"Froh, dass alles so gekommen ist"

Im Vater-Tochter-Drama "Nur mit dir zusammen" gibt Schlager-Prinzessin Vanessa Mai im Ersten ihr Debüt als Schauspielerin. An der Seite von "Tatort"-Kommissar Axel Prahl spielt sie - überraschend stark - einen aufstrebenden Popstar, der mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat

Eine Pop-Prinzessin und Schauspiel-Einsteigerin als ernsthafte Partnerin für Schauspiel-Schwergewicht Axel Prahl? Im Vater-Tochter-Drama "Nur mit dir zusammen" (Samstag, 25. Januar, 20.15 Uhr, ARD) probiert sich Schlagerstar Vanessa Mai erstmals vor der Kamera - und das in einer großen Hauptrolle am Samstagabend im Ersten. Doch auch Skeptiker werden nach Ansicht des Musikdramas zugeben müssen: Die 27-Jährige gibt den aufstrebenden Popstar unter Druck gekonnt und - "erfrischend" missmutig - ziemlich authentisch. Auch eine seltsame Koinzidenz zu Vanessa Mais eigenem Leben git es. Im November 2019 gab die Charts-Stürmerin ("Ich sterb für dich") zu, dass sie im vergangenen Jahr aufgrund des Karrieredrucks unter Burnout-ähnlichen Symptomen litt. Dies machte unter anderem eine Tour-Absage nötig. Im Interview verrät Vanessa Mai, wie sie ihre schwere Krise überwunden hat.

teleschau: Sie spielen in Ihrem ersten Film ohne jegliche Schauspielerfahrung so, dass es sich beim Zusehen echt anfühlt. Wie haben Sie das geschafft?

Vanessa Mai: Mit einer Herangehensweise, die ich so schon lange nicht mehr erlebt habe. Sie lautete: Kopf ausstellen, akzeptieren, dass ich keine Erfahrung mitbringe, keine Vergleiche anstellen - einfach machen. Man hatte mir auch empfohlen, kein Schauspiel-Coaching zu absolvieren.

teleschau: Mit welcher Begründung?

Vanessa Mai: Weil ich mir so meine Natürlichkeit erhalte. Es kann auch in die Hose gehen, wenn man jemandem, der keine Erfahrung hat, versucht, auf die Schnelle etwas an die Hand zu geben. Diesem Rat bin ich gefolgt und es ist auch für mich aufgegangen. Wir wussten aber bis zum ersten Drehtag nicht, ob es wirklich funktionieren würde.

"Ich konnte mein Leben wie von außen betrachten"

teleschau: Wie nervös waren Sie vor diesem ersten Drehtag?

Vanessa Mai: So nervös, dass ich gar nichts mehr wahrgenommen habe. Ich kannte das Drehbuch, hatte meinen Text gelernt. Aber das war es dann auch schon. Ich hatte mit Axel Prahl allerdings einen der besten Spielpartner, die man in einer solchen Situation bekommen kann. Als er beim ersten Drehtag gleich gesagt hat: "Du machst es echt gut", war für mich das Eis und damit die Nervosität gebrochen. Axels Reaktion gab mir deutlich mehr Sicherheit. Er ist ein Typ, der einfach eine enorme Lockerheit ausstrahlt - und das überträgt sich.

teleschau: Ihre Rolle war ziemlich schwer. Sie spielen einen psychisch belasteten Popstar mit Vaterkonflikt, Burnout und schwerer Krankheit. Das Gegenteil von jener guten Laune, mit der man die Schlagerbranche verbindet ...

Vanessa Mai: Meine Figur agiert aufgrund ihrer Probleme ziemlich zurückgenommen. Sie ist oft belastet und traurig. Das Zurückgenommene zu spielen, fand ich nicht schwer. Es passt schon auch zu mir. Was ich schwerer fand, war, die Beziehungen der Figuren zu verstehen und zu verinnerlichen. Im Drehbuch gibt es eine schwierige Beziehung zum Vater, eine ebensolche zur Managerin. Mein echter Manager ist mein Mann, eine sehr vertraute Person. Ich weiß nicht, wie es ist, sich mit der eigenen Karriere einem Fremden anzuvertrauen. Gott sei Dank weiß ich auch nicht, wie es ist, todkrank zu sein.

teleschau: Sie spielen außerdem einen Popstar, der unter dem System leidet. Vor nicht allzu langer Zeit haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie unter dem Druck des Jobs sehr gelitten haben. Ist es Zufall, dass Rolle und Krisen-Statement recht zeitnah passierten?

Vanessa Mai: Es war Zufall. Die Filmrolle soll auch keine Biografie sein, dazu gibt es zu viele Unterschiede zwischen dem Popstar im Film und mir. Trotzdem half mir die Rolle, mich selbst wieder ein Stück weit zu finden. Ich konnte mein Leben wie von außen betrachten.

teleschau: War die Rolle eine glückliche Fügung des Schicksals?

