Schlussspurt im Rennen um K-Kandidatur - Merz oder Söder als K-Kandidat? So verzwickt ist die Lage in der Union wirklich
Friedrich Merz und Markus Söder wollen demnächst entscheiden, wer als Kandidat der Union ins Rennen um das Kanzleramt geht. Eigentlich scheint alles klar. Eigentlich.
Wer Friedrich Merz beobachtet, könnte meinen, die Entscheidung über die K-Frage der Union sei längst gefallen. Im Bundestag fordert der CDU-Vorsitzende Olaf Scholz in Redeschlachten heraus, beim Thema Migration versucht er die Offensive.
Öffentlich lässt Merz durchblicken, wie die Union Koalitionen ausloten will, sollte sie die nächste Bundestagswahl gewinnen. Der SPD-Kanzler scheint den Chef der größten Oppositionsfraktion als wichtigsten Herausforderer ausgemacht zu haben - und lässt sich von Merz zu persönlichen Attacken hinreißen.
Doch so einfach ist es in der Union nicht. Merz und der mächtige CSU-Vorsitzende Markus Söder haben vereinbart, im Spätsommer die Frage zu klären, wer für die Union versuchen soll, Scholz nach nur vier Jahren aus dem Kanzleramt zu vertreiben und die Ampel-Regierung zu beenden.
Merz werden beste Chancen zugesprochen
Am kommenden Sonntag ist nicht nur Landtagswahl in Brandenburg. Es ist auch Herbstanfang. Im unionsinternen Rennen um die Kanzlerkandidatur läuft also endgültig der mit Spannung erwartete Schlussspurt.
Hört man sich in Berlin in der Union um, gibt es kaum jemanden, der glaubt, dass sich Merz die Kandidatur noch streitig machen lassen würde. Qua Amt werden ihm beste Chancen zugesprochen: In der CDU sitzt er fest im Sattel.
Dem 68-Jährigen wird zugutegehalten, dass er die Partei nach dem Machtverlust 2021 und dem Ende der Ära von 16 Jahren Kanzlerin Angela Merkel wieder aufgerichtet und inhaltlich neu aufgestellt hat.
Auch in der Unionsfraktion wird dem Sauerländer großer Rückhalt bescheinigt – anders als 2021 dem damaligen CDU-Chef und später gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet.
Söder hält sich für einen geeigneten Kandidaten
In der Union rechnen sie mit einer zeitnahen Lösung der K-Frage. Merz und Söder würden ihren Parteigremien einen einvernehmlichen Vorschlag vorlegen, heißt es in CDU-Kreisen.
Bei den Christdemokraten gebe es viel Unterstützung für Merz, ebenso in der CSU. Die Entscheidung werde mit großem gemeinsamem Respekt auch unter Einbeziehung der CDU-Landesvorsitzenden fallen. Zu ihnen gehört auch der lange als möglicher Kandidaten gehandelte nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst. Der hat am Montag allerdings seinen Verzicht und die Unterstützung für Merz erklärt.
Dass sich Söder nach wie vor für einen überaus geeigneten Kandidaten hält, hat der bayerische Ministerpräsident nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Anfang September mehrfach öffentlich deutlich gemacht.
„Aber es ruft keiner“, heißt es lakonisch
Auch wenn von Söder selbst und in der CSU immer betont wurde, dass Merz der Favorit sei. Auf einem Volksfest sagte der 57-Jährige vor jubelnden Anhängern im Bierzelt: „Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen.“
Im ZDF erklärte er wenig später, er sei bereit, die Ampel-Koalition abzulösen, „ob als Ministerpräsident oder Kanzlerkandidat“. Auch in der CSU wurde aufmerksam registriert, dass der ehrgeizige Franke zeitweise keine Möglichkeit ausließ, seine Bereitschaft zur Kandidatur zu betonen – um es höflich zu formulieren.
