Scholz: "Pulverdampf" der Koalition verschleiert Leistungen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat anhaltende Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit in der Koalition eingeräumt. Zwar habe die "Ampel" viele Gesetze zur Modernisierung des Landes auf den Weg gebracht, aber "alle diese Entscheidungen sind mühselig errungen", sagte Scholz in der SAT.1-Sendung ":newstime Spezial", die am Dienstagabend ausgestrahlt werden soll. Der ständige Streit in der Koalition überlagere die Leistungsbilanz: "Man muss immer befürchten, dass der Pulverdampf vom Schlachtfeld gewissermaßen verdeckt, was real passiert ist."
Bereits am Montagabend hatte der Kanzler die Koalition bei einem Bürgerdialog in Bremen zu guter Zusammenarbeit aufgerufen: Die aktuell schwierige politische Lage "erhöht die Anforderung an gutes Regieren und - das sage ich jetzt mit Richtlinienkompetenz - an gutes Benehmen", sagte Scholz. Auf die Frage, an wen sich die Aufforderung zu gutem Benehmen konkret richte, antwortete Scholz am Dienstag in dem SAT.1.-Interview allerdings ausweichend.
Er kritisierte aber die Vielstimmigkeit, die das Erscheinungsbild der "Ampel" präge. "Es ist unübersehbar, dass nicht alle gleichgerichtet kommunizieren", sagte Scholz. Dieses Verhalten sei "kein schlauer Einfall, wenn ich das so sagen darf". Zur Entscheidungsfindung in der "Ampel" sagte er: "Die Tatsache, dass das mühselig ist, ist unübersehbar." Er fügte hinzu: "Es wäre besser, der Pulverdampf hätte sich schon verzogen und man sähe die Leistungsbilanz."
Die Einschätzung von Grünen-Chef Omid Nouripour, wonach die von internen Streitereien geprägte "Ampel" nur eine "Übergangsregierung" sei, wollte Scholz nicht teilen. Diese Aussage wolle er "nicht auf die Goldwaage legen", sagte er.
In gewisser Weise stelle jede Regierung einen Übergang dar: "Jede Regierung ist die Regierung vor der nächsten", sagte der Kanzler. Die "Ampel" müsse sich nun auf jene Aufgaben konzentrieren, die vor ihr lägen. Es gehe darum, "dass wir große Herausforderungen bewältigen und dafür sorgen, dass es bei uns gut läuft".
Kritik von Seiten der Union an der Handlungsfähigkeit der "Ampel" wies Scholz zurück. CDU/CSU, Grüne und FDP hätten nach der Bundestagswahl 2017 versucht, eine Koalition zu bilden - und das sei misslungen. "Die Jamaika-Koalition ist nicht zustande gekommen."
Der schlechte Zustand der Ampel-Koalition sorgt auch in der Kanzlerpartei SPD für Diskussionen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zeigte sich vom Dauerstreit im Regierungsbündnis genervt: Auf Bundesebene gelinge es "nur sehr gelegentlich", Verlässlichkeit zu vermitteln, sagte er am Dienstag.
Juso-Chef Philipp Türmer machte vor allem die FDP für das schlechte Erscheinungsbild der Ampel-Regierung verantwortlich. "Das hat auch damit zu tun, dass die FDP gar nicht mehr regieren, sondern nur noch blockieren will", sagte der Vorsitzende der SPD-Nachwuchsorganisation im Deutschlandfunk. Das Wort von der "Übergangsregierung" von Grünen-Chef Nouripour wertete er unterdessen "als eine Initiativbewerbung der Grünen, nach der nächsten Bundestagswahl mit der CDU zusammenzuarbeiten."
Allerdings gab Türmer Nouripour bei dessen Einschätzung recht, dass die Ampel-Koalition auf längere Sicht keine Zukunft mehr habe. "Ich glaube auch nicht, dass die nächste Regierung eine Ampel-Koalition sein wird", sagte er dem Deutschlandfunk.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wies derweil Spekulationen über einen Ausstieg der FDP aus der Regierung zurück. "Wenn einzelne sagen, für sie ist die Regierung eine Übergangslösung, kann ich nur sagen: Für mich gilt das nicht - und das gilt auch nicht für die FDP", sagte er dem Sender Welt TV. Die FDP habe "weiterhin Freude am Gestalten und Interesse am Regieren".
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