Entwicklung kann man bedauern, aber schon lange nicht mehr rückgängig machen. Das wissen auch die Schalker Bosse, die in der Vergangenheit selbst kräftig an der Spirale mitgedreht und kleineren Klubs auch schon sehr oft Schlüsselspieler abspenstig gemacht haben.

Doch statt die Fans zur Mäßigung aufzurufen, gießen sie noch Öl ins Feuer. Das war schon bei Neuer und Draxler so und wiederholt sich nun bei Goretzka - ebenfalls ein trauriges Ritual.

So erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies wenige Stunden vor dem Spiel gegen Hannover, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Goretzka "das Trikot von Schalke 04 nicht mehr tragen" sollen. Und wenn es besser für den Verein wäre, könne es auch sein, dass der Nationalspieler "bis zum Ende der Saison auf der Tribüne sitzt".

Aussagen wie diese, die offenbar auf Tönnies' persönlicher Verbitterung über die Niederlage im Ringen um Goretzka fußen, sind populistisch und gefährlich. Denn sie dienen vielen verblendeten Anhängern als Rechtfertigung für die Attacken auf Goretzka.

Vor allem aber ist es der untaugliche Versuch, von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Schalke gelingt es seit Jahren nicht, die eigenen Toptalente langfristig zu halten - oder sie werden davongeschickt wie es etwa bei Benedikt Höwedes und Mesut Özil der Fall war.

In Max Meyer, dessen Vertrag ebenfalls im Sommer ausläuft, droht schon der Verlust des nächsten Leistungsträgers aus dem eigenen Nachwuchs. Anstatt Goretzka zum Sündenbock zu machen, sollten Tönnies und Co. ihre Hausaufgaben machen.