Merz lässt solche Äußerungen aus dem Süden der Republik an sich abperlen. In der CDU wurden Söders Vorstöße von Anfang des Monats als Versuche gesehen, auszuloten, ob er nicht doch noch aus den Reihen der großen Schwesterpartei gerufen werde.
„Aber es ruft keiner“, heißt es lakonisch. Zu tief sitzt noch der Ärger über den Machtkampf Söders mit Laschet, den der mächtige Bayer 2021 mit immer neuen Sticheleien vorangetrieben hatte.
Die Hoffnung nicht ganz aufgegeben
Zwar gehen auch bei den Christsozialen eigentlich alle davon aus, dass Merz sich die Kanzlerkandidatur nicht nehmen lassen wird. Die Sache sei faktisch längst entschieden, heißt es.
Dennoch dürfte Söder die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben haben - in dieser Woche könnte er bei einer CSU-Klausur in Bayern womöglich zum letzten Mal die Werbetrommel für sich rühren.
Und natürlich dürfte er Umfragen genau studieren, in denen er in der K-Frage vor Merz liegt. Aber was nützt es ihm? Vermutlich nichts. Zumal es auch andere Umfragen gibt, in denen Merz oder sogar Wüst die Nase vorne hatten.
Söder dürfte zweierlei treiben: Er will keinen Zweifel aufkommen lassen, dass es – aus seiner Sicht – nur die Wahl zwischen Merz und ihm gibt. Sollte also Merz aus irgendwelchen Gründen stolpern oder ausfallen, so will Söder der einzig denkbare Ersatzkandidat sein.
Das dürften sie in der CDU anders sehen. Dort setzten viel auf den nun aus dem Rennen ausgestiegenen Wüst. Der 49-Jährige gilt vielen bei den Christdemokraten ohnehin als eine Art Kronprinz, sollte Merz Kanzler werden und nach vier Jahren nicht weitermachen wollen.
Für Merz ist die Lage nicht trivial
Zum Zweiten aber dürfte Söder die Preise hochtreiben wollen: Wenn Merz Kanzlerkandidat und am Ende möglicherweise Kanzler wird, soll er das Söder und der CSU teuer bezahlen müssen. Mit wichtigen Ministerien, gar einem Vorschlagsrecht fürs Bundespräsidentenamt? Es wird schon wild spekuliert in der CSU.
Für Merz ist die Lage nicht trivial: Er weiß um die Ambitionen Söders. Doch einsame Entscheidungen des CDU-Vorsitzenden lässt die verzwickte Lage in der Union nicht zu. Merz muss Söder so gut es geht einbinden und auf Augenhöhe begegnen.
Der CDU-Vorsitzende kann sich kaum einen frustrierten CSU-Chef leisten, der trotz gegenteiliger Beteuerungen mit seiner CSU nur halbherzig für den gemeinsamen Erfolg kämpft.
Die Gefahr allerdings wird in beiden Parteien gemeinhin als gering angesehen: Beide Unions-Granden wissen, dass sie beim Projekt Regierungsübernahme aufeinander angewiesen sind.
Und Fakt ist auch: Mit einem Kanzlerkandidaten Merz könnte die CSU letztlich gut leben: Merz steht der CSU politisch sehr nahe, er wird geachtet - ganz anders als damals Laschet.
Söder wäre erster CSU-Kanzler
Auch wenn Merz und Söder empört zurückweisen dürften, ein anderes Ziel als das Wohl Deutschlands im Sinn zu haben: Würde Söder Kanzler, wäre er der erste CSU-Politiker in dem Amt. Das hatte selbst der legendäre Franz Josef Strauß nicht geschafft.
Und Edmund Stoiber war bei der Bundestagswahl 2002 knapp gegen den damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder gescheitert. Merz wiederum wäre der erste Vorsitzende in der Geschichte der Bundesrepublik, der es geschafft hat, seine Partei nach nur vier Jahren in der Opposition wieder zurück ins Kanzleramt zu führen. Ein Eintrag in die Annalen der Union wäre ihm sicher.
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