In seiner Talkshow will Lanz Klartext reden

Zu Gast bei Markus Lanz waren Svenja Schulze, Tom und Bill Kaulitz, Martin Schoeller und Rainer Hank. Foto: ZDF Screenshot.
Zu Gast bei Markus Lanz waren Svenja Schulze, Tom und Bill Kaulitz, Martin Schoeller und Rainer Hank. Foto: ZDF Screenshot.

Nur weil Lanz dieses Mal fünf Gäste zu sich ins Studio einlud, wurde die Talkshow nicht automatisch unterhaltsamer. Was lässt sich Neues erzählen über eine Runde, in der sich Politik mit Symbolpolitik aufhält, es um eineiige Zwillinge ging und das wirklich Interessante die bewegenden Geschichten von Obdachlosen waren, die Martin Schoeller fotografierte. Achja, ein bisschen Tratsch und Klatsch gab es auch. Heidi Klum und Tom Kaulitz von Tokio Hotel sind verlobt. Ob sie auch Nachwuchs bekommen? Vorab nur so viel: Lanz versuchte Klartext zu reden. Damit wir wirklich mal etwas erfahren, dass andere Nachrichtensender nicht schon durchgekaut haben.

Klartext auf Bestellung

Lanz beklagt sich bei Umweltministerin Svenja Schulze, dass Politiker keine klare Sprache mehr sprechen. Auslöser war ein Interview der SPD-Politikerin mit dem Journalisten Thomas Walde. Sie weigerte sich Position zum Thema “Tempolimit” zu beziehen. Als Lanz einen Ausschnitt des Interviews zeigt, sieht man: Es machte ihr sichtlich Spaß den Fragen von Walde auszuweichen. Dabei hat sie eigentlich eine Meinung zum Tempolimit. „Ich bin dafür. Aber wenn man so tut, als wäre das die Lösung, dann stimmt das nicht“, sagt sie. Lanz fragt dann noch ein paar Mal nach, um sicher zu gehen – und ja, sie bleibt bei ihrer Meinung.

Nach diesem Erfolg wagt sich Lanz in neue, „verrückte“ Bereiche vor, wie er es nennt: Plastiktüten. Ich bin für eine Abschaffung, meint Schulze. Wow, so viele klare Aussagen an nur einem Abend. Lanz wird übermütig. Er will es genau wissen: „Wann schaffen Sie die Plastiktüten ab?“ Wird Schulze diese konkrete Frage auch beantworten? „Wir ersetzen wo es möglich ist, aber eine komplette Abschaffung hätte keine Akzeptanz in der Bevölkerung“, antwortet sie. „Seit 1. Januar haben wir dafür ein Verpackungsgesetz.“ Seitdem kosten Verpackungen Geld. Ob die Biogurke eingeschweißt wird, überlegt sich der Produzent dann zweimal, glaubt Schulze.

Symbolpolitik nur heiße Luft?

Vorbei ist es mit der Klarheit von Schulze. Lanz hakt noch einmal nach: „Warum schaffen Sie die Plastiktüte nicht einfach ab? Ich will es nur verstehen.“ Es klingt ein bisschen verzweifelt. Und Schulze verweist noch einmal darauf, dass sie das Schritt für Schritt ja tut. Sie habe bereits mit Geschäften gesprochen und die Plastiktüten so um zwei Drittel reduzieren können. Wenn sie aber wirklich etwas erreichen wolle, dann müsse sie an die Verpackungen ran und die Wegwerfmentalität ändern.

Und noch verzweifelter wirkt Lanz, als er die anderen Gäste fragt: „Ist es unwichtig, was ich einfordere?“ Der Journalist Rainer Hank findet, dass es nichts bringt Symbolpolitik zu betreiben. „Die Plastikberge im Meer sind fürchterlich. Im letzten Jahr wurden allein 500 Millionen Tonnen Plastik produziert, die Hälfte davon in Asien, in China ein Drittel.“ Was er sagen will ist: lieber dort ansetzen, wo es mehr bringt. Und was sagen die drei anderen dazu? Die sind sich einig. Selbst wenn es nur einen kleinen Prozentsatz ausmacht, schaden kann es ja nicht.

Liebe auf den ersten Blick

An den Zwillingen Tom und Bill Kaulitz von der Band “Tokio Hotel” können sich Politiker sowieso ein Beispiel nehmen. Da wird nicht um den heißen Brei herum geredet, da wird einfach geradeaus gesagt, wenn sie nicht antworten wollen. Lanz spricht mit den beiden über die Liebe – denn seit einem Jahr sind Tom Kaulitz und Heidi Klum ein Paar.