Vanessa Mai: Vielleicht, ja. Ich glaube schon ein bisschen an so etwas wie Schicksal. Dass Dinge, die passieren, vielleicht auch passieren sollen.

"Ich habe mich wiedergefunden, das war der Schlüssel"

teleschau: Was hat Sie persönlich am Popstar-Leben am meisten bedrückt?

Vanessa Mai: Ich habe mir zu diesem Thema alles von der Seele geredet und es hinter mir gelassen. Um es kurz zusammenzufassen: Ich sah mich selbst nicht mehr in meinem Leben, in diesem Job - und konnte beides deshalb auch nicht mehr genießen.

teleschau: Warum kam das so?

Vanessa Mai: Weil der Zug einfach viel zu schnell gefahren ist. Was aber schön war, ist, dass die Fans gesehen haben, dass etwas nicht stimmt. Ich spürte, dass die Beziehung zu den Fans nicht einfach nur behauptetes Geschwafel ist. Da besteht eine echte emotionale Bindung, was mir gerade in jener Phase enorm geholfen hat. Auch mein Mann war sehr für mich da. Ich bin sehr froh, dass alles so gekommen ist. Mir geht es sehr gut heute. Ich bin durch all das gereift und heute - trotz meines immer noch jungen Alters - sehr geerdet.

teleschau: Haben Sie auch etwas in Ihrem Leben verändert?

Vanessa Mai: Ich stieg einfach mal aus und lehnte mich zurück. Mein Mann Andreas glaubte an mich, als ich es selbst nicht mehr getan habe. Man braucht Menschen im Leben, auf die man sich bedingungslos verlassen kann. Das ist das Wichtigste im Leben. Es ist auch das größte Geschenk, das wir kriegen können.

teleschau: Aber muss man nicht selbst Dinge verändern, um aus einer Krise herauszukommen. Einfach mal Pause machen, um danach wieder ins Gleiche einzusteigen, bringt doch meistens wenig ...

Vanessa Mai: Man muss erkennen, dass niemand einen glücklich machen kann, wenn man nicht selbst für sein Glück sorgt. Ich habe mich wiedergefunden, das war der Schlüssel. Vieles andere ist heute wieder wie vor der Krise. Wir haben wieder Erfolge, es rollt. Ein Album kommt, die Tour kommt, die Single war auf "eins". Und trotzdem fühlt es sich anders an. Weil ich mich geändert habe - nach dieser Erfahrung.

"Es gibt auch mal Tage, da habe ich keine Lust auf meinen Alltag"

teleschau: Wie realistisch ist die recht kritische Darstellung des Schlager- und Popgewerbes in Ihrem Film?

Vanessa Mai: Es ist ein bisschen überspitzt, aber nicht völlig unrealistisch. Im Film macht mir meine Managerin deutlich, dass an meinem Funktionieren als Star einiges dranhängt. Nicht zuletzt Arbeitsplätze in meinem Mitarbeiterstab. Da ist natürlich was dran. An fast jedem Menschen und jedem Job hängen andere, die auf dessen Funktionieren angewiesen sind. Es ist nicht nur in der Popbranche so. Auch an anderen Orten kennt man Hamsterräder. Wir treten alle ein Stück weit unser eigenes Hamsterrad. Es darf sich eben nur nicht so anfühlen, als wäre es das einzige, was wir tagtäglich tun - denn dann wird es ungesund.

teleschau: Im Film wird der Klischee-Gegensatz zwischen authentischem Rock, für den der Vater steht, und dem oberflächlichen Schlagergeschäft diskutiert. Ist Schlager authentischer als sein Ruf?

Vanessa Mai: Man sollte grundsätzlich nichts pauschalisieren. Authentizität hat nichts mit Genres zu tun. Es ist auch immer Ansichtssache. Was ich authentisch finde, finden andere vielleicht aufgesetzt. Im Prinzip wollen alle Künstler das gleiche: Sie machen Musik, weil sie Musik lieben. Alle wollen auf der Bühne stehen und die positive Energie der Fans spüren.

teleschau: Also fühlen Sie sich nie so, als ob Sie etwas bedienen müssten?

Vanessa Mai: Ich bin ich - und stelle auch nichts dar, was ich nicht bin. Ich bin einfach ein glücklicher Mensch und tue das, was ich tue, sehr gern. Und - na klar - es gibt auch mal Tage, da habe ich keine Lust auf meinen Alltag, aber das geht jedem anderen Menschen auch so. Statt auf die Bühne zu gehen, würde ich dann lieber Pizza essen und auf der Couch bleiben. Auch das zu fühlen und sagen zu können, ist authentisch.

teleschau: Also müssen sich in der Schlagerbranche nicht mehr Leuten verstellen, als in anderen musikalischen Genres?

Vanessa Mai: Ich kann und möchte das nicht beurteilen. Ich selber sehe es nicht so. Ich bin auch nicht so. Über andere Künstler möchte ich mir kein Urteil erlauben.