Der schrecklich zerstrittene Porsche-Clan

Die Familien Piëch und Porsche beherrschen Deutschlands größten Konzern Volkswagen gemeinsam, doch sind untereinander zerstritten. Eine Dokumentation liefert Einblicke in einen der reichsten Clans der Republik.

Die Diesel-Abgasaffäre, die im September 2015 losbrach, hat den VW-Konzern schwer erschüttert. Noch immer lastet der Skandal schwer auf der Marke – sogar im Heimatmarkt Deutschland. Bis Ende September hatte Europas größter Autobauer eine knappe Million Autos in Deutschland verkauft, fast zwei Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Brüche, die der Skandal im VW-Riesenreich hervorgerufen hat, sind nicht nur am Absatz sichtbar.

Die jahrelangen Spannungen zwischen den Eignerfamilien Porsche und Piëch haben sich mit dem Skandal entladen. Der jahrelange Konzernpatriarch Ferdinand Piëch, der vor dem Ausbruch des Skandals einen Machtkampf mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn verloren hatte, schoss mehrere Giftpfeile Richtung Stuttgart. In der ZDF-Dokumentation „Deutschlands große Clans: Die Volkswagen-Story“ schießt Wolfgang Porsche zurück. Piëch habe sein Lebenswerk zerstört, lässt der Statthalter des Porsche-Clans ausrichten. Die Konflikte des Clans, die lange im Verborgenen stattfanden, entladen sich mittlerweile in aller Öffentlichkeit.

Dabei bestimmen die zwei Familien seit Jahrzehnten den Führungsstil in Wolfsburg. Auf der einen Seite der familiäre Porsche-Clan, auf der anderen Seite der kühl-technokratische Piëch-Clan – das waren die Pole zwischen denen sich der Weltkonzern bewegte. Die Macher der Dokumentation halten vor allem den Führungsstil von Piëch für eine wesentliche Ursache für den Ausbruch des Skandals. Die VW-Ingenieure hätten schlichtweg Angst vor der Reaktion des mächtigen damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch gehabt. Niemand habe sich getraut, dem mächtigen Patriarchen zu offenbaren, dass man an den strengen Abgas-Anforderungen gescheitert sei.

Ob die Familie Porsche, mit über 50 Prozent größter Anteileigner von Volkswagen, frühzeitig von der Abgasaffäre erfahren hatte, lassen die Macher offen. Doch in ihrer Dokumentation legen sie ausführlich dar, wie die Gier nach Macht sich durch die Geschichte des Weltkonzerns zieht.

Dabei profitierte die VW-Eigentümerfamilie lange von den klaren Strukturen. In manchen Familienunternehmen streiten sich hunderte Gesellschafter um ein kleines bisschen Einfluss. Im Fall Porsche sind es deutlich weniger, in der dritten Generation waren es gerade einmal acht. Doch in ihrer Geschichte ging es nie um ein wenig Einfluss, sondern um die Alleinherrschaft – ob in Zuffenhausen oder in Wolfsburg. Es ging um den Sportwagenproduzenten Porsche, aber auch um den Weltkonzern Volkswagen, für den Ferdinand Porsche, Großvater der Streithähne von heute, den Grundstein gelegt hatte.

„Wie eine amerikanische Soap-Serie“ habe sich das Verhältnis der Familien entwickelt, erklärt Wirtschaftsjournalist Georg Meck die Geschehnisse innerhalb der Familie. Von Ehebruch über Adoption, Intrigen bis hin zu zerstörten Lebenswerken ist alles dabei. Und tatsächlich wirkt der Rückblick in die deutsche Wirtschaftsgeschichte wie eine Folge Dallas. Allerdings ist das Geflecht, das den Konzern zusammenhängt, auch verwirrend für den Zuschauer. Denn die VW-Familie ist nicht nur schrecklich reich, sondern auch schrecklich kompliziert.

Die Geschichte des Konflikts beginnt mit den Kindern von Ferdinand Porsche: Louise Piëch und Ferry Porsche. Beide zeugen jeweils vier Nachkommen. In dieser dritten Generation entstehen viele Konflikte, die den Konzern bis heute beschäftigen. Alle acht Nachkommen arbeiten zunächst im Familienunternehmen, dem Stuttgarter Autobauer Porsche. Doch die Frage, wer nach dem Abtritt von Ferry Porsche die Leitung des Unternehmens übernimmt, entzweit die Clans. Der Streit endet mit einem gescheiterten Versuch, durch einen Familientherapeuten eine Einigung zu erzielen.

