Scholz und Starmer wollen deutsch-britische Beziehungen mit Vertrag auf neue Grundlage stellen
Deutschland und Großbritannien wollen ihre Beziehungen mit einem umfassenden Vertrag deutlich ausbauen. "Wir wollen es nicht bei Bekenntnissen belassen, sondern unsere Beziehung auf eine ganz neue Grundlage stellen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch beim Antrittsbesuch des britischen Premierministers Keir Starmer in Berlin. "Wir schlagen heute ein neues Kapitel in den britisch-deutschen Beziehungen auf", unterstrich Starmer. Beide Regierungschefs bekräftigten auch ihre Unterstützung für die Ukraine.
"Deutschland und das Vereinigte Königreich pflegen eine lange und vertrauensvolle Partnerschaft, die von gemeinsamen Werten und verlässlicher Freundschaft geprägt ist", betonte Scholz bei der Pressekonferenz im Berliner Bundeskanzleramt. "Diese Zusammenarbeit werden wir hegen und pflegen zum Wohle unserer Völker, zum Wohle Europas und zur Sicherheit des transatlantischen Raums."
"Wir schlagen heute ein neues Kapitel in den britisch-deutschen Beziehungen auf", betonte Starmer. Das "Herz des Vertrages" sei ein neues Verteidigungsabkommen. "Aber auch bei Themen wie Kampf gegen illegale Migration und Klimaschutz werden wir enger zusammenarbeiten", sagte der britische Premier.
Scholz betonte, dass es einen solchen Vertrag so noch nicht gegeben habe. Zugleich begrüßte er, dass Starmer "einen Neustart im Verhältnis zur Europäischen Union" anstrebe. "Diese ausgestreckte Hand wollen wir ergreifen." Schließlich sei das Vereinigte Königreich "schon immer ein unverzichtbarer Teil bei der Lösung der großen Fragen, die ganz Europa betreffen", gewesen, sagte der Kanzler.
Deutschland sei bereits jetzt Großbritanniens zweitgrößter Handelspartner, sagte Starmer. Mit dem neuen Vertrag bestehe nun aber "die Chance, hier und im Vereinigten Königreich Arbeitsplätze zu schaffen und das wertvollste Gut für unsere beiden Länder, das Wirtschaftswachstum, zu fördern". Das Wirtschaftswachstum bezeichnete Starmer dabei als "die wichtigste Aufgabe" seiner Regierung. Starmers Labour-Regierung hat mit einem großen Loch im Staatshaushalt zu kämpfen und plant deswegen nach dem Ende der 14-jährigen Regierungszeit der Konservativen "schmerzhafte" Einschnitte.
Auch im Kampf gegen illegale Einwanderung soll die deutsch-britische Zusammenarbeit vertieft werden. "Denn wir können die Schlepperbanden, die diesen abscheulichen Menschenhandel betreiben, nicht ohne die Hilfe unserer Partner zerschlagen", betonte der britische Premier. Zugleich forderte er: "Wir müssen die Kontrolle über unsere Grenzen zurückgewinnen." Bei dem Gespräch mit Scholz sei es daher auch um einen "gemeinsamen Aktionsplan" gegangen.
Das Treffen mit dem Kanzler habe gezeigt, dass Großbritannien seine Interessen "viel wirksamer durchsetzen" könne, "wenn wir mit unseren Freunden und Partnern zusammenstehen", sagte Starmer auch mit Blick auf die Krise im Nahen Osten seit dem Überfall der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel.
Beide Politiker bekräftigten Israels Recht auf Selbstverteidigung im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht und die Notwendigkeit einer Deeskalation in der gesamten Region. Zugleich mahnte Starmer zu "Zurückhaltung", Scholz warnte vor dem "Risiko eines Flächenbrands". "Wir rufen alle Parteien dazu auf, die Verhandlungen über einen Waffenstillstand und die Befreiung der Geisel unverzüglich fortzusetzen", sagte der Kanzler.
Deutschland und Großbritannien setzten sich weiterhin für eine politische Lösung im Nahost-Konflikt ein, betonte Starmer zudem. Dies sei "kein einfaches Ziel"", aber "der einzige Weg, um langfristig Frieden und Sicherheit sowohl für Israelis als auch für Palästinenser zu schaffen".
Zeitgleich zu der Pressekonferenz von Scholz und Starmer veröffentlichten beide Regierungen eine gemeinsame Erklärung. Darin hieß es, der Vertrag über die bilaterale Zusammenarbeit solle Anfang nächsten Jahres unterzeichnet werden. Zu diesem Zweck sollen auch Regierungskonsultationen stattfinden.
Mit der Vereinbarung reagierten die Regierungen in Berlin und London auf die "Herausforderungen, vor denen unsere beiden Länder stehen", hieß es weiter. Der Vertrag werde "unseren Status als besonders enge Partner in Europa widerspiegeln, mit der größtmöglichen beiderseitigen Zusammenarbeit in den Bereichen, die unseren Bürgerinnen und Bürgern am meisten am Herzen liegen."
So sollen die Bereiche Jugend und Bildung, Energiesicherheit, Klima- und Umweltpolitik, Entwicklungszusammenarbeit, Verkehr sowie Technologie, Forschung und Innovation in dem Vertrag berücksichtigt werden. Ausdrücklich genannt sind demnach "die außenpolitische Zusammenarbeit für Frieden und Sicherheit" und die gemeinsame Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine.
"Deutschland und Großbritannien stehen fest an der Seite der Ukraine", versicherte Scholz. Dies sage er "ausdrücklich auch mit Blick darauf, dass zuletzt versucht worden ist, an diesem Engagement Zweifel zu säen".
Scholz hatte Starmer mit militärischen Ehren empfangen. Zuvor war der britische Premier von Bundespräsident Steinmeier im Schloss Bellevue empfangen worden.
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