Scholz fordert bei Indien-Besuch klare Haltung im Ukraine-Krieg
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat bei seinem Indien-Besuch eine klare Haltung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gefordert. Die Verletzung des Grundsatzes, keine Grenzen mit Gewalt zu verschieben, müsse klar benannt werden, sagte Scholz am Samstag in Neu Delhi. Premierminister Narendra Modi betonte seinerseits die Konfliktlösung durch Diplomatie. Mit Blick auf eine angestrebte vertiefte Kooperation mit Deutschland hob er den Verteidigungsbbereich hervor.
Der Krieg sei auch "vor allem eine große Katastrophe", weil Russland den internationalen Grundsatz verletzt habe, "dass man nämlich nicht mit Gewalt Grenzen verschiebt", sagte Scholz nach einem Treffen mit Modi in der indischen Hauptstadt. "Und insofern ist es sehr wichtig, dass wir auch in den Vereinten Nationen immer wieder ganz klare Feststellungen zu diesem Thema gefunden haben."
Indien ist im Energie- und Rüstungsbereich stark von Russland abhängig. Das Land hat bisher den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht verurteilt. Am Donnerstag enthielt es sich erneut bei einer Abstimmung der UN-Vollversammlung über eine Resolution, die den Abzug der russischen Truppen forderte. 141 der 193 UN-Mitgliedstaaten stimmten für den Text.
Indiens Ziel sei seit Beginn des Ukraine-Konflikts, diesen "durch Dialog und Diplomatie zu lösen", sagte Modi bei einer gemeinsamen Erklärung vor der Presse. "Indien ist bereit, zu allen Friedensgesprächen beizutragen."
Zu einem Zwölf-Punkte-Plan zur Beendigung des Konflikts, den China am Freitag vorgelegt hatte, sagte Scholz vor deutschen Journalisten, der Vorstoß habe "ganz erkennbar Licht und Schatten". "Bemerkenswert richtig" sei zum Beispiel "die erneute Verurteilung des Einsatzes von Atomwaffen". Es fehle aber die klare Forderung nach einem Rückzug russischer Truppen.
Mit der Präsidentschaft großer Industrie- und Schwellenländer (G20) habe Indien dieses Jahr eine "sehr verantwortungsvolle Rolle in einer schwierigen Zeit" übernommen, sagte Scholz. Es müsse dafür gesorgt werden, dass der russische Angriffskrieg in Asien, Afrika oder Südamerika "nicht zu Preissteigerungen führt, zu Energieknappheit, zu Nahrungsmittelknappheit."
Scholz war am Samstag mit einer elfköpfigen Wirtschaftsdelegation zu einem zweitägigen Besuch in Indien eingetroffen. Darunter sind unter anderem Vertreter der Unternehmen Siemens, ThyssenKrupp, SAP und Deutsche Post.
Der Kanzler verwies in Neu Delhi darauf, dass bereits 1800 deutsche Unternehmen in Indien tätig seien. Er betonte das Potenzial bei der Zusammenarbeit im Bereich erneuerbare Energien und beim Austausch von Fachkräften. Scholz sagte dabei zu, sich für einen zügigen Abschluss des geplanten Freihandelsabkommens mit der EU einzusetzen und nach jahrelangen Verhandlungen nun "mehr Druck" zu machen.
Unterzeichnet wurden vier Absichtserklärungen. Dazu gehört ein Rahmenplan für gemeinsame Vorhaben im Bereich Innovation und Technologie, ein Pilotprojekt zum Austausch von Solarexperten, die Schaffung eines Wasserstoff-Forschungsinstituts in Indien mit Beteiligung der Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Ausweitung bereits bestehender Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen in Indien mit dem deutschen Unternehmen SFC Energy.
Ein weiteres wichtiges Feld sei "die Sicherheits- und Verteidigungskooperation", sagte der indische Premier, dessen Land seit Jahrzehnten in einem Grenzkonflikt mit China steht. Sie könne "ein wichtiger Pfeiler unserer Partnerschaft werden". Hier könnten beide Seiten "unerschlossenes Potenzial" freisetzen.
Der deutsche Botschafter in Indien, Philipp Ackermann, hatte laut der Nachrichtenagentur Bloomberg vor dem Besuch gesagt, ThyssenKrupp Marine Systems sei einer von zwei Anwärtern für den Bau von sechs U-Booten für die indische Marine. Der Auftrag hätte demnach einen Wert von rund fünf Milliarden Dollar (rund 4,7 Milliarden Euro). Aus deutschen Regierungskreisen hieß es aber, während des Besuchs würden noch keine Entscheidungen in diesem Bereich erwartet.
Am Sonntag reist Scholz ins südindische Bangalore weiter. Dort stehen unter anderem Besuche einer Niederlassung des deutschen Softwarespezialisten SAP und eines Herstellers von austauschbaren Batteriezellen für Kleintransporter auf dem Programm.
mt/mid/lan