Ein Schauspiel der Doppelmoral

Matthias Becker, stellvertretender Chefredakteur Digital von SPORT1, kommentiert die Pressekonferenz von Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß

Es war ein schon jetzt denkwürdiger Freitagmittag in München.

Es gab schon viele Pressekonferenzen des FC Bayern, die in die Geschichte eingingen. Trapattoni, Effenberg, van Gaal - alles Legenden ihrer Zeit und heute auf YouTube immer ein Hit.

Was sich allerdings am 19. Oktober 2018 abspielte, hat es selbst beim FC Bayern noch nie gegeben.

Dass sich die gesammelte Führungsriege von Deutschlands renommiertestem und erfolgreichstem Fußballverein zu einem Rundumschlag gegen Medien, Experten und Ex-Spieler hinreißen lässt, ist beispiellos.

Die Bayern-Bosse gehen mit dieser öffentlichen Abrechnung gegen Alles und Jeden All-in. Sie setzen sich bewusst dem Risiko aus, dass dieser Auftritt als Blendgranate interpretiert wird, die vom aktuellen sportlichen Geschehen ablenken soll. Auch wenn sie betonen, dass sie sich nicht gegen Kritik im Allgemeinen verwehren, sondern nur gegen respektlosen und unwürdigen Umgang mit ihren Angestellten und ihrem Verein.

Dem Springer-Konzern und seinen Speerspitzen Bild und Sport Bild auf offener Bühne den Kampf anzusagen, mag man als Zeichen der Stärke interpretieren. Am Freitag wirkten Hoeneß, Rummenigge und Salihamidzic aber eher dünnhäutig.

Viele ihrer Argumente waren auf dünnem Eis gebaut. Zum Einstieg einer PK Artikel 1 des Grundgesetzes zu zitieren, ist schon harter Tobak. Zumal im Grundgesetz ohne blättern zu müssen auch Artikel 5 (zur Presse- und Meinungsfreiheit) zu finden ist.

Vor allem Rummenigge und Hoeneß haben ein Schauspiel der Doppelmoral aufgeführt. Mit einzelnen Beispielen eines überzogenen oder polemischen Umgangs mit ihren Spielern liegen sie ja sogar richtig. Mit der "Abteilung Attacke" haben sie in den letzten Jahren aber selbst oft genug polemisiert.

In jüngerer Vergangenheit bescheinigte Hoeneß beispielsweise Mesut Özil "seit Jahren Dreck" zu spielen, ein Foul von Karim Bellarabi an Rafinha bezeichnete er als "geisteskrank".

Hoeneß hat das am Freitagmittag auf Nachfrage unseres SPORT1-Kollegen Stefan Kumberger zwar zum Teil bedauert und relativiert, im gleichen Atemzug dann aber noch Ex-Spieler Juan Bernat heftigst an die Wand genagelt. Es blieb der Eindruck: Für die Bayern-Bosse sollen andere Maßstäbe gelten als für die Medien, die über sie berichten.

Mit der Ankündigung, dass man ja auch hauseigene Kanäle zur Kommunikation habe, offenbart sich zudem ein bedenkliches Selbstverständnis. Es ist das Sinnbild für eine schon länger laufende Entwicklung der gesamten Branche: die Presse zu umgehen und nur noch PR zu machen.

Ob das wirklich ein "großer Tag" für den FC Bayern war, wie die Führungsriege glaubt? So schnell vergessen wird ihn jedenfalls niemand.