Serie „Mir reicht's, ich geh in den Osten“ - Wie die „Schwarzen Ritter“ von Leipzig im Osten für Ordnung sorgen
Ausgerechnet in Ostdeutschland gibt es eine Sicherheitsfirma, deren 270 Mitarbeiter zu 80 Prozent Migrationshintergrund haben. Für die Arbeit wurde sie nun mit einem Integrationspreis ausgezeichnet. Ein Besuch bei Ramin Al Khakani, der sämtliche AfD-Klischees widerlegt.
Blendende Bengalos umgeben von Hooligan-Gebrüll und Nebelwänden im Fußballstadion, Rangeleien an Bar-Tresen, hitzige Momente bei Jugendamtseinsätzen an sozialen Hotspots: So sehen Alltags-Kulissen aus, mit denen die 270 Mitarbeiter der Security-Firma „Black Knight“ („Schwarzer Ritter“) immer wieder konfrontiert werden.
Dass in dieser Sicherheitsfirma in Leipzig einige Dinge jedoch divers laufen könnten im Vergleich zu anderen, ahnt, wer sich mit einem der beiden Chefs zu einem Gespräch verabreden will. Dazu genügt schon ein Blick auf die Namen der Männer, die das seit neun Jahren bestehende, stetig wachsende Unternehmen mit Niederlassungen in sechs weiteren ostdeutschen Städten führen: Husein Abdulla und Ramin Al Khakani.
„Finstere Prophezeiungen haben sich nicht bewahrheitet“
Die Neugier verstärkt sich, wenn man dem Mann in seinem Leipziger Büro gegenübersitzt. Der Bart dicht und pechschwarz, der Kopf kahl geschoren, die Augen freundlich.
„Meine Freunde haben mich damals gewarnt, als ich sagte, dass ich mit meinen Eltern nach Leipzig gehen würde“, sagt Al Khakani, vor 37 Jahren in Stuttgart geboren. Zu häufig war es im Osten bereits zu fremdenfeindlichen Angriffen gekommen, zu groß die Sorge, es könne ihm und seiner Familie etwas passieren. „Doch die finsteren Prophezeiungen haben sich zum Glück nicht bewahrheitet“, sagt der Sohn irakischer Eltern, die um die Jahrtausendwende über Russland vor Saddam Hussein geflohen waren, mit sanfter Stimme.
„Sicherheit ist ein sehr empfindliches Bedürfnis“
Dass Al Khakani mit seinem aus dem Libanon stammenden Freund Husein Abdulla ausgerechnet im Osten eine Sicherheitsfirma gründete, war zunächst eher „Fügung und Glück“. Da sei er „mehr oder weniger hineingeschlittert“, erinnert sich der studierte Betriebswirt. „Ich habe während des Studiums in der Branche gejobbt, da lag es einfach nahe, etwas Eigenes aufzubauen“, sagt der gebürtige Schwabe.
Etwas später fügt er dann nachdenklich mit bedachter Stimme hinzu: „Sicherheit ist ein sehr empfindliches Bedürfnis und jenes, nach dem meine Familie und ich uns am meisten gesehnt haben. Und wenn man dann auch noch sein eigener Chef ist, dann ist man von niemandem mehr abhängig.“
Al Kathani: „Respekt voreinander und Professionalität sind das, was zählt“
Auf die Frage, wie es denn zu der exorbitant hohen Quote von 80 Prozent Migrationshintergrund bei den inzwischen 270 Mitarbeitern gekommen sei, die aus rund 20 verschiedenen Nationen stammen, erzählt der Security-Chef von einem Tunesier, der sich vor Kurzem an ihn gewandt habe. „Der Mann erzählte mir, er sei bereits seit Monaten auf der Suche nach einem Job, habe jedoch keinen gefunden. Er war überzeugt, dass dies an seiner Hautfarbe liege.“ Dies sei etwas, „das bei uns keinerlei Rolle spielt.“
Das, was bei „Black Knight“ hingegen zähle, seien „der Respekt voreinander und absolute Professionalität, vollkommen unabhängig davon, woher man kommt und wie man aussieht“. Das habe sich wohl in der Security-Szene „herumgesprochen“, formuliert der 37-Jährige bescheiden.
