König Charles in Kenia: Der lange Schatten des Empires

London/Nairobi (dpa) - Sorgenvoll wirkte der Blick des britischen Königs Charles III., als er einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten in der kenianischen Hauptstadt Nairobi niederlegte. Charles (74) und seine Frau Königin Camilla (76) wurden von Kenias Präsident William Ruto und First Lady Rachel zum Auftakt einer mehrtägigen Reise mit militärischen Ehren empfangen.

Es ist der erste Besuch der beiden in einem Land des Commonwealth seit Charles' Thronbesteigung im vergangenen Jahr. Anlass der Reise ist der 60. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes vom britischen Empire, doch das ist nicht nur ein Grund zum Feiern. Die teils brutale Vergangenheit des britischen Empires ist in Kenia nicht vergessen und wirft einen Schatten auf den Besuch. Charles sieht sich mit Forderungen nach einer Entschuldigung konfrontiert.

Vielleicht ist es das, was Charles Falten auf die Stirn trieb. Den König lässt das im Namen seines Landes begangene Unrecht nicht kalt, wie der Palast bereits bei Ankündigung der Reise deutlich machte.

Rede von Charles bei Staatsbankett

«Wir müssen auch die schmerzvollsten Zeiten unserer langen und komplexen Beziehung anerkennen», sagte Charles nun am Abend nach Angaben des Palasts bei einem Staatsbankett. Die Verfehlungen der Vergangenheit seien Grund für größten Kummer und tiefstes Bedauern. «Es wurden abscheuliche und nicht zu rechtfertigende Gewalttaten an Kenianern begangen, die - wie Sie bei den Vereinten Nationen gesagt haben -, einen schwierigen Kampf für Unabhängigkeit und Souveränität geführt haben», sagte Charles der Mitteilung zufolge. «Und dafür kann es keine Entschuldigung geben.»

Bei seinem Besuch in Kenia sei es ihm nun äußerst wichtig, noch mehr über dieses Unrecht zu erfahren und Menschen zu treffen, deren Leben und Gemeinschaften so schwer betroffen gewesen seien, sagte Charles. Bereits vorab war vermutet worden, dass es eine ausdrückliche Entschuldigung wohl nicht geben würde - schon deswegen, weil Charles im Auftrag der britischen Regierung unterwegs ist - und die konnte sich bisher nicht zu einer Entschuldigung durchringen.

Forderungen ans Königshaus erhoben

Kenianer hatten im Vorfeld des Besuchs zahlreiche Forderungen an das Königshaus erhoben. Die nationale Menschenrechtskommission drang erneut auf die Rückgabe des Schädels und der Kleidung des Anführers des Nandi-Volkes, Koitalel Arap Samoei, der den Widerstand der Nandi gegen die britische Kolonialherrschaft anführte und 1905 getötet wurde.

Zudem forderten Stammesälteste der ethnischen Gruppe Pokot Reparationen in Höhe von rund 63 Milliarden Euro für die Tötung von knapp 2000 Menschen in der Stadt Kepenguria und umliegenden Gemeinden im Nordwesten Kenias sowie für die unrechtmäßige Verhaftung zahlreicher weiterer Widerständler.

Freiheitskämpfer der ehemaligen Rebellengruppe Mau-Mau verlangen Informationen zum Verbleib der Leiche ihres Anführers Dedan Kimathi, einer der bedeutendsten Freiheitskämpfer Kenias, der 1957 hingerichtet und an einem unbekannten Ort begraben wurde. Die frühere kenianische Justizministerin und Menschenrechtlerin Martha Karua (2005-2009) betonte: «Wir erwarten eine eindeutige Entschuldigung [von König Charles]. Sonst ist der Besuch bedeutungslos.»

Regierung dürfte auf royale Charme-Offensive hoffen

Die Regierung in London dürfte hingegen darauf setzen, dass Charles und Camilla die Kenianer mit einer royalen Charme-Offensive besänftigen können. Dazu dürften Bilder wie vom demütigen Besuch am Grab des unbekannten Soldaten und mit jubelnden Schülerinnen und Schülern an einem Ausbildungszentrum von Charles' Stiftung Prince's Trust beitragen.

Bei den Gesprächen des Königs in Kenia dürfte es auch um Themen wie die Zusammenarbeit der beiden Länder beim Kampf gegen den Klimawandel, die Förderung von jungen Menschen und die politische Stabilität in der Region gehen. Vor allem der Klimaschutz liegt Charles am Herzen. Sein Flugzeug sei auf ausdrücklichen Wunsch des Königs mit 40 Prozent nachhaltigem Kraftstoff betankt worden, meldete die britische Nachrichtenagentur PA.