Schlechtester Wert seit sechs Jahren - Grüne fahren fatale Umfrageergebnisse ein – Forsa-Chef erklärt, warum
Um die Grünen steht es schlecht - jedenfalls, wenn man sich die Wahlumfragen anschaut. In vielen aktuellen Erhebungen kommen sie nur noch auf rund zehn bis 13 Prozent. Forsa-Chef Manfred Güllner ist nicht überrascht und analysiert schonungslos die Gründe für die Grünen-Krise.
Elf Prozent bei Insa, zwölf Prozent bei der Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung (GMS) und elf Prozent bei Forsa: Wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, hätten die Grünen wohl wenig zu lachen.
Die Umfragewerte sind miserabel. Seit Wochen häufen sich Meldungen vom „bitteren Absturz“ der Partei, „Rekordtiefs“ und einer Unbeliebtheit, so groß „wie seit Jahren nicht mehr“ .
Für manche mag die Feststellung überraschend daherkommen, aber: Bis vor einigen Monaten sah es tatsächlich ganz gut aus für die Grünen.
Bei der Bundestagwahl 2021 fuhr die Partei, die für Klimaschutz, eine wertegeleitete Außenpolitik und Geschlechtergerechtigkeit steht, trotz Kritik an der damaligen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock solide 14,7 Prozent der Stimmen ein.
Grüne im Umfragetief: Ab 2023 setzte der Abwärtstrend ein
Dieses Niveau konnten die Grünen in Umfragen lange halten oder sogar verbessern, obwohl es immer wieder zu Unmut in der Bevölkerung kam. Zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Heizungsgesetz oder, weil sie sich regelmäßig mit ihren Koalitionspartnern stritten.
Ab 2023 setzte dann - langsam, aber doch erkennbar - in vielen Umfragen ein Abwärtstrend ein. Im Herbst passierten die Werte bei Forsa schließlich einen kritischen Punkt.
„Seitdem liegen die Grünen unter oder nur knapp an dem Anteil, den sie bei der letzten Bundestagwahl 2021 erhielten“, sagt Manfred Güllner, Chef des Umfrageinstituts und SPD-Mitglied, im Gespräch mit FOCUS online. Die elf Prozent, auf die die Klimapartei in den aktuellsten Forsa-Erhebungen kommt, ordnet er als „ihren schlechtesten Wert seit April 2018“ ein.
Für die Grünen dürfte das ein Alarmsignal sein. Das zweite innerhalb kürzester Zeit. Schon bei der Europawahl im Juni 2024 kamen sie nur noch auf 11,9 Prozent der Stimmen. Ein paar Wochen später tauschten sich die Parteichefs bei einer Videoschalte mit der Basis aus, um Lehren aus den schlechten Wahlergebnissen zu ziehen.
Forsa-Chef: „Sorgen der Menschen sind für die Grünen zweitrangig“
Zwei Erkenntnisse, die die „Tagesschau“ herausgearbeitet hat, lauten: „Pessimisten gewinnen keine Wahlen“ und „Die Menschen haben berechtigte Sorgen - und das Gefühl, dass wir an diesen vorbeireden“.
Forsa-Chef Güllner glaubt nicht, dass es sich dabei nur um ein Gefühl handelt. „Die Sorgen, mit denen die Menschen im Alltag zu tun haben – teure Energie, hohe Inflation, kaum bezahlbare Wohnungen – das ist für die Grünen zweitrangig“, sagt er.
Seiner Meinung nach gelingt es der Partei immer weniger, das bürgerliche Milieu zu erreichen. Was bedeutet, dass die Grünen-Wählerschaft auf ihren harten Kern zusammenschrumpft - also jene Wertegemeinschaft, die der Partei „schon immer die Treue gehalten hat und sie ihnen auch weiter halten wird“.
Wer sich entsprechende Analysen - zum Beispiel von der Bundeszentrale für politische Bildung - anschaut, weiß: Grünen-Wähler leben in der Regel im städtischen Raum, haben einen hohen Bildungsabschluss, sind meist weiblich, wohlhabend und idealistisch. Güllner nennt das knapp: „privilegiert“.
