Sicherheit in unsicheren Zeiten - Offen Fehler anzusprechen hat viele Vorteile - im Krankenhaus rettet es Leben
Kommunikations-Profi Eva Ullmann erklärt an einem Fall in einem Krankenhaus, wie wichtig offene Fehlerkommunikation ist - selbst oder gerade bei Ärzten oder Pflegekräften. Alle wollten, dass es den Patienten gut geht und diese sicher seien. Aber es sind viele Faktoren, die Einfluss darauf haben.
Eine Patientin liegt mit stolzen 102 Jahren auf der Geriatrie-Station. Ihr Lebensende ist gekommen. Für uns alle ist es schrecklich und traurig einen Angehörigen zu verlieren. Es macht uns unsicher. Sie wohnte viele Jahre bei ihrem Sohn und der Schwiegertochter in einer eigenen kleines Wohnung. Ein entzückender Mensch geht von dieser Welt. Ihre Kinder, Ehepartner und Enkelkinder sind täglich bei ihr im Krankenhaus.
Die Ärztin begleitet die Familie und sagt: Hier fehlt noch jemand. Zwei Enkelkinder sind noch viele Kilometer entfernt. Sie können erst am Wochenende kommen. Am Samstag kommt die ganze Familie erneut, um sich zu verabschieden. Am Abend schläft die Patientin dann friedlich ein. Die Ärztin öffnet das Fenster und sagt: Nun muss die Seele noch aus dem Raum dürfen. Die Familie fühlt sich sicher begleitet und gut aufgehoben.
Eine Patientin kommt nach Schmerzen in der Lunge von einem Hausarztbesuch mit einem Schmerzmittel nach Hause. Nach weiteren Tagen und der Verschlimmerung der Schmerzen kommt sie in die Notaufnahme. Der leitende Oberarzt empfiehlt Röntgen und stationäre Aufnahme. Die Assistenzärztin der Station vermutet eine Intercostalneuralgie. Erlebt die Patientin als ängstlich und unsicher. Abdomen unauffällig. EKG unauffällig. Leichtes Fieber.
Die Assistenzärztin führt kein Röntgen durch, verabreicht der Patientin Novalmin und entlässt die Patientin wieder nach Hause. An diesem Wochenende weiß die Patientin nicht, ob sie leben oder sterben soll. Am Montag darauf geht sie erneut zur Hausärztin. Diese schickt sie zum dringenden Röntgen in ein anderes Krankenhaus. Dort werden beiderseitig Pleuraergüsse in der Lunge festgestellt. Die Patienten beschwert sich nicht beim Krankenhaus. Der Fehler wird nie besprochen.
So zu tun, als gäbe es keine Fehler ist das Schlimmste was wir machen können
Das ist beides Alltag in einem Krankenhaus. Wollen wir das? Natürlich nicht. Ein Krankenhaus ist wie eine Fluglinie: Als Patienten wollen wir natürlich keine 0,1 Prozent Risiko für einen Behandlungsfehler. Wir wollen 0.0 Prozent Risiko eines Fehlers. Und doch sind beides komplexe und fehleranfällige Branchen. Es entscheiden viele Menschen in komplexen Vorgängen. Es gibt viele Stimmen aus dem Gesundheitssystem, aus Landtag, im Unternehmen. Also benötigt eine Fehlerkultur eine Sicherheit, in der Fehler schnell entdeckt und korrigiert werden. So zu tun, als gäbe es keine Fehler ist das Schlimmste, was wir in unsicheren Zeiten machen könnten.
Psychologische Sicherheit ist die Überzeugung, dass die Arbeitsumgebung sicher genug ist, um darin zwischenmenschliche Risiken einzugehen. Also auch Fehler ohne Schuldzuweisung besprechen zu können, um sie zügig zu korrigieren. Es ist kein Persönlichkeitsmerkmal, sondern ein Merkmal des Arbeitsplatzes, zu dessen Schaffung wir alle beitragen können. Im Falle von Fehlern bedeutet dies: nicht gleich hysterisch werden. Nicht nur den Schuldigen suchen. Sondern den Fehler schnell besprechen. Und alles dafür tun, dass Menschen in der Umgebung sich auch trauen, über solche Fehler zu sprechen.