Viele öffentliche Auftragnehmer vertrauen „Black Knight“
Integration wird beim „Schwarzen Ritter“ aktiv im Kollegenkreis und auch im sozialen Arbeitsumfeld gelebt. Der Ruf, den sich die Firma von Al Khakani und Abdulla dabei erarbeitet hat, spricht für sich. Zu den festen Auftragnehmern zählen auch namhafte öffentliche Einrichtungen wie Landesdirektion, Jugend- und Sozialämter, die Stadt Halle, die Leipziger Verkehrsbetriebe und Flüchtlingsunterkünfte.
2023 gründeten die beiden Partner eine Akademie, an der Geflüchtete in Kursen mit gezielter Unterstützung auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet werden - samt Deutschkurs und fachlicher Security-Ausbildung. Um einen „einheitlichen Leistungsstandard herzustellen“, sagt Al Khakani. Dafür wurde sein Unternehmen vor kurzem mit dem sächsischen Unternehmerpreis für Integration und Inklusion ausgezeichnet.
„Kein Alfred, kein Günther“ - dafür viel zum Lernen
Fast von Anfang an mit dabei ist der Leipziger Christian Kreuziger, der es trotz seiner erst 25 Jahre schon bis zum Einsatzleiter bei „Black Knight“ gebracht hat. Dass es in dieser Firma „keinen Alfred und keinen Günther gibt, dafür viele Mitarbeiter mit arabischen Namen“, das habe er natürlich schnell mitbekommen, witzelt Kreuziger. Von Anfang an habe ihn dabei die „kulturelle Vielfalt“ seiner Kollegen fasziniert, sagt der Einsatzleiter, der erstmals in seiner Abi-Zeit für die Security-Firma jobbte und inzwischen verheiratet und zweifacher Vater ist.
„Viel gelernt“ über fremde Kulturkreise habe er seitdem, ganz besonders über den Islam. Und er habe schnell begriffen, wie wichtig Kollegen seien, die Arabisch sprächen, ganz besonders, was die Arbeit in Flüchtlingsunterkünften angehe.
Ein Ereignis, das er nie vergessen werde, habe sich in einer Flüchtlingsunterkunft für allein reisende Männer in Chemnitz ereignet. Das Konfliktpotential sei in solchen Einrichtungen ohnehin hoch, im Fastenmonat Ramadan steige die Spannung weiter an. Doch es sei alles glimpflich verlaufen - auch dank der Arbeit seiner Arabisch sprechenden Kollegen.
„Es hat mich umgehauen, wie viel Gastfreundschaft mir zuteilwurde, als die Bewohner mich am Ende dann mit zum Fastenbrechen eingeladen haben. Wenn ich das meinen Freunden in Leipzig erzähle, dann staunen sie immer wieder und verstehen, warum man nicht alle Muslime über einen Kamm scheren darf, nur weil ein paar von ihnen Mist bauen.“
„Meinem Umfeld geht es gut - bis über Migranten gesprochen wird“
Lisa Ribbe arbeitet seit vier Jahren in dem Unternehmen und kümmert sich um Marketing, Vertrieb und Website. Die 31-Jährige kam schon viel in der Welt herum, hat unter anderem in den USA gelebt. „Für mich ist es bereichernd, mit derartig verschiedenen Lebensrealitäten am Arbeitsplatz konfrontiert zu werden“, sagt sie.
Das, was Ribbe mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen am 1. September jedoch bedrückt, ist ein möglicher Sieg der AfD. „Die Menschen in meinem Umfeld sind alle zufrieden mit ihrem Leben, es geht ihnen gut. Wenn dann aber über Migranten gesprochen wird, herrscht öfter plötzlich Unzufriedenheit.“
Wolle sie dann über die Sorgen und Nöte aller offen reden, mangele es nicht selten an der Fähigkeit, unvoreingenommen miteinander zu kommunizieren. „Statt Migranten Steine in den Weg zu legen, sollte eher daran gearbeitet werden, ihnen schnell und möglichst unbürokratisch Arbeit zu vermitteln.“ So lösten sich viele Probleme schon von selbst.