Die Brüder Tom und Bill Kaulitz von Tokio Hotel sprechen bei Lanz über die Liebe. Foto: ZDF Screenshot
Die Brüder Tom und Bill Kaulitz von Tokio Hotel sprechen bei Lanz über die Liebe. Foto: ZDF Screenshot

Kennen gelernt haben die beiden sich bei einer Geburtstagsparty des Designers Michael Michalsky. „Ich habe das sofort beim Hallo-Sagen gemerkt. Das war Liebe auf den ersten Blick“, sagt nicht Tom Kaulitz, sondern sein Bruder Bill. Die beiden sind nämlich eng miteinander verbunden. Wenn der eine traurig ist, dann ist auch der andere traurig. Zwillinge halt. Tom Kaulitz hat die Funken aber auch sofort gemerkt. Und hat deshalb direkt Vollgas gegeben – da wurde niemand verkuppelt. Seit Ende Dezember sind Heidi und Tom verlobt.

Es läuft also gut. Sieht man auch an den Instagramposts von Heidi Klum. Sie teilt private Fotos aus ihrer Beziehung. Tom Kaulitz stört das nicht, obwohl er sich von Instagram fern hält. „Mein Ziel war es, immer die meisten Follower zu kriegen, ohne etwas zu posten. Also ihr könnt mir folgen, ich werde nur nie etwas schreiben“, erzählt er.

Ob noch Kinder geplant sind, verrät Tom Kaulitz dann aber doch nicht: “Dazu sage ich nichts.” Als Lanz meint, dass war kein klares ‘nein’, fügt er noch hinzu: „Ich glaube, ich muss noch ein bisschen Coaching nehmen, wie man um Fragen gut drum herum redet.” Eigentlich sollten die Politiker bei Tom Kaulitz ins Coaching gehen. Vielleicht kann er nach seiner Tour, die Ende April startet, eine zweite dranhängen – mit der Agenda: Wie redet man Klartext. So wie die Obdachlosen von Los Angeles, die der Fotograf Martin Schoeller porträtierte.

Abseits der High Society

Nach diesem Höhenflug in das Privatleben der Promis, kommt jetzt der Tiefflug zu den Zurückgeblieben, den Abgehängten, den Obdachlosen. „Die Leute auf der Straße haben sich noch nie Gedanken über ihr Aussehen gemacht“, meint Schoeller. Das brachte eine Offenheit und Verletzlichkeit mit sich, mit welcher der Fotograf vorsichtig umgehen musste. Er erzählt zwei bewegende Anekdoten.

Der Fotograf machte vom Obdachlosen Trust ein Portraitfoto. Er ist siebzehn. Foto: ZDF Screenshot
Der Fotograf machte vom Obdachlosen Trust ein Portraitfoto. Er ist siebzehn. Foto: ZDF Screenshot

Fritz, 19 Jahre alt, war abhängig von Crystal Meth. Mit zwei Freunden lebte er auf der Straße, schlief mit ihnen in einem Auto. Als das Magazin “National Geographic” sein Foto teilte, bekam Schoeller eine Mail. Darin erzählte die Mutter des Jungen, dass “Fritz” eigentlich “Trust” hieß und 17 Jahre alt war. Sie bat Schoeller ihr bei der Suche nach ihrem Sohn zu helfen. Jetzt lebt Trust wieder Zuhause, er machte eine Entziehungskur und ist clean.

Und dann gibt es da noch Titti, die inzwischen mit einer Frau verheiratet ist. Als sie neun Jahre alt war, zwang der Onkel sie zur Prostitution. Als sie ihrer alkoholabhängigen Mutter davon erzählte, glaubte diese ihr nicht. Mit vierzehn war Titti obdachlos, schluckte Drogen, machte dann eine Entziehungskur. Mit siebzehn war sie wieder clean. Bevor Titti überhaupt volljährig war, hatte sie schon eine komplette Drogenkarriere hinter sich.

Gerne hätte man noch mehr über die Personen erfahren, deren Leben so weit entfernt sind von denen der Promis und Politiker. Sie erzählen ungeschminkt über das Dahinsiechen zwischen Drogen und Gewalt. Und wenn sie nicht reden wollen, dann antworten sie nicht mit leeren Worthülsen. Ein Mann, den Schoeller porträtierte, wollte gar nichts sagen. Eben ehrlich und natürlich.