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Ist es schwerer geworden, sich übers Fernsehen lustig zu machen?

Vor acht Jahren endete "Switch Reloaded" bei ProSieben. Die vielfach preisgekrönte Parodie des deutschen TV-Programms erfährt nun eine Neuauflage bei Amazon. Dabei werden dümmliche Shows, Kultserien und zahlreiche Prominente durch den - manchmal erstaunlich bitter schmeckenden - Kakao gezogen.

"Switch - TV gnadenlos parodiert" (1997 bis 2000) sowie "Switch Reloaded" (2007 bis 2012) gelten als Humorklassiker des deutschen Fernsehens. Nach sieben Jahren Pause zwischen den ersten beiden Formaten vergingen nun schon wieder acht Jahre, bis ein zeitgemäßes Parodie-Update des deutschen Fernsehens stattfindet - diesmal beim Streamingdienst Amazon (ab Freitag, 4. Dezember). Vielleicht hat dies mit dem Gegenstand der Betrachtung zu tun: dem Fernseh- und heute eben auch Streaming-Angebot, das nach einigen, dicht aufeinander folgenden Staffel vielleicht einfach auspersifliert ist. Solange, bis irgendwann neue Zeiten und neue Programme kommen.

Die letzten acht Jahre kann man durchaus als Zeitenwende des Mediums begreifen, ähnlich dem Start des deutschen Privatfernsehens Mitte, Ende der Achtziger. So wie damals neue Trends entstanden - Comedy gehört definitiv dazu -, gibt es nun auch wieder Phänomene, die der Entwicklung des Mediums selbst geschuldet sind. Der vielleicht größte: Wir leben in einer zersiedelten TV-Landschaft mit unzähligen Sendern, immer noch größeren und zahlreichen kleinen und hochspezialisierten. Dazu entstanden Streamingdienste wie Netflix oder eben Amazon, die für jüngere Generationen heute fast gleichbedeutend mit dem Begriff Fernsehen sind.

Eine Folge des fast unüberschaubar gewordenen, zeitlich flexibel nutzbaren Angebots ist die Tatsache, dass man ein wahrer TV-Junkie und Dauerglotzer sein muss, um alle Vorbilder zu kennen, die in acht jeweils 30 Minuten langen Folgen von Amazons "Binge Reloaded" Teams auf die Schippe genommen werden. Eine wunderbare Parodie des religiös verbrämten Sprechs der Serie "The Handmaid's Tale", eine schwäbische Version von "4 Blocks" oder die Gaga-Variante des spanischen Streaming-Erfolges "Haus des Geldes" kann eben nur verstehen, wer die Programme in seinem Abo hatte oder sie sich auf anderem Weg besorgte.

Nur noch die "gängigen" Programme einzuschalten, das reicht heute eben nicht mehr, um die Parodien auf das Fernsehen zu verstehen. Vor ein paar Jahren, als Max Giermann in Christian Rachs Maske Restaurants testete oder Martina Hill mit absurd hochgepitchter Stimme Kandidatinnen ihrer Model-Show disste, war das noch anders.

Dümmlich Redundantes hart auf die Schippe nehmen

Von der berühmten "Switch Reloaded"-Besetzung um Giermann und Hill sind bei der Neuauflage nur noch Michael Kessler und Martin Klempnow übrig. Zu den Veteranen gesellen sich bei "Binge" Joyce Ilg, Tahnee Schaffarczyk, Antonia von Romatowski, Jan van Weyde, Paul Sedlmeir und Christian Schiffer. Natürlich - und auch das ist gute alte "Switch"-Tradition - ist nicht jeder Comedian leicht hinter den ziemlich perfekten Masken zu erkennen. So wird man wohl erst mit der Zeit oder als Kenner der einzelnen Künstler wissen, wer sich hinter der Botox-Gesichtsfront eines Carsten Maschmeyer bei "Höhle der Löwen" oder dem auf einmal in schwäbischem Beamten-Duktus daherredenden Hamady-Clan aus "4 Blocks" verbirgt.

Nicht jeder Gag bei "Binge Reloaded" zündet wie ein Chinaböller, aber das war beim enormen Tempo und bei entsprechender Gag-Dichte, die das schnelle Umschalten von Programm zu Programm erzeugt, auch schon bei den Vorgänger-Formaten nicht der Fall. Unterm Strich ist es trotzdem ein Segen, dass deutsches Unterhaltungsfernsehen nach acht Jahren "unbeobachteter" Pause nun wieder den Spiegel vorgehalten bekommt. Selbst oder gerade dann, wenn Parodien von "Sommerhaus der Stars" und ähnlichen Abhäng-Shows oder auch die von Pseudo-Action-Formaten wie "Ninja Warriors" richtig fad daherkommen, weil sie die Originale in ihrer dümmlichen Redundanz derart hart auf die Schippe nehmen, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt - weil der Sketch vor allem herausarbeitet, dass der Unterhaltungswert des Originals gegen null tendiert.

Nach "Pastewka", einem anderen Humorklassiker, der - unbeendet - beim Privatfernsehen in einer Art Dornröschenschlaf lag, hat Amazon nun ein weiteres Kultformat aus der Versenkung geholt. Anders als die Serie "Pastewka", die mittlerweile tatsächlich beendet wurde, kann sich das Fernsehprogramm niemals totlaufen. Mit jeder neuen Formatidee, mit jedem seltsamen neuen "Star", den das Medium hervorbringt, dürfte ab sofort auch das Satire-Team von "Binge Reloaded" wieder etwas zu tun bekommen.