„Eindruck, die Grünen befänden sich auf dem Weg zur Volkspartei, ist verflogen“
Für den Forsa-Chef steht fest: „Der Eindruck, die Grünen befänden sich mit einem pragmatischen Politikstil auf dem Weg zu einer Volkspartei, ist im Laufe der Regierungszeit der Ampel schnell verflogen.“
Vielmehr dominiere in seinen Augen inzwischen ein anderes, altbekanntes und bei den Grünen nicht gerade beliebtes Bild. „Sie werden zunehmend wieder als eine Verbotspartei wahrgenommen, die ihre elitären Werte allen anderen aufzwingen will.“
Den Grünen selbst sind ihre miserablen Umfragewerte bewusst. Heiko Kopf, stellvertretender Bundesvorsitzender, erklärt in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber FOCUS online: „Umfragen sind keine Wahlen. Dennoch können wir mit den Zahlen nicht zufrieden sein.“
Grüne sehen Ampel-Streit als Grund für Umfragetief
Interessant ist indes der Grund, den die Grünen für ihre sinkende Beliebtheit ausgemacht haben. Kopf schreibt, den Menschen in Deutschland sei es wichtig, „dass sich die Regierung um die Probleme des Landes kümmert“.
Das tut die Ampel laut dem Vize-Bundesvorsitzenden an vielen Stellen auch. Allerdings bleibe „im Gesamtbild der Streit hängen. Das muss besser laufen.“ Von eigenen politischen Versäumnissen steht nichts in der Stellungnahme.
Kopf erklärt nur: „Eine verlässliche und sachliche Politik schafft Vertrauen. Das heißt zum Beispiel: Geld in die Hand nehmen für eine moderne Infrastruktur und eine starke Wirtschaft, für gute Schulen und eine nachhaltige Entwicklung.“
Wie viel Vertrauen die Grünen mit ihrer Politik schaffen konnten, wird sich bei den Landtagswahlen im Osten zeigen, die Anfang September anstehen. Konkret: in Brandenburg, Sachsen und Thüringen.
Grüne im Osten „nie in breiteren Wählerschichten verankert“
Für die Klimapartei könnte es das nächste große Fiasko nach der Europawahl werden. Vor allem CDU und AfD schneiden in Erhebungen gut ab, ein Gros der Befragten würden sich für eine der beiden Parteien entscheiden, wenn nächsten Sonntag Landtagswahl wäre.
Die Ampel-Koalitionäre - und somit auch die Grünen - können mit den Werten von AfD und CDU kaum mithalten. In Sachsen und Thüringen kamen FDP, SPD und Grüne zuletzt gemeinsam auf gerade einmal zwölf Prozent, wie Daten, die das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) aufbereitet hat, zeigen.
Forsa-Chef Güllner ist nicht überrascht. „Im Osten des Landes waren die Grünen - mit Ausnahme des 'Bündnis 90' zu Zeiten der Wiedervereinigung - nie in breiteren Wählerschichten verankert.“
Seiner Ansicht nach gibt es dafür einen klaren Grund: „Die in der westdeutschen Wohlstandsgesellschaft von ihnen gebündelten postmaterialistischen Werte finden bis heute in den neuen Ländern keine Akzeptanz“, sagt Güllner. Als Beispiele für solche „Werte“ nennt er Gendern oder die Überbetonung von Arten- und Minoritätenschutz.
Güllner glaubt, dass Grüne nur schwer über Kernwählerschaft hinauskommen werden
In Ostdeutschland, so erklärt es der Wahlforscher, waren die Resultate der Grünen bei den Wahlen ab 1994 außerdem „schon immer deutlich schlechter als in den alten Ländern“. Das liege auch daran, dass es das typische westdeutsche Großstadtmilieu, das die Grünen bedienen, im Osten der Republik kaum gibt - allenfalls in Universitätsstädten wie Dresden oder Leipzig, so Güllner.
Die Grünen geben sich weiterhin entschlossen. Sie wollen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen „um jede Stimme kämpfen“, schreibt Vize-Bundesvorsitzender Kopf. Er spricht auch von einer „Politik der Modernisierung und des Miteinanders“, für die sich seine Partei einsetze.
Ob diese „Politik der Modernisierung“ letztlich bei den Ostdeutschen ankommt oder eher als „Politik der Zumutungen“ wahrgenommen wird, wird sich im September an den Wahlurnen zeigen.
Forsa-Chef Güllner glaubt, dass es den Grünen durch ihr Agieren in der Ampel schwerfallen dürfte, in Zukunft wieder neue Wählerschichten an sich zu binden. Nicht nur bei den Landtagswahlen und der Bundestagswahl, sondern auch danach.