Mehr Sicherheit in einer globalen Welt
Sie möchten mehr Sicherheit in einer zunehmend unsicheren Welt? Als Trainerin für Kommunikation begleite ich regelmäßig Teams in Krankenhäusern. Dabei bin ich nicht die reißerische Zeitung auf der Suche nach dem nächsten Fehler, um ihn wie Jesus ans Kreuz zu nageln. Ich unterstütze Menschen sich wieder sicherer zu fühlen. So dass sie ihre eigene Meinung, Ideen und Bedenken äußern können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben.
In den Supervisionen und Teamcoachings, die ich durchführe, erlebe ich viel Druck, den starken Wunsch nach verbesserter Zusammenarbeit, aber auch Aggressivität und fehlende Kommunikation zu Fehlern und Missverständnissen.
Und immer wieder ist das gemeinsame Ziel die Patientensicherheit. Alle Mitarbeiter in Krankenhäusern, egal ob Arzt oder Pflegekraft, wollen, dass es den Patienten gut geht und diese sicher sind. Aber es sind verdammt viele Faktoren, die täglich Einfluss auf ein Krankenhaus haben: die Gesetze, die Behandlungsmethoden, die Zusammenarbeit, und noch viele mehr.
Und es ist unglaublich beeindruckend, mit wie viel Leidenschaft und Anspruch an Qualität jeder einzelne Mitarbeiter an der Patientensicherheit arbeitet. Und doch muss gerade bei allen Missverständnissen und Stress offen und aufrichtig miteinander gesprochen werden.
Wie schafft man Sicherheit in einer globalen Welt, die immer mehr Flexibilität und Strapazierfähigkeit fordert? Jeder von uns kann damit anfangen, sicher und aufrichtig zu kommunizieren. Nicht gleich hysterisch werden. Nicht jede Information ungeprüft und reißerisch an alle anderen Menschen weiter zu geben.
Psychologische Sicherheit bezieht sich auf die Erfahrung, sich mit relevanten Ideen, Fragen oder Bedenken äußern zu können. Psychologische Sicherheit entsteht, wenn Menschen einander vertrauen und sich bereit fühlen (oder sogar verpflichtet fühlen), aufrichtig zu sein.
Warum reden wir (nicht) miteinander?
Bei Untersuchungen zu Patientenfehlern hat die Psychologin Amy Edmondson festgestellt, dass leistungsstärkere Teams folgende Unterschiede signifikant aufzeigten:
gegenseitiger Respekt
mehr Zusammenarbeit
mehr Selbstvertrauen in ihre Fähigkeit, hervorragende Ergebnisse zu erreichen
mehr Zufriedenheit
höhere Rückmeldung von Fehlern in der Stationsarbeit
weniger Fehler insgesamt
Schweigen und fehlende Kommunikation sind in einem komplexen und fehleranfälligen System wie dem Gesundheitswesen ein Grund für ein höheres Aufkommen von Patientenfehlern. Psychologische Sicherheit ermöglicht die Kommunikation über Fehler und erhöht damit die Patientensicherheit.
Was genau Ist Psychologische Sicherheit:
Aufrichtigkeit
sich äußern
Ideen einbringen
Fehler ansprechen
Meinungsverschiedenheiten produktiv führen
Was genau ist Psychologische Sicherheit nicht:
Immer nett sein
Leistungsstandards senken
Immer einer Meinung sein
ständiges Lob
Rituale für Psychologische Sicherheit gibt es einige. Wir dürfen Räume zunehmend einladend und sicher gestalten. Wir können Beziehungen so sicher gestalten, dass man sich traut Risiken einzugehen. Nützlich im Gesundheitswesen ist zum Beispiel die Frage:
Ist diese Woche alles so sicher abgelaufen, wie Sie es sich für die Patienten gewünscht haben? Das nimmt den Druck aus der Situation und lässt hinter das verärgerte Verhalten schauen. Und ermöglicht dann im nächsten Schritt aufrichtige und direkte Kommunikation, weniger Fehler und insgesamt eine hohe Patientensicherheit.
Haben wir diese Woche alles dafür getan, dass wir uns sicher fühlen? Ohne jemand anders dafür verantwortlich zu machen? Die Regierung, den Nachbarn, den Ehepartner. Kultur ist die Summe aller menschlichen Interaktionen. Jeder von uns kann den Raum, in dem er gerade ist, sicher machen. Du musst nur damit anfangen.