Chef Ferry Porsche entschied den Streit mit einer salomonischen Lösung: Keiner seiner Kinder, Neffen und Nichten das Unternehmen sollte das Unternehmen leiten, ließ der Gründer-Erbe verkünden. Das operative Geschäft übernahmen externe Manager und die Familie kam in den Aufsichtsräten unter. Eine Entscheidung für den Familienfrieden? Nein, der Streit ging weiter.


„Die Familien haben von der Übernahmeschlacht profitiert“

Ferdinand Alexander Porsche gründete das Designbüro „Porsche Design“. Ferdinand Piëch ging nach Ingolstadt zu Audi, wurde dort „Hauptabteilungsleiter für Sonderaufgaben in der technischen Entwicklung“ und schließlich Vorstand. Die Vertreibung aus dem Familienbetrieb war damit der Grundstein für große Unternehmerkarrieren, doch auch für weiteren Streit.

Denn vor allem die persönliche Beziehung zwischen den Familien gestaltete sich schwierig. Ferdinand Piëch, Sohn von Louise Piëch, begann eine Affäre mit Marlene Porsche, der Ehefrau seines Vetters Gerhard Porsche. Eine Affäre mit Folgen: Denn mit dem neuen Paar hätten sich die Mehrheitsverhältnisnisse im Konzern verändert. Marlene Porsche hätte bei einer Hochzeit ihre Anteile mit in die Piëch-Familie genommen. Man entschied sich für eine diplomatische Lösung: Ferdinand und Marlene blieben zwölf Jahre zusammen, ohne zu heiraten. Wenn es hart auf hart kam, legt die Dokumentation nahe, seien die Entscheidungen zugunsten des Familienfriedens gefällt worden.

Selbst in der größten Übernahmeschlacht der deutschen Wirtschaftsgeschichte zogen die Familien die Fäden. Im Jahr 2005 versucht der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking die Übernahme des größeren VW-Konzerns. Im wirtschaftlichen Armdrücken mit Ferdinand Piëch unterliegt er. Das festigt die Macht der Familien „Sie hatten vorher den kleinen Autobauer Porsche, jetzt haben sie über 50 Prozent an dem Weltkonzern Volkswagen“, erklärt Wirtschaftsjournalist Dietmar Hawranek in der Dokumentation. „Die Familien haben durch diese Schlacht gigantisch gewonnen.“ Das sorgte für einige Jahre für trügerische Harmonie, löste aber die tieferliegenden Konflikte nicht.

Mit den wirtschaftlichen Problemen bei VW ist auch der Streit zurück. Seit Monaten liefern sich Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche einen heftigen Schlagabtausch. Im Streit um manipulierte Abgaswerte schenken sich die Familien nichts. So behauptet zum Beispiel Ferdinand Piëch, er habe das Präsidium des Volkswagen-Aufsichtsrates bereits im März 2015 über die Dieselaffäre informiert. Damit erhöht er der Druck auf Vetter Wolfgang Porsche, der dem Gremium ebenfalls angehörte – Monate bevor der Skandal an die Öffentlichkeit gelangte. Porsche weist diese Aussagen vehement zurück.

Insgesamt durchleuchtet die Dokumentation ausführlich die angespannte Geschichte der zerstrittenen Familienzweige. Schade ist es aber allemal, dass nur einer der beiden aktuellen Streithähne zu einem Interview mit dem ZDF bereit war. Nur Wolfgang Porsche wollte vor der Kamera sprechen, sein Kontrahent Ferdinand Piëch hatte abgelehnt. In einer Dokumentation nur einen von zwei Konkurrenten sprechen zu lassen, birgt die Gefahr der Einseitigkeit. Allerdings ist Ferdinand Piëch bekannt dafür, dass er den Auftritt in den Medien scheut.

So spannend die Dokumentation die Vergangenheit aufarbeitet, so wenig verrät sie über die Zukunft. Die neue Generation der Familien spielt kaum eine Rolle. Seltsam ist man sich nur darin, dass es für Streitereien eigentlich keine Zeit gebe. Man müsse neues Vertrauen aufbauen, heißt es im Konzern und in der Familie. Der Konzern steckt im größten Umbruch seiner Geschichte, ihm muss die Wende zur Elektromobilität gelingen. „Wenn wir zusammenhalten, dann sind wir auch unheimlich stark“, sagt Wolfgang Porsche in der Dokumentation. Und das klingt dann fast schon wieder wie ein Friedensangebot.