Erziehungsexpertin - Katia Saalfrank verrät den Schlüssel, mit dem Kinder ein glückliches Leben führen

Wie Eltern ihren Kindern den Schlüssel zum Lebensglück schenken können<span class="copyright">Getty Images</span>
Wie Eltern ihren Kindern den Schlüssel zum Lebensglück schenken könnenGetty Images

Alle Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder zu glücklichen Erwachsenen heranwachsen. Welche Voraussetzungen Kinder dafür brauchen und wie Eltern ihnen dieses Glück schenken können, erklärt die Pädagogin und Familienexpertin Katia Saalfrank.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Die Reise zur glücklichen Eltern-Kind-Beziehung“ von Pädagogin und Bestseller-Autorin Katia Saalfrank, erschienen im Beltz-Verlag .

Alle Menschen, große und kleine, haben Grundbedürfnisse. Um zu überleben, müssen diese zu einem Mindestmaß erfüllt sein. Dabei kann man zwischen körperlichen und emotional-seelischen Bedürfnissen unterscheiden. Zu den körperlichen Grundbedürfnissen zahlen zum Beispiel Essen, Trinken und Schlafen. Relevant für das Lesen des Verhaltens unserer Kinder sind jedoch die emotional-seelischen Bedürfnisse, die für uns meist – im Gegensatz zu den körperlichen – nicht so greifbar sind.

Sie gilt es kennenzulernen, mehr über sie zu erfahren und uns ihrer bewusst zu werden. So können wir nach und nach in Verbindung mit uns selbst immer besser die ursächlichen Gründe für das Verhalten unserer Kinder verstehen.

 

Die psychischen Grundbedürfnisse

Unseren Gefühlen liegen verschiedene emotionale Grundbedürfnisse zugrunde. Wir wissen heute aus der Psychologie und Psychotherapie, wie wichtig es ist, dass Menschen einen guten Zugang zu ihren emotionalen Grundbedürfnissen und deren Erfüllung haben.

Als Erwachsene haben wir bereits Strategien entwickelt (gesunde und weniger gesunde) und sind selbst verantwortlich dafür, unsere emotionalen Bedürfnisse zu stillen und für ein ausreichendes Gleichgewicht zu sorgen. Je besser der Zugang zu unseren Bedürfnissen ist und umso mehr wir gelernt haben, auf uns selbst zu achten, die Grundbedürfnisse zu erfüllen oder eine Schieflage angemessen auszugleichen, desto glücklicher und gesünder können wir in unserem Leben sein.

Kinder können das noch nicht selbst. Es ist unsere Aufgabe als Eltern, immer wieder nachzuspüren, welche emotionalen Bedürfnisse hinter einem Verhalten liegen, sie zu verstehen und entsprechend darauf zu reagieren. So, wie Essen, Trinken und Schlafen die wichtigsten körperlichen Grundbedürfnisse sind, sind die wichtigsten psychischen Grundbedürfnisse Sicherheit, die Sehnsucht nach Verbindung, also dem Verbundensein, und das Streben nach Autonomie und Selbstwirksamkeit. Ich nenne sie Basis-Grundbedürfnisse.

An dieser Stelle wurde eine längere Passage ausgelassen, die im Buch zu finden ist.

Die Selbstregulation als Schlüssel zum Lebensglück

Der Zugang zu diesen emotionalen Bereichen, die Verbindung zu diesen Grundbedürfnissen, wird in der Kindheit gelegt. Nämlich dann, wenn wir Eltern unsere Kinder in ihren emotionalen Grundbedürfnissen sehen und erkennen und diese zunächst für sie erfüllen können. Ziel ist es, dass Kinder im Laufe des Erwachsenwerdens im Kontakt zu ihren engsten Bindungs- und Bezugspersonen im Rahmen einer tragfähigen, liebevollen Beziehung gesunde und konstruktive Strategien dafür entwickeln, sich ihr Bedürfnisglas immer wieder aufzufüllen.