„AfD-Anhängern könnte eigene Wahl auf die Füße fallen“
Der Einfluss der AfD wird aus Ribbes Sicht steigen, selbst wenn die Partei, die immer wieder scharf gegen Migranten polemisiere, keine Mehrheit zum Alleinregieren erhalten werde. „Wie stark sie wird, dürfte wesentlich von den anderen Parteien abhängen. Mal schauen, ob die Brandmauer hält.“
Am Ende könnten den AfD-Anhängern ihre eigene Wahl auf die Füße fallen, zum Beispiel, was die Stellung der Frau angehe. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass Frauen, die arbeiten, ihren Job aufgeben und sich wieder ‚zurück an den Herd‘ stellen, wie die AfD das gern hätte.“
„Zähle auf die 70 Prozent, die die AfD nicht wählen“
Auch Ramin Al Khakani sorgt sich um einen möglichen Wahlsieg der AfD. „Ich bin mir sicher, dass ich nicht der Einzige bin, der schluckt, wenn er auf dem Weg zur Arbeit an AfD-Plakaten vorbeifährt, auf denen ‚Abschieben, abschieben, abschieben‘ oder ‚Freistaat statt Kalifat‘ steht“, sagt der 37-Jährige.
Ihm fehle die Kraft, sich vorstellen zu können, in einem Bundesland zu leben, das von der AfD regiert werde. „Aber man muss an dieser Stelle auch ganz klar unterstreichen, dass 70 bis 80 Prozent der Wähler nicht für die AfD stimmen, also eine übergroße Mehrheit. Und auf diese Mehrheit zähle ich.“
„Mir tat weh, als sie meiner Mutter ‚Taliban-Tante‘ hinterherriefen“
Der Sohn irakischer Eltern hat nicht vergessen, dass aufgrund des sichtbaren Migrationshintergrundes bei ihm und seiner Familie nicht alles so idyllisch lief, wie es angesichts der Erfolgsgeschichte von „Black Knight“ den Anschein haben könnte. „Wirklich weh tat mir, als ich miterleben musste, wie sie meiner Mutter ‚Taliban-Tante‘ hinterherriefen, obwohl sie erst spät ein Kopftuch aufgesetzt hat, weil sie spät religiös geworden ist.“
Auch er selbst sehe sich immer wieder mit platten Migrantensprüchen unter Bekannten konfrontiert. Fest ins Gedächtnis gebrannt hätten sich zudem diverse kritische Begegnungen mit Leipziger „Glatzen“. Am Ende sei zwar nie etwas Ernstes passiert. Doch das Unwohlsein, das er bei diesen Begegnungen empfunden habe, hat sich in seiner Seele festgesetzt.
Verarztet von Menschen, die Mob zuvor angegriffen hat
Welch erschütternde Formen Rassismus selbst in den fortschrittlichsten Ländern Europas annehmen könne, habe die Welt gerade am Beispiel Großbritanniens erleben können. Ein Cousin von ihm lebe dort und habe kürzlich berichtet, wie heftig die Gewaltausbrüche gegen Migranten verlaufen seien. „An einigen Orten haben ausländerfeindliche Trupps sogar Autos angehalten, um zu kontrollieren, ob sich Migranten darin befinden“, erzählt Al Khakani.
Der 37-Jährige schließt mit einem Bild, das ihm sein Cousin geschildert habe und das zeige, wie armselig dieser Hass sei, der sich am Ende sogar gegen die eigene Nation richten könne. „Er sagte mir, es sei doch bizarr, dass Briten, die bei den Angriffen auf Migranten verletzt worden seien, sich im Krankenhaus dann von ausländischen Ärzten behandelt lassen müssen, ohne die die britischen Krankenhäuser längst nicht mehr funktionieren würden.“