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Schlagabtausch im ZDF: Wie Maybrit Illner AfD-Vize Gauland entzauberte

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So spannend war eine Talkshow selten. „Hass auf die Politik – Gefahr für die Demokratie?“, fragte Maybrit Illner am Donnerstagabend im ZDF. Eingeladen hatte sie unter anderem AfD-Vize Alexander Gauland und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Das besondere: Gauland und Maas mussten zwischenzeitlich die Diskussionsrunde verlassen und sich an einem Stehtisch einen direkten Schlagabtausch liefern. Das hatte Unterhaltungswert.

Gauland allerdings, hätte sich wohl besser nicht darauf eingelassen. Denn der 75-Jährige machte alles andere, als eine gute Figur. Gleich mehrfach musste sich der Politiker von Illner an seine eigenen Worte erinnern lassen. Doch dazu später.

Zunächst konnte man staunend verfolgen, wie Gauland erklärte, dass die AfD mal wieder missverstanden wurde. So sei der Satz von AfD-Chefin Frauke Petry, man müsse den Begriff “völkisch“ positiv besetzen, kein Versuch gewesen, Beifall vom rechten Rand zu bekommen, sondern es sei Petry ein Anliegen gewesen „die Geschichte des Begriffs darzustellen.“ Frau Petry als Linguistin. Wir dürfen gespannt sein, wenn Petry in ihrem nächsten sprachwissenschaftlichen Pro-Seminar versucht, die Worte „Konzentrationslager“ oder „Endlösung“ positiv zu besetzen.

Ähnlich verteidigte Gauland die Herrenmenschen-Phantasien seines Parteifreundes Björn Höcke, der gern vom „Tausendjährigen Reich“ schwärmt. Höcke habe nicht von Hitlers „Tausendjährigem Reich“ gesprochen, sondern den Begriff vor dem Dom in Erfurt erwähnt und „damit deutlich gemacht, dass wir auf unsere Geschichte stolz sein können.“ Merke: Nazivokabular vor dem Erfurter Dom kann kein Nazivokabular sein, weil es ja vor dem Erfurter Dom verwendet wurde. Man muss wohl AfD-Anhänger sein, um dieser Logik folgen zu können.

Eine der unangenehmsten Eigenschaften dieser Truppe ist das triefende Mitleid mit sich selbst. Dieses austeilen, aber nicht einstecken können. Politische Gegner beleidigen, sich aber bei Gegenwind in der Schmollecke verkriechen. Provozieren, zurückrudern, abstreiten. Bei Illner funktionierte diese Methode nicht.

Beispiel eins: „Wie kann man in einer Diktatur eigentlich Politik machen?“, fragte Illner Gauland. Der hatte Wochen zuvor bei Anne Will noch abgestritten, jemals von „Kanzlerinnendiktatur“ gesprochen zu haben. Daraufhin präsentierte Will einen Filmeinspieler, indem Gauland sagte: „Merkel ist eine Kanzlerdiktatorin.“ Gestern erklärte Gauland nun, er habe keine Urheberrechtsverletzung begehen wollen, weil Höcke das Wort als erster gebraucht hatte. Schon klar.

Beispiel zwei: „Warum glauben Sie, dass Deutschland dem Untergang geweiht ist, nachdem wir 890.000 Menschen aufgenommen haben?“, fragte Illner. Gauland: „Ich habe nirgendwo gesagt, dass diese Nation dem Untergang geweiht ist.“ Illner zitierte ihren Gast mit diesen Worten: „Nicht zu Unrecht werden in diesen Tagen die Bilder vom Untergang des weströmischen Reiches aufgerufen, als die Barbarenstämme den Limes überrannten.“ Gauland: „Das ist etwas ganz anderes.“

Beispiel drei: „Gauben Sie wirklich, dass Merkel plant, dieses Volk vollständig umzukrempeln?“, fragte Illner. Gauland: „Von umkrempeln habe ich nie gesprochen.“ Illner: „Doch, am 2. Juni.“

Für AfD-Gegner ist Gauland ein Geschenk Gottes. Bis heute unerreicht ist seine Reaktion auf die Proteste nach Äußerungen über den deutschen Fußballnationalspieler Jérome Boateng („So einen will man ungern als Nachbarn haben.“). Er habe gar nicht gewusst, dass Boateng eine dunkle Hautfarbe hat, so Gauland. Das hat Comedy-Charakter.

Seine Fans werden sich von solchen intellektuellen Kapriolen nicht abschrecken lassen. Aber diese Leute glauben auch, dass sie das christliche Abendland bewahren, indem sie Besucher eines christlichen Gottesdienstes in Dresden als „Stinktiere“ beschimpfen. Selbst als Atheist hilft dagegen nur ein Gebet: Herr schick Hirn.

Autor: Frank Brunner

Foto: Screenshot ZDF

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