Die Selbstregulation ist also eine der wichtigsten Funktionen in unserem Leben. Sie entsteht in den ersten drei Lebensjahren. Wie gut wir diese Fähigkeit entwickeln können, hängt von der Qualität von Bindung und Kontakt mit unseren Bezugspersonen ab. Als Selbstregulation bezeichnet man die Fähigkeit,

  • sich bei emotionaler innerer Erregung selbst zu beruhigen,

  • sich zu erholen und zu entspannen,

  • die Aufmerksamkeit zu richten und zu halten,

  • Impulse zu fühlen, zu kontrollieren und gegebenenfalls zurückzustellen,

  • mit Frustrationen umzugehen und

  • Absichten zu verwirklichen und Ziele zu verfolgen.

Je besser wir die Fähigkeit zur Selbstregulation entwickelt haben, desto glücklicher sind wir in allen Lebensbereichen, denn von der Stärke der Selbstregulation hängt ab, wie stressresistent wir sind, wie gut wir Impulse regulieren können und wie stark wir auf stressige Reize reagieren. Eine gute Selbstregulation zu haben bedeutet, mit einem Grundgefühl von Selbstbestimmtheit und Autonomie, Zuversicht, Neugier und Freude in die Welt zu gehen.

Nur wenn ein Kind seine emotionalen Grundbedürfnisse in Verbindung mit dem entsprechenden Gefühl kennenlernen, sie wahrnehmen durfte, gelingt Selbstregulation, und das Kind kann sich als Erwachsener selbst regulieren und emotional satt machen. Somit wird Selbstregulation der Schlüssel zum Lebensglück.

Wie Eltern ihren Kindern den Schlüssel zum Lebensglück schenken können

Um die Fähigkeit zur Selbstregulation gut auszubauen, benötigen Kinder in den ersten drei Jahren einen anderen Menschen, im besten Fall die engste Bezugsperson, die ihnen hilft, Erfahrungen mit sich zu machen und ein inneres Instrument zu entwickeln, welches zunächst durch die Bezugsperson, später dann durch das Kind selbst reguliert werden kann. Kinder sind zunächst darauf angewiesen, dass ihre Eltern beziehungsweise ihre engsten Bindungs- und Bezugspersonen in den ersten Jahren bei der Regulation unterstützen und begleiten, sie also co-regulieren.

Ziel bei der Co-Regulation durch die Eltern ist, dass Kinder vielfältige Erfahrungen mit Stresssituationen, Impulsen und Bedürfnissen machen können und die Fähigkeit zur gesunden Selbstregulation erlangen.

Diese Fähigkeit entsteht im Laufe einer sicheren Bindungsbeziehung, die sich dadurch auszeichnet, dass Eltern zugewandt und bemüht sind, in einer konsistenten, lebendigen Wechselbeziehung die Bedürfnisse des Kindes nach Augen- und Körperkontakt, im Spiel und insgesamt in einem feinfühligen, Sicherheit gebenden und liebevollen Umgang und Kontakt zur Verfügung zu stellen.

 

Auch Konflikte gehören zum Familienleben dazu

Ich erlebe häufig, dass Eltern große Sorge haben, dass ihre Kinder unsicher gebunden sein könnten, wenn sie als Eltern eigene Bedürfnisse spüren und/oder es Konflikte mit den Kindern gibt. Das ist ein Irrtum, denn Enttäuschungen und Konflikte lassen sich nicht vermeiden. Sie gehören zum Familienleben mit dazu – auch Verletzungen und Grenzüberschreitungen sind Teil von Beziehungen.

So erleben auch Kinder in einer sicheren elterlichen Bindung Auseinandersetzung, Konflikte und Bindungsunterbrechungen. Genau dann nämlich, wenn sich Eltern um Wiedergutmachung bemühen, indem sie die Verbindung wieder aufnehmen und den kurzzeitig entstandenen Mangel entsprechend ausgleichen, erfahren Kinder, dass Konflikte keine verheerende Wirkung haben, sondern gelöst werden können, dass sie ernst genommen und gesehen werden und dass nach einem Streit auch wieder Verbindung entstehen kann.

Das ist die Grundlage für eine sichere Bindung. Die Sorge von Eltern, ihre Kinder möglichst nicht zu enttäuschen, Streit aus dem Weg zu gehen und so eine sichere Bindung nicht zu gefährden, ist also nicht nur unbegründet, sondern sogar gegenläufig zu dem, was Kinder brauchen. Kinder sind angewiesen darauf, Konflikt- und Problemlösestrategien zu erfahren. Diese in einer sicheren Bindungsbeziehung erleben zu dürfen, stellt einen guten Rahmen dar.