Die Samtstimme verstummt: Nachruf auf Seeed-Frontsänger Demba Nabé
Seeed hatten gerade ihre große Comeback-Tournee für den Herbst verkündet. Innerhalb kürzester Zeit waren die Konzerte in vielen Städten ausverkauft, die Ticketserver brachen zeitweise sogar zusammen. Spätestens jetzt war klar: Die vielleicht beste Party-Crew der deutschen Musikszene hat nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Kurz darauf dann die traurige Nachricht: Demba Nabé, einer der drei Leadsänger und Gründungsmitglied der Band, lebt nicht mehr. Mit 46 Jahren verstarb der Berliner mit dem Spitznamen „Ear“ für Außenstehende völlig überraschend am Donnerstagmorgen in Berlin.
Eine überschwängliche Freude an der Musik
Spätestens seit „Ding“, dem Song mit dem sie bei Stefan Raabs Bundesvision Song Contest antraten und gewannen, waren Nabé und Seeed im Pop-Mainstream angekommen. Das Spannende aber war, dass die Band nicht durch das Business verändert wurde, wie es etwa den Dancehall Kollegen von Culcha Candela passierte. Stattdessen behielt Seeed immer das ursprüngliche Herz, die überschwängliche Freude an guter Musik – und das übertrug sich nirgends so gut wie bei Live-Auftritten auf der Bühne. Grund dafür war mit Sicherheit auch die enge Beziehung, die alle Bandmitglieder und vor allem die drei Gründer Peter Fox, Frank Dellé und eben Demba Nabé verband.
Seed waren immer mit großem Orchester unterwegs. Elf Leute auf der Bühne, die eine Musikfamilie bildeten, die seit fast 20 Jahren eng zusammen hielt. Nicht gecastet, nicht vom Ruhm abgedriftet: die Gruppe blieb sich immer treu, auch in den größten Erfolgen, von denen es zahlreiche gab. Und das galt besonders auch für die drei Frontmänner. Um so schwerer ist ein Weitermachen ohne Nabé nun denkbar.
Seeed, das war auch immer Berlin, die Musik verkörperte das pulsierende, multikulturelle und ausgelassene Hauptstadtleben nicht nur durch ihren Hit „Dickes B“. Der Dancehall mit deutschen Texten zeigte die beste Seite dieses Landes. Von 1998 bis 2012 tourte die Gruppe kreuz und quer durch Deutschland, sammelte mit jedem Album höhere Chartpositionen und neue Meriten ein und spielte sich fest in das Sommergedächtnis einer ganzen Generation.
Nabé auf Solopfaden
Dann brauchten sie eine Atempause, auch kreativen Abstand und die Chance für die Einzelnen, sich weiter zu entwickeln. Peter Fox gelang das mit seinem „Stadtaffen“ Album am Prominentesten. Aber auch Nabé versuchte sich auf Solopfaden. Unter seinem Alias Boundzound hatte er bereits 2007 ein erstes Album veröffentlicht, es brachte ihm die 1Live Krone als „Bester Newcomer“ ein. Seine Solosongs waren etwas rauer, etwas kantiger als die Seeed-Klassiker. Und trotzdem unverkennbar aus dem gleichen musikalischen Erbe erwachsen und natürlich von seiner unnachahmlichen, dunklen, sonoren Stimme getragen. Geschliffen wurden seine Songs von den Kreuzberger Produzenten The Krauts, die auch mit der Band arbeiten. Und es lohnte sich. Wenn gleich auch nicht auf dem Peter Fox Level, wurde aber immer hin „Louder“ zur Hitsingle.
Nebenbei zeichnete und malte Nabé auch, er illustrierte seine Albencover und auch ein Kinderbuch. 2011 gab es dann wieder Neues auf die Ohren vom Mann mit der Samtstimme. „Ear“ hieß das Nachfolgealbum und es zeigte das erweiterte Spektrum des Sängers, das sich über Dancehall und Reggae hinaus bewegte. Die Texte waren jetzt Englisch, die Songs weltweit entstanden in Südfrankreich, Los Angeles und in Westafrika. Aus dem westafrikanischen Guinea stammt Nabés Vater, der zum Studium nach Berlin gekommen war, wo sein Sohn 1972 in Berlin-Buch geboren wurde. Später wurde der Vater Bildungsminister in Guinea, das Album war auch eine Auseinandersetzung und Hommage an die Herkunft seiner Familie.
Seeed nun ohne Boundzound?
Seine zweite, seine musikalische Familie steht nun ohne ihren Freund und stimmlichen Leader da. Über den Band-Anwalt Christian Schertz baten sie um Privatsphäre: „Da die Nachricht von Dembas Tod die Band tief getroffen hat und sie Zeit und Ruhe für ihre Trauer benötigt, bitten wir aktuell von weiteren Anfragen Abstand zu nehmen.“
In den sozialen Netzwerken trauerte die Fan-Gemeinde mit der Band, Musikstars wie Thomas D und Marteria zeigten sich schockiert von dem frühen Tod ihres Kollegen und Freundes und auch die Stadt Berlin postete eine offizielle Beileidsbekundung. Das einzige Statement von Seeed lautete schlicht: “Wir trauern um unseren Freund und Sänger Demba Nabé.” Der Twitter-Account der Band ist nun schwarz. Die selbsternannten „Dancehall Caballeros“ hatten sich gerade wieder in den Sattel geschwungen, um ihre Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Ohne den dritten Reiter ist das eigentlich gar nicht vorstellbar.