"Emopolitics" – Wolodymyr Selenskyj und seine Kommunikationsstrategie

"Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit". Mit diesen Worten reagierte der ukrainische Präsident Wolodymir Selenskyj auf das Asylangebot der USA. Wenige Tage zuvor war Russland in die Ukraine einmarschiert.

Ohne ausreichend Soldaten und Waffen brauchte Selenskyj Verbündete, um dem Angriff Moskaus etwas entgegenzusetzen. Er entwickelte eine Medienstrategie, soziale Netzwerke und klassische Medien im Sinne der angegriffenen Ukraine zu nutzen.

Die ehemalige Präsidentin der spanischen Gesellschaft für politische Kommunikation, Verónica Fumanal, unterstreicht den Erfolg von Selenskyjs Strategie: "Der Wandel der Verteidigungspolitik in so wichtigen Ländern wie Deutschland, Spanien, den USA oder gar auf der Ebene supranationaler Organisationen wie der Europäischen Union, von wo erstmals Waffen in einen kriegerischen Konflikt geliefert wurden... Ich glaube, das zeigt die Effektivität von Selenskyjs Kommunikationsstrategie."

Vogue-Auftritt passt ins Bild

Bei verschiedenen medialen Ereignissen war Selenskyj dabei, vom Nato-Gipfel bis hin zu den Filmfestspielen von Cannes oder den Grammy Awards. Fachleuten zufolge gelingt es ihm so, den Krieg in den Medien präsent zu halten.

Ende Juli waren Selenski und seine Frau in einem Artikel des Magazin Vogue abgebildet. Das sorgte für Kritik in sozialen Netzwerken. Für Fumanal passt es aber genau in die Strategie: "Die umstrittenen Fotos haben das Thema wieder angeheizt, in die Öffentlichkeit zurückgebracht und daran erinnert, dass Putin die Ukraine überfallen hat. Es ist also Teil einer wunderbaren durchdachten Kommunikationsstrategie mit einem klaren Ziel, nämlich dass wir nicht vergessen sollten, dass zum Beispiel sechs Stunden von Madrid entfernt ein Krieg stattfindet."

Aufmerksamkeit in dramatischen Situationen

Experten bezeichnen Selenskyjs Taktik als "emopolitics". Ein Modell, das eher auf Gefühle als auf Logik setzt. Eva Aladro, Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Complutense in Madrid, verweist dabei auf Videos, die Ukrainer im Netz teilen und nennt als Beispiel die Eroberung der Schlangeninsel, die ein Symbol für die Verachtung Moskaus war. "Es zeigt, wie das Modell in sehr dramatischen Situationen eingesetzt wird, um Aufmerksamkeit zu erregen", so Aladro. "Ganz zu schweigen von den hunderten Videos, in denen wir sehen, wie die ukrainischen Bürger uns die Massaker des Krieges zeigen."

In einer Welt hybrider Kriegsführung, in der Kommunikation Sympathien erzeugen und zugleich den Gegner diskreditieren soll, hat die Ukraine eine effektive Medienstrategie entwickelt. Für Fachleute ist es das erste Mal, dass Medien und soziale Netzwerke so effektiv zur Erzeugung von Empathie und Unterstützung genutzt werden.