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USA: Zug war vor Entgleisung viel zu schnell unterwegs

Nach Angaben des Zugbetreibers Amtrak waren rund 80 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder an Bord. Foto: Elaine Thompson
Nach Angaben des Zugbetreibers Amtrak waren rund 80 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder an Bord. Foto: Elaine Thompson

Vielerorts ist die Infrastruktur in den USA marode - aber das war nicht der Grund für den schweren Bahnunfall im Bundesstaat Washington. Der Unglückszug war viel, viel zu schnell - warum nur?

DuPont (dpa) - Er fuhr mehr als doppelt so schnell wie erlaubt, bevor er entgleiste: Der Unglückszug im US-Bundesstaat Washington war statt der zugelassenen 48 Stundenkilometer mit Tempo 129 unterwegs.

Bella Dinh-Zarr von der US-Verkehrssicherheitsbehörde NTSB teilte am späten Montagabend (Ortszeit) mit, dies habe die Auswertung des Datenschreibers ergeben.

Warum der Zug dermaßen schnell unterwegs war, könne man aber noch nicht sagen. Dies müsse genau untersucht werden. Das gelte auch für die Frage, ob der Lokführer mit der neuen Strecke womöglich nicht ausreichend vertraut gewesen sei.

Auch Ermittler vor Ort mochten nicht spekulieren, was genau zu dem Unglück geführt hat, bei dem am Montagmorgen im Berufsverkehr mindestens drei Menschen ihr Leben verloren und mehr als hundert verletzt wurden. Berichten zufolge liegt unmittelbar vor der Unglücksstelle eine schwierige Kurve mit einem Gefälle.

Zug 501 entgleiste bei seiner Jungfernfahrt auf einem neuen Gleisabschnitt nahe der Stadt DuPont südlich von Seattle. 13 der 14 Waggons und eine der beiden Lokomotiven sprangen aus den Schienen. Der Zug stürzte zum Teil von einer Brücke auf eine Autobahn. Dabei traf er mindestens fünf Autos oder Laster - unter den Fahrzeuginsassen gab es aber keine Todesopfer.

Die Infrastruktur in den USA ist vielerorts marode, und Bahnunglücke sind keine Seltenheit. Das war aber hier nicht der Grund. Der neue Abschnitt war nach Angaben des Bundesstaates Washington seit 2010 für 181 Millionen Dollar ausgebaut worden, um Kurven zu vermeiden. Der Betreiber Amtrak versprach eine Zeitersparnis von zehn Minuten.

Amtrak teilte mit, die Strecke sei sehr gründlich getestet worden. Nach Angaben von Ermittlern scheint klar, dass ein technisches System nicht in Kraft war, das den Unfall womöglich hätte verhindern können. Diese Zugbeeinflussung (PTC - Positive Train Control) kann durch eine Art ferngesteuerter Kombination verschiedener Systeme einen zu schnell fahrenden Zug abbremsen, wenn eine Gefahr erkannt wird. PTC soll menschliches Versagen als Unglücksursache um 40 Prozent reduzieren.

«Es ist zu früh zu sagen, ob das System hier geholfen hätte», sagte Dinh-Zarr von der NTSB. «Nicht alle Unfälle können damit verhindert werden.» Nach Angaben des Gleisbetreibers Sound Transit war PTC an der Unglücksstrecke installiert. Laut Angaben einer Bahn-Regierungsbehörde hat Amtrak das System in der Hälfte seiner Loks und an 67 Prozent seiner Gleise angebracht.

Die Ermittlungen werden nun von einem Team aus Bundesermittlern, örtlichen und staatlichen Behörden vorangetrieben. Es scheint ein großes Glück gewesen zu sein, dass der Zug nicht in entlegenem Gebiet entgleiste - Medien wie die «Seattle Times» schildern eindrucksvoll, wie schnell und umfassend eine Vielzahl von Autofahrern und anderen Ersthelfern beherzt zu Hilfe kam. Sie kletterten in die Wracks, bargen Verletzte und sprachen Eingeklemmten Mut zu.

«Es war ein schockierendes Bild, völlig surrreal», sagte Feuerwehrmann Jay Sumerlin der «Seattle Times». Auch Polizei und Feuerwehr waren sehr rasch an der Unglücksstelle, wo die Eisenbahnbrücke die Autobahn Interstate I-5 kreuzt. Einige der Verletzten waren am Dienstag nach offiziellen Angaben noch in kritischem Zustand.