"Schumacher hätte der neue Held werden können“

An seinem 67. Geburtstag vor wenigen Tagen hatte Franz Tost das gemacht, was er am liebsten macht: Arbeiten.

„Ich war wie immer um sieben Uhr im Büro und irgendwann in der Dunkelheit wieder zuhause“, sagt der AlphaTauri-Teamchef.

Formel-1-Fachmann Tost, seit 17 Jahren in Faenza nahe Bologna wohnhaft wegen der Nähe zum Ausbildungsteam von Red Bull, meint ebenso: „Ende Februar beginnen die Testfahrten in Bahrain. Unser Auto muss dann funktionieren, davon hängt natürlich meine Laune ab.“ (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)

Mehr noch: Die Präsentation des neuen AlphaTauri-Renners steigt dann zusammen mit dem vom Schwesterteam Red Bull Anfang Februar in New York: „Dort ist die Fashionweek, deshalb gehen wir dahin“, so Tost weiter vor dem Hintergrund, dass AlphaTauri die Modemarke im Red-Bull-Konzern und überdies Hauptgeldgeber des Juniorteams ist.

Tost ist für seine klaren Worte bekannt und schielt immer wieder nach Deutschland, weil er dort den größten Teil seiner Motorsportkarriere verbracht hat. Zuerst im Formel-3-Team von Willi Weber, bei dem unter anderem die Schumacher-Brüder Michael und Ralf ihre Karriere begonnen haben. Dann war der Österreicher lange Logistikchef bei BMW in der Formel 1. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)

Formel 1: Deutschland sehnt sich nach Helden

Tost, der den Formel-1-Boom in den 90er Jahren und in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends in Deutschland aus nächster Nähe erlebt hat, hat eine klare Meinung, warum das Interesse im Land der Dichter und Denker gerade eher mau ist.

„Deutschland ist verwöhnt. Sogar beim Fußball ist das zu spüren“, sagt Tost zu SPORT1. „Ich bin überzeugt, dass das geringere Interesse bei der letzten WM auch mit den schlechten Ergebnissen der Nationalmannschaft zu tun hat. Wären sie ins Finale gekommen, hätte halb Deutschland auch die Spiele in Katar verfolgt. Fest steht: Die Leute brauchen Helden und zwar aus Fleisch und Blut, nicht aus Metall.“

Auf die Formel 1 bezogen heißt das laut Tost: „Sie wollten auch damals Michael Schumacher siegen sehen und nicht den Motor oder das Auto von Mercedes. Nur Helden lösen einen Boom aus. Wie es Michael Schumacher gezeigt hat. Das zweite Beispiel ist Boris Becker. Vor ihm war das Tennisinteresse eher den Wohlstandbürgern vorbehalten. Mit den Erfolgen von Boris und Steffi Graf änderte sich das schlagartig. Plötzlich wollten alle Kids Tennis spielen.“

Tost: „Hätte Schumacher gerne bei AlphaTauri gesehen“

Allein: Mick Schumacher hätte laut Tost für eine neue Euphorie sorgen können. „Er hätte der neue Held werden können, aber leider ist er jetzt erst mal raus aus der Königsklasse. Was ich schade finde. Ich hätte ihn gerne bei AlphaTauri gesehen, und zwar nicht wegen des Namens, sondern weil ich an sein Talent und seine Fähigkeiten glaube. Denn man gewinnt nicht einfach so die Formel 3 - und Formel 2-Meisterschaften. Aber am Ende hat es leider nicht geklappt.“

Als Ferrari-Junior passte Schumacher nicht ins Red Bull-Gefüge. Den Platz bekam Nyck de Vries. (alle Rennen der Formel 1 im LIVETICKER)

Dass Schumacher jetzt dritter Fahrer bei Mercedes ist, sei zwar nicht schlecht, aber: „Du wirst nur richtig von der breiten Masse wahrgenommen, wenn du ständig im Fokus stehst. Und das tut man nur als Einsatzpilot.“

Deshalb sei es wichtig, „dass Mick so schnell wie möglich wieder den Weg ins Starterfeld findet. Unmöglich ist das nicht, aber auch nicht einfach.“

Fest steht: Für die „Formel D“ wäre ein Schumacher-Comeback extrem wichtig. Tost: „Micks Karriere bestimmt das Interesse in Deutschland. Ein Nico Hülkenberg kann das nicht alleine schaffen.“

Hintergrund: Der Emmericher, mit 35 Jahren schon eher auf der Zielgeraden seiner Karriere, fährt als Stammpilot beim mittelmäßigen Haas-Team. Er hat dort ausgerechnet Mick Schumacher ersetzt.

Für das F1-Interesse in Deutschland war das wohl eher ein schlechter Tausch.

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