Secondhand im Trend: Kölner Kostümmarkt wird jedes Jahr ein Stückchen größer

75 Aussteller nehmen mittlerweile am Kostümmarkt in der Lutherkirche teil.

Um 11.11 Uhr schallen Brings mit „Polka, Polka, Polka“ aus den Boxen, im Vorraum der Kirche riecht es nach Frikadellen und Mettbrötchen, einige Kinder haben schon einmal ihr Kostüm übergestreift: An diesem Samstagvormittag ist Jeckenzeit in der Lutherkirche in der Südstadt. Der Kostümmarkt zählt zu den ältesten seiner Art in Köln. „Wir sind im zehnten Jahr. Am Anfang waren es nur fünf oder sechs Stände und wir waren uns unsicher, ob etwas daraus werden wird“, erinnert sich Sonja Grube vom Förderverein und resümiert die Erfolgsgeschichte des Marktes nicht ohne Stolz. Denn inzwischen ist die Zahl der Aussteller auf 75 angestiegen, hauptsächlich Privatleute, die über Jahre einen beachtlichen Fundus an Kostümen angesammelt hätten. Am Eingang des Hofes läuft man direkt auf Conny Lindbergs Stand zu. Gerade hat sie einen braunen Schlafanzug für sechs Euro verkauft: „Die Kundin hat mir erzählt, dass sie sich daraus ein Löwenkostüm basteln will.“ Mit ihren Fingern streift die Ausstellerin durch die Kostüme und Kleider an der Stange neben ihr. Die Stücke stammen aus der Karnevalskiste ihrer Freunde und Familie. Dazu kommen Kleider aus den 70ern und 80ern, die sie bei der Haushaltsauflösung ihrer Nachbarn noch vor dem Müll retten konnte. Bei ihr bekämen die Kunden gute Ware günstig, das sei der Vorteil. Der Trödel- und Nachhaltigkeits-Trend hat längst in den Karneval Einzug gehalten. Immer mehr Kostümmärkte gesellen sich zum üppigen Angebot an Second-Hand-Läden, Trödelmärkten und Kleidertauschbörsen dazu. Die Kirche gleicht einer Schatztruhe Man muss sich an den Menschen vorbeidrängen, um vom Vorraum in die Kirche zu gelangen: So einen Ansturm kennt man sonst vom Weihnachtsmarkt. Die Kirche gleicht einer Schatztruhe, in der man nur lange genug wühlen muss, um das persönliche, kostbare Fundstück zu ergattern. Es glitzert und funkelt in jeder Ecke. Scheinwerfer werfen rotes Licht auf Stände mit Ohrringen, schrägen Krawatten und Designer-Kappen. Pinke Pailletten en masse neben rot-gelb-blauen Federhüten: Eine Reizüberflutung für die Augen, die nicht wissen, wo sie zuerst hinblicken sollen. Nur die Orgel verrät, dass hier sonst Gottesdienste begangen werden. Die Menschen, die den Markt aufsuchen, wollen kein Kostüm von der Stange und schon gar nicht aus Plastik, weiß Organisatorin Grube. Es soll besonders sein – und die Kreativität anregen. Individuell ist nicht immer preiswert Gerade unter jungen Leuten ist die Freude groß, sich ein eigenes Kostüm zu kreieren. „Am Eingang habe ich Hüte gesehen, die es sonst auch im Handel gibt. Das hat mich etwas abgeschreckt. Ich finde es schöner, Dinge zu kaufen, die eine Geschichte erzählen“, sagt Jörn (40). Er ist heute auf der Jagd nach einem Schnäppchen, statt fünfzig Euro sollen es eher um die zwanzig sein. Für ihn heißt Verkleiden und feiern, dem Alltag entfliehen. Genau wie auf Festivals. Vintage ist cool, finden auch Jonas und Nina, beide 30. Individuell ist aber nicht immer preiswert und trödelig. Wer ein hochwertiges und gleichzeitig einzigartiges Kostüm sucht, wird in der Lutherkirche ebenfalls fündig. Hobby-Designer Renato Frings zückt einen Spiegel und hält ihn seinem Kunden vor: Sitzt die Jacke? Der Deutsch-Brasilianer kommt seit drei Jahren her. Sein Steckenpferd sind Sakkos und Jeansjacken. Hauptsache Glitzer. Er arbeitet bis zu sechs Stunden an einer Jacke – alles Unikate. Und verkauft sie für 120 Euro das Stück. „Am besten gehen rot-schwarze Piraten-Jacken und Kölner Jacken“, erzählt der schlaksige Sechzigjährige, der eine beige-gold-punktierte Weste über einem schwarzen Pullover trägt. Die Pailletten und funkelnden Steinchen lässt er extra aus Brasilien einfliegen. Der Einfallsreichtum gerät an seine Grenzen Doch auch der Einfallsreichtum gerät an seine Grenzen. „Es ist schon fast inflationär geworden: Käppchen ohne Ende. Das Angebot ist stark gewachsen“, erzählt Barbara Theisen. Die 68-Jährige war schon beim ersten Markt 2009 mit ihren selbstgestalteten Kostümen in der Lutherkirche mit am Start. Der Verkauf ihrer Ware ging dieses Jahr zurück, das liege an dem Boom der Kostümmärkte. Weitere Märkte finden im E-Werk oder im Engelshof statt, ohne die Kostümtauschbörsen in Bars und Vereinen mitzuzählen, die aus allen Ecken sprießen. Ist der Markt gesättigt? Entgegen dem Bling-Bling-Trend setzt Designerin Theisen auf elegant-klassische Outfits, die bei 120 Euro für ein Sakko und 170 Euro für ein Kombi-Damen-Kostüm ebenfalls im Hochpreis-Segment liegen. Hier punkten die kuriosen Details: wie ein kleiner Fisch oder Peter Pans Tinkerbell, die von der Schulter der Jacketts baumeln. „Nächstes Jahr fahre ich in die verbotene Stadt. Da gab es bisher noch keinen Kostümmarkt“, so Theisen. Aber Helau sage sie deswegen noch lange nicht....Lesen Sie den ganzen Artikel bei ksta