Schwarzmarkt unverändert - Cannabisland Deutschland: Was wir seit der Legalisierung gelernt haben
Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland hat eine neue Ära eingeläutet. Seit der Einführung des CanG im April 2024 haben sich sowohl der legale Cannabismarkt als auch die Verschreibungspraxis von medizinischem Cannabis verändert. Anwalt Peter Homberg nimmt diese Entwicklung unter die Lupe.
Wie hat sich der legale Cannabismarkt in Deutschland seit seiner Einführung entwickelt?
Nachdem sich die Koalitionsfraktionen Ende November 2023 auf eine abschließende Fassung eines Gesetzes über die Legalisierung von Cannabis verständigt hatten, trat dieses am 1. April 2024 in Form des CanG in Kraft. Während zunächst der Eigenanbau in engen Grenzen erlaubt wurde, können seit dem 1. Juli 2024 sog. Cannabisanbauvereinigungen gegründet werden.
Zum Schutz von Konsument:innen soll die Qualität von Cannabis kontrolliert und die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert werden. Die Reform sieht jedoch keinen unbeschränkten Besitz oder Anbau vor, weshalb auch von Teillegalisierung die Rede ist. Allerdings besteht nach wie vor große Unsicherheit bzgl. der genauen Umsetzung der Cannabisanbauvereingungen, die gemeinnützig als „non-profit“ Vereinigungen ausgestaltet sein müssen. Sicher kann gesagt werden, dass die Teillegalisierung wegen der vermehrten Nachfrage nach medizinischem Cannabis den Unternehmen in diesem Bereich einen großen Aufschwung verschafft hat.
Hat die Legalisierung von Cannabis zu einer Reduzierung des Schwarzmarktes geführt?
Auch wenn sich für Gesamtdeutschland aufgrund der kurzen Zeit seit Inkrafttreten des CanG diesbezüglich noch schwerlich eine fundierte Aussage treffen lässt, so kann zumindest für manche Teile des Landes eine Einschätzung getroffen werden. So lässt sich z. B. bezüglich des Schwarzmarkts in Frankfurt am Main bisher wohl keine durchschlagende Veränderung beobachten. Dies wird vor allem auf die hohen Hürden zurückgeführt, die das CanG an die Gründung von Cannabisanbauvereinigungen stellt.
So wurden in Frankfurt am Main bis Ende August lediglich zwei Anträge zur Gründung von Cannabisanbauvereinigungen gestellt, obwohl es in Frankfurt bis zu 129 solcher Vereinigungen geben könnte. Auch das Frankfurter Ordnungsamt, das die Anbauvereinigungen kontrollieren soll, oder die Frankfurter Polizei berichten nicht von wesentlichen Veränderungen. Die Frankfurter Polizei schätzt, dass eine valide Zwischenbilanz erst im nächsten Jahr getroffen werden könnte, wenn sich die Anbauvereinigungen etabliert haben.
Wie hat sich die Verschreibungspraxis von medizinischem Cannabis entwickelt?
Die teilweise Legalisierung von Freizeitcannabis mit dem CanG hat zu einer starken Nachfrage für medizinisches Cannabis geführt. Die Hauptgründe für diese Entwicklung sind, dass zum einen kein Betäubungsmittelrezept mehr erforderlich ist. Darüber hinaus stammt das auf Rezept zu beziehende Cannabis von zertifizierten und qualitativ unter hohen Standards anbauenden Produzenten, die nach der Legalisierung von medizinischem Cannabis 2017 sich strengen Überprüfungen unterziehen müssen.
Zudem konnte insbesondere bis zum 1. Juli 2024 von Cannabisanbauvereinigungen mangels Legalität kein Cannabis bezogen werden – was rein praktisch nach wie vor immer noch nicht möglich ist. So blieb und bleibt nur der Anbau Zuhause, der mangels professioneller Infrastruktur schwieriger zu steuern und zu realisieren ist. Zum ohnehin schon nachgewiesenen Boom von medizinischem Cannabis kommt, dass vermehrt auch Online-Plattformen einfachen Zugang zu Rezepten für medizinisches Cannabis anbieten.
Die ausgestellten Rezepte sind fast ausschließlich Privatrezepte. Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken schätzt, dass die Verwendung von medizinischem Cannabis seit April insgesamt um 20 bis 30 Prozent zugenommen hat.
Wie steht Deutschland im europäischen Vergleich da, wenn es um die Legalisierung von Cannabis geht?
Das europäische Recht verpflichtet alle EU-Staaten „das Gewinnen, Herstellen, Ausziehen, Zubereiten, Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern - gleichviel zu welchen Bedingungen -, Vermitteln, Versenden - auch im Transit -, Befördern, Einführen oder Ausführen von Drogen“ unter Strafe zu stellen.
Der EU-Rahmenbeschluss sieht darüber hinaus vor, dass auch „das Anbauen der Cannabispflanze“ sowie „das Besitzen oder Kaufen von Drogen“ grundsätzlich unter Strafe gestellt werden muss. Dennoch besteht die Möglichkeit für Ausnahmen vom Cannabis-Verbot einzuführen.
Beispielhaft können drei europäische Länder herangezogen werden, die in den letzten Jahren ebenfalls eine grundlegende Liberalisierungspolitik oder hinsichtlich Freizeitcannabis durchgesetzt oder Versuche diesbezüglich angestrengt haben.
Luxemburg
Im Jahr 2023 wurde Cannabis in Luxemburg unter bestimmten Bedingungen legalisiert.
Der Besitz und Konsum von Cannabis ist für Erwachsene Zuhause erlaubt. Bis zu vier Pflanzen dürfen zu Hause für den Eigenbedarf angebaut werden. Außerdem müssen die Pflanzen selbst aus Samen gezogen werden. Privat angebautes Cannabis darf nur an volljährige Personen weitergegeben werden, die im selben Haushalt leben. Der Erwerb von Cannabis ist verboten. Lediglich Samen für den Eigenanbau dürfen erworben werden. CBD-Produkte, die einen THC-Gehalt von weniger als 0,3 Prozent THC haben, können in Luxemburg legal gekauft und konsumiert werden.
Malta
Seit Dezember 2021 ist Cannabis in Malta unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Auch Malta sieht spezielle Vereinigungen vor, die Cannabis an Mitglieder abgeben dürfen. Privatpersonen können Mitglied in „Cannabis Harm Reduction Associations” werden. Diese Vereine benötigen eine staatliche Genehmigung und dürfen dann Cannabis an ihre Mitglieder abgeben.
Niederlande
Der Besitz bis zu fünf Gramm ist in den Niederlanden straffrei. Auch der Verkauf ist straffrei, wenn ein dafür lizenziertes Geschäft betrieben wird Dennoch bleibt der Handel in größeren Mengen weiterhin illegal. Das daraus resultierende Problem, wird auch als “Backdoor”-Problematik bezeichnet: So darf zwar legal Cannabis bis zu fünf Gramm verkauft werden; in größeren Mengen dürfen die Betreiber die Produkte aber nicht einkaufen. Auch das aktuelle Modellprojekt wird vermutlich keine nachhaltige Lösung für die Zukunft sein. Modellprojekte sollen - wie der Name schon andeutet -vorübergehend sein, sonst ist eine Kollision mit EU-Recht zu befürchten.