Scholz hält Regierungserklärung - und schweigt zu Streit in Koalition
Zum dritten Mal innerhalb von sechs Wochen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag die Grundzüge seiner Politik erläutert. Offizieller Anlass der Rede am Donnerstag war der EU-Gipfel in der kommenden Woche - die Opposition rückte allerdings das aktuelle Erscheinungsbild der Ampel-Koalition in den Mittelpunkt und attestierte ihr lähmende Zerstrittenheit. Scholz ließ die koalitionsinternen Streitthemen in seiner Rede unerwähnt. Auch zum großen Konflikt um das Verbrenner-Aus äußerte er sich nicht.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) warf dem Kanzler und seiner Regierung Handlungsunfähigkeit vor. "Sie verlieren mittlerweile, Herr Bundeskanzler, den Bezug zur Realität in unserem Land", sagte Merz in seiner Replik auf Scholz' Regierungserklärung. Der CDU-Politiker verwies auf die Streitpunkte innerhalb der Koalition - etwa über das geplante Aus für Verbrenner-Autos in der EU, den Bundeshaushalt oder eine nationale Sicherheitsstrategie. "Nun bestreiten Sie mal nicht, dass Sie ständig streiten", sagte der CDU-Chef.
Scholz stellte hingegen den Gestaltungswillen seiner Koalition heraus, die er als "Fortschrittsregierung" charakterisierte. Wiederkehrendes Motiv seiner Regierungserklärung war der Verweis auf die "Zuversicht", mit der das Land die anstehenden Aufgaben bewältigen könne: Deutschland und Europa seien bislang relativ heil durch die Zeit nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gekommen, argumentierte der Kanzler.
"Wenn es drauf ankommt, dann können wir Aufbruch und Umbruch, Tempo und Transformation", sagte Scholz. Nun komme es darauf an, "dass wir aus dieser Erfahrung die Zuversicht mitnehmen: Ja, es ist möglich", sagte er weiter. "Wir werden den großen Umbruch hinbekommen, der vor uns liegt."
Mit Blick auf den bevorstehenden EU-Gipfel äußerte Scholz die Erwartung, dass es weitere Schritte zur Versorgung der Ukraine mit Munition im Krieg gegen Russland geben werde. "Ganz besonders wichtig ist, die Ukraine rasch mit der nötigen Munition zu versorgen", sagte er. Zudem forderte er eine Stärkung des Binnenmarkts und der Wettbewerbsfähigkeit der EU, klimagerechte Investitionen und Planungsbeschleunigungen sowie die Stabilisierung der Haushalte "in ganz Europa".
Vertreterinnen und Vertreter der Opposition sprachen der Koalition in der Debatte die Regierungskompetenz ab. "Eine Streitkoalition, das sind Sie", sagte der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller.
AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla warf Scholz vor, das Instrument der Regierungserklärung "inflationär" zu nutzen, "um hier den Erkläronkel zu präsentieren". Der Kanzler tue dies aber nur, um von der "Arbeitsunfähigkeit dieser Bundesregierung" abzulenken, sagte Chrupalla.
Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali warf Scholz Ignoranz angesichts der sozialen Verwerfungen infolge der deutschen Russland- und Ukraine-Politik vor. Für viele Menschen sei Energie "unbezahlbar", Millionen von Menschen drohe der Arbeitsplatzverlust. Mohamed Ali forderte eine Abkehr von den Sanktionen gegen Russland: "Schluss mit den Sanktionen, die unsere Wirtschaft erdrosseln, aber die russische Kriegsführung nicht beeinträchtigen."
Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsparteien FDP und Grüne hoben in der Debatte die Reformprojekte der Koalition hervor: FDP-Fraktionschef Christian Dürr warb für eine "moderne Migrationspolitik", Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge verteidigte die geplanten Vorschriften für klimafreundliche Heizungen. Beide warfen der CDU/CSU vor, die Politik der Koalition reflexhaft zu kritisieren, eigene Konzepte aber schuldig zu bleiben. "Aus dieser Verantwortung darf sich die Union nicht stehlen", sagte Dürr.
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