Kamala Harris oder offene Konkurrenz? - Welche Risiken die Demokraten bei der Kandidaten-Wahl jetzt im Auge behalten müssen

Als aussichtsreichste Ersatzbewerberin vor der Abstimmung im November gilt die von Biden und zahlreichen weiteren Parteigrößen unterstützte gegenwärtige Vizepräsidentin Kamala Harris.<span class="copyright">Stephanie Scarbrough/AP/dpa</span>
Als aussichtsreichste Ersatzbewerberin vor der Abstimmung im November gilt die von Biden und zahlreichen weiteren Parteigrößen unterstützte gegenwärtige Vizepräsidentin Kamala Harris.Stephanie Scarbrough/AP/dpa

Nach dem Ausstieg von US-Präsident Joe Biden aus dem Präsidentschaftswahlkampf wird es spannend. Einerseits haben die Demokraten die Gelegenheit, Wähler wieder für sich zu gewinnen, andererseits kann sich der Prozess der Kandidatenaufstellung in einer Weise entwickeln, die die Demokraten schwächt.

Wie offen ist der Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahl nach dem Ausscheiden von Biden?

Nachdem es vergangene Woche so schien, als ob niemand mehr Donald Trump und die Republikaner werde stoppen können, dürfte das Rennen nunmehr wieder offen sein. Alles kommt jetzt darauf an, wie geschickt die Demokraten vorgehen und ob sie es schaffen, eine Person zu nominieren, die einerseits kompetent und beliebt ist und die andererseits nicht die Partei spaltet.

Wichtig ist dabei, welches Verfahren gewählt wird: entweder scharrt sich die Partei gleich hinter Kamala Harris oder es beginnt eine offene Konkurrenz mit vielen Bewerbern. Beide Verfahren enthalten Risiken.

Welche Risiken bestehen bei einer schnellen Entscheidung zugunsten der Vizepräsidentin Kamala Harris?

Der Vorteil einer schnellen Einigung auf Kamala Harris wäre der Eindruck der Geschlossenheit der Demokratischen Partei. Das ist durchaus ein wichtiger Aspekt, der viele Demokraten derzeit dazu bringt, schon vor dem Nominierungsparteitag im kommenden Monat auf die Vizepräsidentin zu setzen.

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Dagegen spricht, dass sie wenig politisches Profil besitzt, dass ihre Wahlkampagne während der Vorwahlen im Jahr 2020 nach Aussagen aller Beobachter eine mittlere Katastrophe war und dass sie als Vizepräsidentin nichts vorzuweisen hat.

Was besonders gegen sie spricht ist ihr völliges Versagen angesichts der massiven illegalen Migration. Seit 2021 ist die Zahl der illegalen Migranten sprunghaft angestiegen, teilweise bis zu 7.000 Personen pro Tag. Das ist heute eines der zentralen Wahlkampfthemen in den USA und treibt den Republikanern Wähler in Scharen zu.

Im Jahr 2021 hatte Präsident Biden seine Stellvertreterin damit beauftragt, sich um das Problem zu kümmern. Außer einigen Besuchen in Grenzregionen ist nichts dabei herausgekommen. Das ist ihr größter Schwachpunkt.

Welche Risiken bestehen bei einer offenen Konkurrenz?

Das größte Risiko besteht darin, dass sich die unterschiedlichen Strömungen der Partei in Kandidaten spiegeln, die erbittert gegeneinander kämpfen und die Demokraten in den Augen der Wähler als zerrissene Partei zurücklassen. Dieses Risikos sind sich die meisten Kandidaten bewusst und sie werden versuchen, diesen Eindruck zu vermeiden. Aber die Dynamik derartiger Vorwahlkämpfe lässt sich nicht immer steuern.

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Ein weiteres Risiko ist, dass die Demokraten einen Kandidaten oder eine Kandidatin aufstellen, der oder die kompetent ist (etwa etwa Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien), aber deren nationaler Bekanntheitsgrad nicht sehr hoch ist. Immerhin gilt es, sich gegen den allseits bekannten Donald J. Trump durchzusetzen.

 

Was würden Sie den Demokraten empfehlen?

Mir scheint es am sinnvollsten zu sein, ein offenes, aber von der Anzahl der Bewerber her begrenztes Verfahren einer schnellen Vorwahl anzustreben. Wenn es nur drei oder vier Bewerber oder Bewerberinnen gibt, die in den kommenden Wochen die Gelegenheit haben, sich zu profilieren (ohne sich gegenseitig zu zerstören) und wenn es ein geregeltes und transparentes Verfahren gibt, um Ende August einen Präsidentschaftskandidaten zu präsentieren, dann haben die Demokraten eine Chance, diese Wahl zu gewinnen.

Ihr bester Wahlkämpfer ist immer noch Donald Trump, denn er mobilisiert nicht nur seine Anhänger, sondern vor allem die schweigende Mehrheit der Amerikaner, die ihn wegen seiner narzisstischen Persönlichkeit, seiner Offenheit für Rechtsextremisten und seiner populistischen Parolen ablehnen, von denen kaum eine in die Wirklichkeit umgesetzt werden kann.

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Diese Mehrheit hat im Jahr 2020 die Wahl entschieden, als mehr Menschen an die Urnen gegangen sind als je zuvor.

Dieses Phänomen kann sich wiederholen, wenn es den Demokraten gelingt, eine Person aufzustellen, die kompetent und integer erscheint und hinter der eine geschlossene Partei steht.